Die Politik, die Gesellschaften und die Aktivisten selbst. Seither hat sich einiges bewegt – zu wenig, sagen die Klimastreiker und machen weiter Druck.
Das öffentliche Leben ist weitgehend heruntergefahren. Die Fridays for Future machen da keine Ausnahme. Der nächste große Klimastreik, der eigentlich für den 24. April geplant ist, steht infrage, was die Aktivisten nicht davon abhält, im Hintergrund weiterzuarbeiten.
Während heute die Verbreitung des Coronavirus das alles bestimmende Thema ist, hatte die Republik vor Jahresfrist noch eine ganz andere Debatte auf der Agenda. Tage- und wochenlang sah sich jeder genötigt, die Frage der Schulpflicht gegen die immer zahlreicheren freitäglichen Schülerdemos abzuwägen. Gleichzeitig arbeiteten sich Medien und Stammtische an der Ausnahmeerscheinung Greta Thunberg ab, die zuerst in ihrer Heimat Schweden mit ihren „skolstreijk för klimatet" für Aufsehen gesorgt hatte. Für die einen ist Greta eine Ikone, für die anderen ein Hassobjekt.
Am 15. März gab es dann den ersten weltweiten Klimastreik. Menschen in geschätzt 2.000 Städten in rund 100 Staaten beteiligten sich daran. Die Teilnehmerzahlen in Deutschland waren überall deutlich höher als die Veranstalter erwartet hatten. Im September übertrafen dann die Teilnehmerzahlen noch einmal deutlich alle Erwartungen. Deutschlandweit sollen um die 1,5 Millionen Menschen mitgemacht haben. Die Bewegung hatte inzwischen auch eine deutlich größere Basis gefunden. Zu den Schülern gesellten sich Eltern, Großeltern, Wissenschaftler, letztlich ein Querschnitt der Bevölkerung – abgesehen von notorischen Klimawandelleugnern.
Corona gefährdet die Aktionen
Je breiter die Bewegung wurde, umso heftiger wurde auch intern um den richtigen Weg zum gemeinsamen Ziel gerungen. Kapitalismuskritiker, die glauben, das Klima sei nur durch einen Systemwechsel zu retten, ringen mit dialogorientierten Vertretern.
Umarmungsversuchen hat die Bewegung bislang weitgehend widerstanden. Die wohl bekannteste Absage war die von Aktivistin Luisa Neubauer an Siemens-Chef Joe Kaeser nach dessen Aufsichtsrat-Angebot. Auch auf regionaler und lokaler Ebene zeigt sich die Bewegung zwar gesprächsbereit, aber auch widerborstig. So wie Greta zwar auf höchsten internationalen Kongressen Gast ist, aber aus ihrer Meinung keinen Hehl macht. Zuletzt auf europäischer Ebene, als sie den durchaus ambitionierten Green Deal der EU-Kommission um Chefin Ursula von der Leyen kritisierte. In Deutschland befand Fridays for Future das mühsam verhandelte Klimapaket als zu leicht, schlicht nur ein „Päckchen". So seien die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht zu erreichen – und die seien mindestens nötig, um den drohenden Kollaps zu verhindern.
Manche Kommentatoren glauben, dass Klimapaket und Green Deal ohne den Druck der Fridays for Future zumindest nicht so zustande gekommen wären, bescheinigen der Bewegung also durchaus beachtliche Erfolge. Zudem haben immer mehr Kommunen einen „Klimanotstand" ausgerufen, was bedeutet, dass sie alle Maßnahmen quasi unter einen Klimavorbehalt stellen wollen. Andererseits frustriert die Aktivisten, wenn wissenschaftliche Gutachten nachweisen, dass zumindest Deutschland trotz Klimapaket die Latte vermutlich reißen wird. Zum Trotz hat sich deshalb ein Kern in der Bewegung im Laufe dieses einen Jahres in der Arbeit professionalisiert, viele kleine, pragmatische Aktionen aufs Gleis gesetzt, und schließlich auf den 24. April hingearbeitet. Die Coronavirus-Pandemie könnte dem Datum einen Strich durch die Rechnung machen, so wie es derzeit schon alles andere aus den Schlagzeilen verdrängt. Das Anliegen der Fridays bleibt, ebenso wie die Notwendigkeit, permanent und energisch dafür zu kämpfen.