Einige arbeiten noch, andere sind aus Sicherheitsgründen vorerst zu: Die saarländischen Tafeln reagieren unterschiedlich auf die Pandemie.
Die Zeiten sind schwierig zu meistern, vor allem für diejenigen, die es ohnehin nicht leicht haben. Wer die Tafeln im Saarland aufsucht, um im Monat über die Runden zu kommen, erlebt mancherorts eine böse Überraschung: Die Tafeln in Homburg, St. Ingbert, Saarbrücken, Dillingen, Lebach, Losheim, Saarlouis und Wadern sind geschlossen. Andernorts funktionieren sie noch, zum Beispiel in Völklingen, St. Wendel oder Merzig. Wie kommt das zustande?
Bundesweit sind etwa die Hälfte der Tafeln geschlossen, meldet der Bundesverband. 90 Prozent der ehrenamtlichen Helfer sind Senioren – und damit die Hochrisikogruppe für das Coronavirus. „Unsere 949 Mitgliedstafeln stehen vor der schweren Herausforderung, wie sie Ehrenamtliche sowie Kundinnen und Kunden vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen und zugleich die 1,6 Millionen Tafel-Nutzerinnen und -Nutzer weiter unterstützen können. Die Menschen, die zu uns kommen, brauchen die Unterstützung. Doch genau die kann jetzt auch zur Gefahr für die Gesundheit werden", sagt Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland.
Schon im Februar hätten die Tafeln ihre Hygienevorschriften verschärft, erklärt Sabine Altmeyer-Baumann, Vorstandsmitglied der Tafeln Rheinland-Pfalz/Saarland. „Bis uns die Situation klar wurde – und was das für unsere Ehrenamtler und unsere Gäste bedeutet." Dann habe jede Tafel für sich entschieden, wie es weitergeht. Auch die übliche Routine des Abholens überschüssiger Lebensmittel im Handel sei schwieriger geworden – wegen anfänglicher Hamsterkäufe und weil sich der Lebensmittelhandel selbst stellenweise neu organisieren musste. „Diejenigen Tafeln, die geschlossen haben, haben jedoch zuvor reichlich aus ihrem Fundus herausgegeben", so Altmeyer-Baumann. Und sie stellt klar: „Wir sind nicht weg. Wir nutzen die Zeit, überlegen, was wir tun können, renovieren, knüpfen neue Netzwerke." Die Zeiten seien so dynamisch derzeit, dass sie nicht sagen könne, welche Tafel mit welchen Ideen aufrechterhalten werde. Ständig gebe es neue Ideen, neue Netzwerke knüpfen sich, Vereine springen ein, vor allem jüngere Menschen.
Die Gefahr minimiert hat beispielsweise die Tafel Merzig. Sie versorgt circa 260 Haushalte, etwa 420 Personen, davon 180 Kinder. Der Morgen vor dem Ausgabetermin ist noch Routine. „Im Moment fahren unsere Fahrer die Geschäfte ab, laden Lebensmittel und bringen sie zu uns", erzählt Frank Paqué, Leiter der Merziger Tafel. Die Senioren unter den ehrenamtlichen Helfern hat er jedoch nach Hause geschickt, seit er jüngere Unterstützung hat. „16 Personen haben sich bei uns freiwillig gemeldet, um die älteren Ehrenamtler zu ersetzen", so Paqué. Darunter sind Studenten, Kurzarbeiter, eine Stewardess. Als Notprogramm hat die Merziger Tafel Tische im Hof aufgebaut, packt Kisten und Tüten schon fertig für die Kunden, die diese mitnehmen können. Kontakt minimieren ist auch hier das Gebot der Stunde. An Versorgung mangelt es der Merziger Tafel nicht. „Wir haben saisonal bedingt immer mal mehr, mal weniger Lebensmittel. Geldspenden, die wir jetzt erhalten haben, sind für uns ein Notgroschen, aber wir verwenden sie normalerweise nicht, um fehlende Lebensmittel zuzukaufen." Normal sind diese Tage jedoch nicht. Falls etwas Wichtiges fehlt, soll zugekauft werden, auch wenn es den Richtlinien der Tafel zuwiderläuft.
Inzwischen hat die Stadt Merzig Hilfe für Bringdienste angeboten, für den Fall, dass nicht alle Kunden zur Tafel kommen können. Mobil ist die Tafel noch nicht, „das wäre für uns ein großer Kraftakt und finanzieller Aufwand, den wir nicht stemmen können", sagt Paqué. Seine Tafel läuft dank der Unterstützung von neuen, jüngeren Ehrenamtlern. Andernorts ist man noch nicht so weit, aber Paqué verteidigt die Entscheidung seiner Kollegen, Tafeln zu schließen. „Jeder Kollege, der sich dazu entschieden hat, die Tafel zu schließen, hat gute Gründe dafür."
Die guten Gründe sind der Schutz der ehrenamtlichen Helfer, aber auch der Kunden. Vera Los, Pressesprecherin der Saarbrücker Tafel, erklärt, dass von 120 ehrenamtlichen Helfern 80 Prozent 65 Jahre und älter sind. „Aber auch unsere 3.000 Kunden sind gefährdet: Die Hälfte von ihnen ist über 65", so Los. Die Räumlichkeiten, die der Tafel in Saarbrücken zur Verfügung stehen, sind beengt. „Würden wir unsere Kunden im dortigen Wartebereich lassen, würden wir diesen Virus ebenfalls rasch verteilen. Wir haben leider keinen Bereich unter freiem Himmel, den wir nutzen könnten." Schweren Herzens habe man daher entschieden, die Saarbrücker Tafel am 16. März zu schließen. Vorerst für zwei Wochen. In der Zwischenzeit überlegen die Ehrenamtler, wie sie trotz der Einschränkungen weitermachen können. Übernommen haben beispielsweise die Wärmestube in der Trierer Straße, der Kältebus, die Evangelische Kirche St. Johann. Am Zaun der Johanneskirche hängen Tüten mit Lebensmittelspenden von Unbekannten. „Es tut sich hier unheimlich viel, dafür sind wir dankbar", so Vera Los. Das Sozialministerium und die Kommune haben bereits angefragt, wie sie helfen können. Und es sei auch Auftrag der beiden, die Versorgung von Bedürftigen sicherzustellen, stellt Los fest. Denn finanziell seien beispielsweise mobile Tafeln nicht zu stemmen, schon jetzt kosten die Fahrzeuge die Tafel 150.000 Euro pro Jahr an fixen Kosten.
Thomas Blug, Stadtpressesprecher Saarbrückens, bestätigt, dass die Landeshauptstadt derzeit an einer Initiative arbeitet, über die sich Bürger engagieren können. „Wir bereiten zurzeit ein Onlineportal vor, das Hilfsangebote aus der Bevölkerung und Hilfesuchende unter dem Motto ‚Bürger helfen‘ zusammenbringen soll. Darüber hinaus haben wir bereits alle wichtigen Informationen zu Institutionen wie Öffnungszeiten, Terminvereinbarung, aktuelle Regelungen wie Ausgangsbeschränkungen sowie Anlaufstellen für Bürger, die Hilfe oder Rat suchen, unter www.saarbruecken.de/corona zusammengestellt. Dort gibt es auch eine Übersicht zu Nachbarschaftshilfen im Regionalverband. Diese hat der Regionalverband bereits über seine Ehrenamtsbörse eingerichtet." Der Krisenstab von Oberbürgermeister Uwe Conradt kümmert sich also neben der Aufrechterhaltung der notwendigen Grundversorgung mit Strom und Wasser und der Gesundheitsversorgung auch um die sozialen Belange. „Hilfe erhalten Bedürftige aber auch von den vielen ehrenamtlich engagierten Menschen in unserer Stadt, denen unser Dank und unsere Anerkennung gilt. Das Engagement für benachteiligte Menschen in unserer Gesellschaft ist hier in Saarbrücken auch in dieser Krise sehr groß", so Blug. OB Conradt sei mit den Vertretern der Tafel im engen Austausch.
Ein Satz, der Vera Los frustriert. „Jetzt, da die Not am größten ist und wir nicht arbeiten können, erhalten wir Hilfsangebote von Stadt und Land. Ehrlich gesagt wünsche ich mir, dass diese Anfragen auch mal in normalen Zeiten kommen."