Die Unverpackt-Läden sind im Kommen. Das hat auch Alexandra Pütz erkannt. Die 33-jährige kündigte ihren Job, startete eine Crowdfunding-Aktion und eröffnet demnächst in Friedrichsthal ihren eigenen Laden. Und auch andere Existenzgründer stehen in den Startlöchern.
Unverpackte Lebensmittel sind in aller Munde. Einerseits waren sie das schon immer – wer isst schon die Verpackung mit?! Andererseits wollen immer mehr Menschen, dass Lebensmittel und andere Produkte gar nicht erst verpackt werden – erst recht nicht mit Plastik. Alexandra Pütz ist so ein Mensch. Als 2017 in Saarbrücken der erste „Unverpackt"-Laden des Saarlandes seine Pforten öffnete, war sie Kundin der ersten Stunde. Mittlerweile hat die gelernte Erzieherin ihren sicheren Job bei der Stadt Neunkirchen aufgegeben, um in ihrer Heimatstadt Friedrichsthal den zweiten „Unverpackt"-Laden des Landes zu eröffnen. Mitte April soll es so weit sein. Auch in Saarlouis, Eppelborn und St. Wendel stehen Unverpackt-Läden vor der Eröffnung.
Dank einer erfolgreichen Online-Crowdfunding-Aktion hat Alexandra Pütz ihr Startkapital schon beisammen. Crowdfunding bedeutet, dass jede und jeder Geld für das Projekt spenden kann und hierfür im Gegenzug Präsente, Gutscheine oder Rabatte im neuen Laden bekommt. Genau 20.628 Euro wurden Pütz auf diese Weise von 182 Unterstützerinnen und Unterstützern zur Verfügung gestellt – genau 682 mehr als erhofft. „Das wichtigste Ziel war eine solide Grundausstattung, die haben wir mit dem Erreichen von mindestens 20.000 Euro gesichert. Gerade befinden wir uns in Gesprächen mit den Banken und wir haben auch schon mit der Renovierung begonnen", berichtet die 33-Jährige.
Ihre Initiative erklärt sie so: „Ich habe irgendwann damit angefangen, mich intensiver mit den Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und auch Ernährung auseinanderzusetzen", erzählt Pütz. Der Wunsch, die Welt ein Stückchen besser machen zu wollen traf schließlich auf den Gedanken, sich beruflich zu verändern. Die mit dem Schritt in die Selbstständigkeit verbundenen Risiken sind ihr dabei bewusst, die Leidenschaft für die Sache ist aber größer als die Angst vorm Scheitern. „Es gibt in meinem Freundes- und Verwandtenkreis zum Glück viele Personen, die mich unterstützen", sagt Pütz, die mit einem Unternehmensberater zusammenarbeitet und sich im kaufmännischen Bereich weiterbildet. Auch Birgit Klöber, die Inhaberin des Saarbrücker „Unverpackt"-Ladens, steht ihr trotz der künftigen Konkurrenzsituation mit Rat und Tat zur Seite.
Die Leidenschaft ist größer als die Angst
In Deutschland gibt es aktuell rund 150 „Unverpackt"-Läden. Der von Alexandra Pütz gehört zu den knapp 140, die sich derzeit in Planung befinden. Er wird in Friedrichsthal in die Räumlichkeiten des Familienunternehmens Möbel Goerisch (Geschäftsaufgabe) in der Saarbrücker Straße einziehen und so einen Leerstand verhindern. Das Sortiment wird Trockenware wie Getreide oder Müsli, ökologische Waschmittel, Körperpflege- und Hygieneprodukte sowie Milchprodukte, Öle und auch Frischware wie Eier umfassen. Wer etwas davon haben möchte, wird sich die gewünschte Menge in mitgebrachte Gläser, Tupperware-Behälter oder Stofftüten abfüllen und nach Gewicht an der Kasse bezahlen. So ganz ohne Verpackungen geht es allerdings nicht, Vorportioniertes wird vorzugsweise in Gläsern verkauft – Plastik ist hingegen tabu. „Mir ist die Regionalität der Produkte wichtig und dass es sich möglichst um Bio- oder Ökoqualität handelt", sagt Alexandra Pütz, die in ihrem Laden auch eine Café-Ecke einrichten sowie Workshops und Vorträge veranstalten will.
Ebenfalls noch im Frühjahr 2020 und nur etwa einen Monat nach der Eröffnung von Pütz’ „Unverpackt leben – regional in Friedrichsthal" wollen Lena Reichert und Nicki Herl ihren Laden „Unverpackt Saar" in der Zeughausstraße 2 in Saarlouis eröffnen. „Als wir in eine Gemeinde gezogen sind, in der unser Müll gewogen wurde, haben wir schnell bemerkt, dass wir zu viel davon produzieren. Beim Versuch, Verpackungsmüll zu vermeiden, kamen wir schnell an unsere Grenzen", berichtet Nicki Herl. „Weil wir nicht die einzigen sind, denen es so geht, wollen wir es in Saarlouis ermöglichen, ‚unverpackt‘ einkaufen gehen zu können." Als Konkurrenten sehen sich die künftigen Ladeninhaber nicht. Im Gegenteil: Sie unterstützen und beraten sich gegenseitig. „Bei uns lockt nur das Produkt an sich, hier wird man nicht von schicken Verpackungen geblendet", sagt Lena Reichert und ergänzt: „Mit jedem Einkauf hilft man aktiv dabei, eines der größten Probleme unserer Zeit anzugehen. Deutschland gehört in Sachen Plastikmüll zu den Top fünf Ländern in der EU. Das muss sich ändern und jeder Einzelne kann dazu etwas beitragen." Dieser Meinung ist auch Vanessa Geib-Schorr. „Ich bin davon überzeugt, dass es auch ‚auf dem Dorf‘ genug Menschen gibt, denen unsere Umwelt am Herzen liegt. Ich lebe schon immer in einem der Ortsteile in Eppelborn und bin auch auf einem Bauernhof in Hierscheid groß geworden", erklärt die künftige Inhaberin von „Unverpackt in Eppelborn" in der Bahnhofstraße 12 und ergänzt: „Ich will nicht mehr nur den ‚Friday for Future‘ nutzen, sondern auch alle anderen Wochentage und auch vielen anderen die Chance geben, einen Beitrag im Sinne der Nachhaltigkeit leisten zu können." Ihr Laden soll – wie der von Daniel Günder in St. Wendel – seine Pforten im Sommer 2020 öffnen. „Ich will eine Form des Tante-Emma-Lädchens von früher wiederaufleben lassen", sagt Günder und erinnert daran, dass das „unverpackte Einkaufen" in den kleinen Dorfläden „ganz normal war. Man brachte sich seine Behälter mit und füllte die Ware direkt im Geschäft ab. So erzählen es meine Großmütter und Großväter", sagt er und stellt klar: „Die Zeit zum Umdenken ist genau jetzt."
Jeder Einkauf ist eine aktive Hilfe für die Umwelt
„Die Aufregung ist riesig", gibt Alexandra Pütz zu und erklärt: „Für mich ist das ein riesiger Schritt aus der Komfortzone." Für das professionelle Kampagnen-Video und die Facebook-Seite musste sie sich als eher zurückhaltender Mensch erst überwinden und „richtig reinarbeiten." Dass sich die Arbeit lohnen wird, davon ist sie genauso überzeugt wie vom Standort: „Friedrichsthal ist zwar nicht das Nauwieser Viertel, aber es hat Potenzial. Es sind auch nicht mehr nur Alternative oder die klassischen ‚Ökos‘, die sich für die Thematik interessieren", weiß Pütz und ergänzt: „Ich brauche die persönliche Ebene zu dem Ganzen und finde, dass das Konzept auch in die Vororte rein muss." Das Thema ist schließlich mittlerweile in aller Munde.