Texte sollten nicht mit Fragen beginnen, besagt eine alte Regel. Ich zitiere die nur, um nicht mit einer der Frage beginnen zu müssen, die mich seit Tagen umtreibt:
Wie wird eigentlich Trockenhefe hergestellt? Nachdem mich Google und Wikipedia über den Unterscheid zwischen frischer und Trockenhefe belehrt haben, nehme ich zur Kenntnis, wie aus einem Stamm von Reinzuchthefe Backhefe gezüchtet und schließlich getrocknet wird. Das Ganze dauert etwa elf Tage. Was mich beruhigt und zum Anlass meiner Frage zurückbringt. Ich kann also hoffen, dass in den nächsten Tagen in einschlägigen Geschäften wieder Trockenhefe im Regal steht. Dass die zur Mangelware geworden ist, ist über den ganzen Klopapier-Panikkauf-Hype kaum beachtet worden. Wobei ein Päckchen Trockenhefe zugegebenermaßen auch deutlich kleiner ist als eine Packung des kostbaren, aufgerollten Papiers und deshalb wohl weniger auffällt.
Darf man in diesen Zeiten derart spotten? Die Frage ist sehr berechtigt. Erst recht in einer Phase, in der Meldungen unserer europäischen Nachbarn für Entsetzen sorgen müssen und der Kenntnisstand über vieles noch zu unzulänglich ist, um sich ein wirklich angemessenes Urteil bilden zu können.
Was ich derzeit beobachte, ist ein sehr unterschiedliches Bild. Einerseits wachsen die Sorgen, andererseits führt die außergewöhnliche Situation dazu, dass vieles, was selbstverständlich war, jetzt zu Fragen führt. Die Frage nach der Trockenhefe ist dabei gewiss noch eine der banalsten, bestätigt aber, dass man erst etwas zu schätzen weiß, wenn es vermisst wird. Das kann eine Chance sein, Wertschätzungen neu zu entdecken. Klingt etwas pathetisch, zeigt sich aber beispielsweise auch ganz praktisch in vielfältigen Formen von Hilfsbereitschaft oder schlicht auch an der überwiegenden Disziplin in allen Einschränkungen.
Diese ja gar nicht mehr so selbstverständlichen Erfahrungen können auch eine Basis sein, wenn es zu einem noch nicht absehbaren Zeitpunkt wieder darum geht, den jetzt weitgehend lahmgelegten Laden wieder in Schwung zu bringen. Und da wird die Nachproduktion von Trockenhefe noch die leichteste aller Aufgaben.
POLITIK
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Politik - Kolumne
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