Mit rund 75 Millionen Euro gab Hertha BSC im Winter so viel wie kein anderer Club weltweit auf dem Transfermarkt aus. Welchen Eindruck haben die Neuzugänge bislang hinterlassen?
Santiago Ascacíbar war lange Zeit der einzige Neuzugang, den Hertha BSC in der vergangenen Transferperiode zu vermelden hatte. Der Transfer des defensiven Mittelfeldspielers vom Zweitligisten VfB Stuttgart für zehn Millionen Euro fiel Anfang Januar – nachdem zuvor Namen wie Granit Xhaka, Julian Draxler oder Mario Götze gehandelt worden waren – nicht besonders glamourös aus. Ascacíbar sammelte in den zwei Jahren nach seinem Wechsel ins Schwabenland zwar viele Fleißpunkte, aber auch 23 gelbe Karten plus eine gelb-rote. Dazu der berüchtigte Platzverweis im April 2019: In der Nachspielzeit spuckte Ascacíbar Leverkusens Kai Havertz an und schlug nach ihm, auch Schiedsrichter Tobias Stieler bekam einen Stoß ab. Sechs Wochen Sperre folgten – schlimmer war aber vielleicht der Stempel, den der Heißsporn fortan weghatte. Der junge Mann zog seine Lehren aus dem Vorfall, achtete mehr auf Selbstbeherrschung und entschloss sich diesen Winter zu einem Tapetenwechsel – auch, weil er sich in der Bundesliga mehr Aufmerksamkeit für seine Ambitionen in der Nationalmannschaft versprach. Ein Notenschnitt von 3,79 im Fachmagazin „Kicker" verrät jedoch, dass er bislang noch nicht den Unterschied ausmachen konnte. Mit einer Ausnahme bestritt der nur 1,68 Meter große Argentinier aber immerhin alle Pflichtspiele der Blau-Weißen – in Düsseldorf musste er wegen einer Gelbsperre aussetzen.
Die Euphorie hielt nicht lange an
Spürbar gut tat der Wechsel nach Berlin zunächst Krzysztof Piatek. Der polnische Nationalspieler (zehn Einsätze, fünf Tore) hatte beim AC Mailand bis Anfang Januar in jedem Spiel seine Einsatzzeiten bekommen – dann jedoch kehrte Zlatan Ibrahimovic wieder zu Milan zurück, und Piatek war seinen Status los. Nach seinem Wechsel und der Einwechslung im Ligaspiel gegen Schalke 04 (0:0) hinterließ der 24-Jährige einen starken Eindruck – und Piatek zeigte sich begeistert vom euphorischen Empfang durch Herthas Fans. Vier Tage später stand der Pole beim Pokalspiel in Gelsenkirchen (3:2-Niederlage nach Verlängerung) in der Startelf und erzielte seinen ersten Treffer. Doch die Euphorie hielt nicht lange an – gerade in den enttäuschenden Heimspielen gegen Mainz, Köln und Bremen kam Piatek nicht über die Rolle des Mitläufers hinaus. Dabei hatte er zwischendurch in Düsseldorf noch eine gute Leistung gezeigt und – nach Foul an ihm selbst – den Elfmeter zum 3:3-Endstand verwandelt. Herthas bis zum Jahr 2025 verpflichteter Rekordtransfer (Sockelbetrag: 24 Millionen Euro) benötigt also noch mehr Zeit, um konstant Leistung abzurufen. Bis zum Sommer 2019 ging es für Piatek eigentlich nur bergauf: 32 Tore in anderthalb Jahren für Cracovia Krakau waren erst dem FC Genua 4,5 Millionen Euro Ablöse wert. Ein halbes Jahr und 19 Pflichtspieltore später ging der Knipser bereits für 35 Millionen Euro zum AC Mailand. Der erneute Wechsel nach nur einem halben Jahr bedeutet nun den ersten Rückschritt in der Karriere Piateks, der bei Hertha BSC in Zukunft dennoch gesetzt sein dürfte. Dann wird man wohl auch seinen in Polen patentierten „Pistolen-Jubel" noch öfter zu sehen bekommen.
Der Dritte im Bunde der Winterzugänge ist ein Brasilianer, dessen verspätetes Eintreffen in Berlin mal mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wurde. Matheus Cunha schob nämlich quasi Überstunden mit der Olympia-Auswahl seines Landes und schoss diese mit fünf Treffern nach Tokio. So kam der 20-Jährige topfit und – in der Situation von Hertha BSC ebenfalls wichtig – voller Selbstvertrauen in den laufenden Betrieb. Bei seiner ersten Einheit empfing ihn zwar schon Alexander Nouri als Trainer, Akklimatisierungsprobleme offenbarte der Brasilianer aber nicht. In Paderborn, Düsseldorf und gegen Werder war er sogleich maßgeblich an den Punktgewinnen der Blau-Weißen beteiligt. Technische Qualitäten, aber eben auch solche im Abschluss zeichnen den noch jungen Spieler aus, der schon mit 18 Jahren vom FC Coritiba den Sprung nach Europa zum FC Sion wagte. Ein Jahr in der Schweizer Liga (zehn Tore) genügte, um sich Ralf Rangnicks Aufmerksamkeit zu sichern. Und obwohl er sich bei RB Leipzig letztlich nicht durchsetzen sollte, schwärmt er noch heute von seinem damaligen Trainer: „Rangnick hat mir beigebracht, der Mannschaft zu geben, was sie braucht", beschreibt Cunha die gemeinsame Zeit. „Auf diese Weise konnte ich wachsen und besser werden" – bis zum Jahr 2024 sicherte sich Hertha BSC die Dienste des Brasilianers, der in erst vier Einsätzen bereits viel Eindruck hinterließ.
„In Berlin entsteht etwas Spannendes"
Der vierte Zugang indes absolvierte nur einen Kurzauftritt in der Hauptstadt: Lucas Tousart flog zum Medizincheck ein – und schwebte gleich wieder Richtung Lyon. Denn der 22-Jährige wurde zwar von den Berlinern verpflichtet, aber noch für ein halbes Jahr an seinen bisherigen Club Olympique Lyon ausgeliehen. Nach seiner Rückkehr erzielte der Mittelfeldspieler beim 1:0-Sieg in der Champions League gegen Juventus Turin gleich das Tor des Tages. Auch das Arbeitspapier mit Tousart wurde dabei langfristig (bis Sommer 2025) abgeschlossen. „In Berlin entsteht etwas sehr Spannendes, und ich möchte ein Teil davon sein", bewies der Franzose bei seiner Vorstellung zumindest schon mal die nötige Vorfreude.