Heiko Herrlich ist der neue Trainer des FC Augsburg, der die Trendwende schaffen soll. Dass er nun nach Wochen immer noch kein Spiel absolviert hat, wäre bei seiner Vorstellung wohl niemandem in den Sinn gekommen.
Als Spieler gewann Heiko Herrlich, 49, im Vereinsfußball alles. Deutsche Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. Als Trainer führte er Jahn Regensburg in eineinhalb Jahren von der Vierten in die Zweite Liga. Mit dieser Vita ging es dann nach Leverkusen, wo es für Herrlich besser lief, als es scheint. Und als er Anfang März dann als neuer Trainer des FC Augsburg vorgestellt wurde, gab es nicht viele, die damit gerechnet hätten. Während ein solcher Trainerwechsel kurzfristig und langfristig neue Impulse bringen soll, sind es wohl eher die kurzfristigen die wegfallen. Durch das Coronavirus sind sowohl Spiel- als auch Trainingsbetrieb untersagt – Herrlich hatte also noch gar keine richtige Möglichkeit, der neue Impulsgeber seines neuen Vereins zu werden. Wenn jemand aber mit Krankheit umgehen kann, dann ist das Heiko Herrlich. Im Herbst 2000 wurde beim damals 28-jährigen Stürmer von Borussia Dortmund ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert. „Von da an ging es für mich nur darum, zu überleben", blickt Herrlich später in einem Interview zurück. Die folgenden Monate und die Strahlentherapie bezeichnet er als „die schlimmste Zeit meines Lebens". In dieser Zeit gab Herrlich der Glaube viel Kraft, um die Krankheit letztendlich zu besiegen. Denn rund ein Jahr nach seiner Diagnose feierte er sein Comeback – ausgerechnet im Revierderby gegen Schalke. Letztendlich spielte der Angreifer noch drei weitere Jahre Bundesliga, ehe er 2004 seine Karriere beendete.
Den Durchbruch zum Bundesliga-Profi schaffte er bei Bayer 04 Leverkusen, wo der gebürtige Mannheimer über die Jugend des SC Freiburg gelandet war. Nachdem er bei Borussia Mönchengladbach Torschützenkönig geworden war, wechselte er 1995 zum amtierenden Meister Borussia Dortmund. Beim BVB sammelte Herrlich gemeinsam mit dem heutigen FCA-Geschäftsführer Stefan Reuter in neun Jahren einige Titel. 1996 und 2002 holte die Borussia die Meisterschaft, 1997 die Champions League und im gleichen Jahr auch noch den Weltpokal. Bereits mit Leverkusen (1993) und Gladbach (1995) hatte Herrlich zuvor den DFB-Pokal gewonnen. In 257 Erstligaspielen für Leverkusen, Gladbach und Dortmund erzielte er insgesamt 74 Tore.
Nach seiner Karriere trainierte er zunächst die Dortmunder A-Jugend, später die deutsche U17- und U19-Nationalmannschaft. 2009 trat er als Trainer erstmals ins Rampenlicht der Bundesliga, als er für einige Monate den VfL Bochum übernahm. Anschließend betreute Herrlich Drittligist SpVgg Unterhaching, wo damals die Karriere von seinem aktuellen Stürmer Florian Niederlechner Fahrt aufnahm, sowie später die U17 des FC Bayern München.
Erfolgreich in Regensburg
Anfang 2016 übernahm er den SSV Jahn Regensburg, mit dem er bald bundesweit auf sich aufmerksam machte. Innerhalb von eineinhalb Jahren führte er die Oberpfälzer mit zwei Aufstiegen in Folge und begeisterndem Offensivfußball von der Regionalliga bis in die 2. Bundesliga. Das blieb auch den Verantwortlichen von Bayer 04 Leverkusen nicht verborgen, die Herrlich 2017 an den Rhein lotsten. In seiner ersten Saison qualifizierte er sich mit der Werkself für die Europa League, im Dezember 2018 musste er allerdings seinen Posten räumen. In Augsburg, wo Herrlich einen Vertrag bis Juni 2022 erhalten hat, will der 48-Jährige nun die Mannschaft zurück in die Erfolgsspur bringen. „Er steht für Gier, Leidenschaft und Siegermentalität", beschreibt Reuter seinen ehemaligen Mitspieler. „Heiko hat über viele Jahre extrem viel Erfahrung gesammelt, sowohl als Spieler als auch als Trainer. Er wird den richtigen Schlüssel finden, um eine Einheit zu formen." Der Verein in Person von Reuter sah diesen Schritt als unausweichlich an, dabei sind die Augsburger nicht für schnelle Trainerwechsel bekannt. Trotz wiederholter sportlicher Sorgen im Kampf um den Klassenverbleib waren seit dem Aufstieg 2011 nur fünf Coaches bei den Schwaben im Amt: Jos Luhukay, Markus Weinzierl, Dirk Schuster, Manuel Baum und Martin Schmidt. Der neue Trainer hat den Vorteil, dass Augsburg die schwierigen Aufgaben gegen die Spitzenteams Dortmund, Leverkusen, Mönchengladbach und eben Bayern schon hinter sich hat. Schmidt war vor elf Monaten als Nachfolger von Manuel Baum verpflichtet worden. Am Saisonende jubelte er über den Klassenverbleib. Der zunächst bis 2020 vereinbarte Kontrakt verlängert sich durch den Nichtabstieg bis 2021.
Herrlich versprühte bei seiner ersten Pressekonferenz dann gleich große Vorfreude und richtete zudem warnende Worte an die Spieler: „Ich glaube, dass einige nicht verstanden haben, wie gefährlich diese Situation ist." Und trotzdem ließ er seinen Optimismus nicht auf der Strecke. „Ich freue mich auf diese neue Herausforderung beim FCA", sagte Herrlich. „Ich bin dankbar, dass ich hier die Chance bekomme, als Trainer wieder täglich mit einer Mannschaft intensiv arbeiten zu können. Der FCA ist ein seriös geführter Verein mit einem begeisterungsfähigen Umfeld und tollen Fans. Daher ist es eine Freude für mich, ein Teil eines Clubs zu sein, der sich immer weiterentwickeln möchte", betonte er. Als er diese Worte an die Öffentlichkeit schickte, war ihm aber noch nicht klar, dass die Arbeit mit seiner neuen Mannschaft weitaus komplizierter werden würde. Denn lange war es, trotz Trainerwechsel, still geworden in Augsburg. Es gab nichts zu sagen, während sich die Corona-Krise immer mehr in den Alltag drängte und auch für eine Pause in der Fußball-Bundesliga sorgte. Nun aber hat sich Stefan Reuter bei Sky Sport News geäußert. Per Skype war er zugeschaltet – coronabedingt. „Die Gesundheit aller steht im Vordergrund", betonte Reuter immer wieder. Deshalb haben sich die Augsburger entschieden, ihre Profispieler erst einmal bis Montag weiter individuell trainieren zu lassen. Die Akteure haben Trainingspläne und Pulsuhren mit nach Hause bekommen. „Der Athletik-Trainer kann so überprüfen und Tipps oder Hilfestellungen geben", erklärte Stefan Reuter. Grundsätzlich aber sei es wichtig, bald wieder auf den Platz zurückzukehren. „Jeder Profisportler will sich, so gut es geht, fit halten. Wenn er zwei Tage Ruhe geben muss, wird er unruhig und es kribbelt", sagte Reuter. Es sei „für jeden Spieler angenehmer, auf dem Platz was zu machen. Das sind Fußballer, die haben gern den Ball am Fuß." Ab Montag könnte das wieder möglich sein, wenn die Augsburger in Gruppen auf dem Platz trainieren wollen. Aber nur „unter Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen", wie Reuter betonte. „Jetzt haben wir die Möglichkeit, das organisatorisch bis Montag optimal hinzukriegen", führte der Manager weiter aus. Eine Maßnahme könnte sein, dass sich die Spieler nicht schon in der Kabine treffen, sondern erst auf dem Platz. Und auch dort den nötigen Sicherheitsabstand einhalten. Besonders schwierig sei die Situation für Heiko Herrlich. Der neue Trainer ist erst seit gut einer Woche im Amt, er wollte schnellstmöglich beim FCA ankommen und alle Spieler intensiv kennenlernen. „Heiko wollte etwas bewegen und für Stimmung im Stadion sorgen. Er wollte, dass das Team wieder so auftritt, wie es über Jahre der Fall war, so wie die Fans den FCA sehen wollen. Das ist aktuell natürlich sehr schwierig." Deshalb gab es größtenteils Telefongespräche, um seine neuen Spieler kennenzulernen. Sollte es dann in der kommenden Woche wieder auf den Platz gehen, wäre zumindest mal ein Anfang gemacht.
Schwierige Situation
Eines aber war dem FCA-Geschäftsführer noch ganz wichtig: „Wir sollten optimistisch sein, dass wir die Krise gemeinsam überstehen können." Aber nur gemeinsam, wie Stefan Reuter immer wieder betonte. Wenn sich jeder an die öffentlichen Vorgaben halte und weitgehend zu Hause bleibe. Auch die FCA-Spieler seien in Sorge. Weniger um sich selbst, mehr um ihre Familien und Mitmenschen. Mit solchen Sorgen, aufgrund einer Krankheit nicht mehr auf dem Platz stehen zu dürfen, kennt Heiko Herrlich sich aus. Und wenn es dafür einen geeigneten Mann geben wird, die Spieler dann wieder in die richtige Spur und den Alltag zu lenken, dann ist das Heiko Herrlich. Er hat mit Bravour bewiesen, wie das geht.