Ostern wird in diesem Jahr im Zeichen weitreichender Einschränkungen stehen. Erst nach den Feiertagen soll eine Zwischenbilanz über die bisherigen Maßnahmen erfolgen. Gleichzeitig entwickeln sich andere Teile der Welt zu Hotspots der Pandemie.
Die Bandbreite der Einschätzungen zur Corona-Krise ist breit gefächert. Es gibt zu dieser Art von global ausgebreiteter Epidemie keine wirklichen Vorbilder. Auch wenn Wissenschaft und Forschung mit Hochdruck arbeiten, ist der Kenntnisstand über Sars-CoV-2 noch unvollständig.
Täglich, eigentlich fast stündlich ist die Öffentlichkeit mit neuen Zahlen konfrontiert. Soweit sie aus seriösen Quellen stammen, haben sie eine nachvollziehbare Basis und geben Hinweise, wie die Zahlen einzuordnen sind. Für Deutschland und West-Europa darf man davon ausgehen, dass die Veröffentlichungen ein realistisches Bild der Entwicklung abgeben, was in anderen Teilen der Welt nicht zwingend vorausgesetzt werden kann.
Um die Zahl der Infizierten einordnen zu können, muss man wissen, wie und in welchem Umfang im jeweiligen Land getestet wird. Und die Frage, wie viele Menschen tatsächlich an der Infektion gestorben sind, ist ebenfalls nicht so eindeutig zu beantworten, wie es die täglich veröffentlichten Zahlen auf den ersten Blick nahelegen. In westeuropäischen Ländern werden beispielsweise alle statistisch erfasst, bei denen eine Infektion nachgewiesen wurde. Ein extremes Gegenbeispiel liefert Russland, das nach offiziellen Verlautbarungen lange Zeit scheinbar völlig verschont geblieben war. Todesfälle bis vor wenigen Tagen: praktisch keine. Dafür, so kritisieren der Opposition nahestehende Ärzte, gebe es eine deutlich auffallende Zunahme von Todesfällen infolge einer Lungenentzündung. Die Corona-Statistik bliebe somit verschont.
Auch aus der Türkei werden Diskrepanzen bei Listen zu Todesursachen gemeldet, was das Misstrauen gegenüber der Regierung im Umgang mit der Pandemie schürt. Dazu kommt die kritische, wahrscheinlich sogar verzweifelte Lage im Nachbarland Iran. Die Situation in den Flüchtlingslagern gilt als extrem kritisch, zumal erste offizielle Bestätigungen über Corona in Syrien vorliegen.
Geduld bewahren, Exit vorbereiten
Brasiliens rechtspopulistischer Staatschef Jair Bolsonaro wiegelte auf seine Art lange ab. Während die Entwicklungen in China und dann in Italien und Spanien weltweit für Entsetzen sorgten und die WHO die höchste Alarmstufe ausrief, hielt Bolsonaro das alles lediglich für eine Erkältung und wetterte gegen eine „Strategie der verbrannten Erde", nachdem einige Regionalregierungen Ausgangsbeschränkungen verhängt hatten. Evangelikale Kirchen, auf die sich der rechtspopulistische Präsident bei seiner Wahl stützen konnte, bezeichnen das Virus als „Werk der Medien und des Satans". Brasilien, so fürchten Experten, könnte der nächste Hotspot werden, nach den USA, wo Präsident Trump lange ähnlich unentschlossen lavierte, bis er sich schließlich zum Kriegsherrn gegen den „unsichtbaren Feind" erklärte. Da hatten aber bereits New York und New Orleans die Schlagzeilen um Italien und Madrid abgelöst. Selbst ein Lazarettschiff vor New York kann nur minimale Entlastung bringen.
Die Entwicklung in Afrika ist derzeit noch eher am Rande der Aufmerksamkeit. Dabei bahnt sich dort eine unheilvolle Entwicklung an. Nach ersten bestätigten Fällen im Februar haben zunächst Ägypten im Norden sowie Südafrika mit Schulschließungen und Beschränkugen reagiert. Inzwischen haben praktisch alle Staaten mehr oder minder strenge Einschränkungen des öffentlichen Lebens und Einreiseverbote verhängt. Dabei waren Teile Afrikas, etwa der Kongo, gerade erst dabei, sich von Ebola zu erholen. Am Horn von Afrika hatte sich zudem bereits Anfang des Jahres eine der größten Heuschreckenplagen seit Jahrzehnten entwickelt. Verschärft nun Corona die Lage, dann, so fürchtet beispielsweise die Hilfsorganisation SOS-Kinderdörfer, wird es zu dramatischen Entwicklungen über die direkten Pandemie-Folgen hinaus kommen, wenn sich, auch durch gestörte Lieferketten, Hungersnöte weiter ausbreiten.
Während in anderen Regionen der Welt die Entwicklung an Schärfe zunimmt, hofft man in Westeuropa darauf, den Scheitelpunkt der Entwicklung durch die (unterschiedlich drastischen) Maßnahmen und damit das erste wichtig Ziel zu erreichen: eine Verlangsamung der Ausbreitung, damit Gesundheitssystem und Versorgung nicht kollabieren.
Erste Diskussionen über Lockerungen in Deutschland sind zunächst durch Beschlüsse zu Verlängerungen bestehender Maßnahmen (Bayern und Saarland als Vorreiter), zurückgetreten. Zum Redaktionsschluss (31. März) waren Überlegungen in der Diskussion, mit innerdeutschen Autobahnkontrollen einem möglichen Reiseverkehr vorzubeugen, der sonst zu Beginn der Osterferien üblicherweise einsetzt. Dass die geltenden Einschränkungen nach Ostern gelockert werden könnten, isr ziemlich unwahrscheinlich. Wobei mögliche Szenarien über die weitere Entwicklung ziemlich auseinanderklaffen. Für einigermaßen verlässliche Aussagen gebe es noch keine ausreichend gesicherte Datenbasis, heißt es aus seriösen Expertenkreisen.