Der vorletzte Spieler aus dem goldenen 85er-Jahrgang geht: André Rankel verlässt die Eisbären Berlin und hinterlässt eine große Lücke.
Zumindest gegen den Abschiedsschmerz der Fans haben sich die Eisbären Berlin etwas einfallen lassen. Der Fanshop bietet einen auf André Rankel personalisierten Puck und Trikots der vergangenen drei Spielzeiten mit der Nummer 24 jeweils zum Sonderpreis an. Auf seiner Internetseite schrieb der Club dazu: „Das ist doch mal ein Abschieds-Angebot für alle André-Rankel-Fans!" Und davon gibt es viele, denn es verlässt nicht irgendwer die Eisbären.
Rankel war ein führungsstarker Kapitän, ein treffsicherer Stürmer und eine unumstrittene Identifikationsfigur für die Fans. 17 Jahre lang hielt der gebürtige Berliner für den Club die Knochen hin, so etwas ist im Profisport eine absolute Seltenheit.
In dieser Zeit bestritt der Angreifer 865 DEL-Spiele, erzielte 247 Tore und gewann sieben Meistertitel. „Eine unglaubliche Reise" liege hinter ihm. Und: „Ich möchte mit niemandem tauschen." Er habe viele Titel gewonnen, einen Vereinsrekord für die meisten Tore aufgestellt, „darauf bin ich natürlich stolz", sagt Rankel. „Ich habe immer alles für diesen Verein gegeben." Das war auf dem Eis für die Fans immer zu sehen und zu spüren. Rankel war nie der Edeltechniker, eher ein Arbeiter. Und einer, der in den ganz engen Situationen, in den entscheidenden Momenten zur Hochform auflaufen konnte. „Es ist für mich unmöglich, all das in Worte zu fassen, was André für die Eisbären geleistet hat", sagt deshalb Eisbären-Manager Peter-John Lee. „André hat viele Geschichten für uns geschrieben."
So sehr die Trennung aus menschlicher Sicht auch schmerzt, sportlich war sie für die Verantwortlichen unumgänglich. Einen neuen Vertrag bekam der 34-Jährige nicht mehr vorgelegt. Auch Trainer Serge Aubin hatte kaum noch Verwendung für Rankel, der Kanadier stellte den Berliner Rekordtorschützen immer defensiver auf, was dem überhaupt nicht passte. „Ich war zwar noch Führungsspieler und Kapitän", sagt Rankel. „Aber ich habe eine Rolle auf dem Eis gespielt, die für mich nicht zufriedenstellend war." Sein Abschied sei „schade", denn eigentlich hatte er seine Karriere „bei den Eisbären beenden" wollen.
865 Spiele, 247 Tore, sieben Meistertitel
Der frühere Nationalspieler zählt sich selbst noch nicht zum (ganz) alten Eisen, zumindest sieht er die Zeit für die Eishockey-Rente noch nicht gekommen. „Ich habe gemerkt, dass in mir noch einiges steckt", sagt er. „Daher hatte ich am Anfang echt Probleme, mich mit der Situation anzufreunden." An Angeboten anderer Vereine mangelt es ihm nicht, für einen gestandenen deutschen Eishockeyprofi gibt es auch in der durch die Corona-Pandemie schwierigen wirtschaftlichen Lage einen Markt. Für einen neuen Club hatte sich Rankel Ende März noch nicht entschieden, zuvor habe er ein paar Dinge mit seiner Familie klären müssen. „Aber ich möchte noch weitermachen", betonte Rankel. Er brauche „eine neue Herausforderung". Natürlich ist ihm auch bewusst, dass er bei den Top-Adressen in der DEL, zum Beispiel München oder Mannheim, nicht mehr unterkommt. „Es muss nicht immer die Meisterschaft sein", sagt er deshalb. „Das kann auch ein Team sein, wo man etwas Neues aufbaut und dafür als Führungsspieler gebraucht wird."
Durch den vorzeitigen Saisonabbruch aufgrund der Corona-Krise wurde Rankel die Chance genommen, sich womöglich mit einem achten Titel aus Berlin zu verabschieden. „Jeder hat gemerkt, dass dieses Jahr echt etwas hätte gehen können", meint der Stürmer. So beendet er das Kapitel Eisbären mit einem vierten Platz nach der Hauptrunde – unbefriedigend. Er habe „natürlich eine äußerst romantische Vorstellung" gehabt, verriet Rankel, „dass man mit seinem letzten Spiel der Karriere den Titel holt und danach aufhört".
Auf der anderen Seite hatte er anfangs wohl selbst nicht mal zu träumen gewagt, dass er so lange beim DEL-Rekordmeister bleiben würde. Rankel war 17 Jahre alt, als er 2003 von den Berlin Capitals zu den Eisbären wechselte. Vom Westen in den Osten. Ausgerechnet zum Erzfeind. „Das war schon speziell", erinnerte sich der Profi in der „B.Z." zurück, „als Preuße wollte man niemals ein Eisbär sein. Das war nicht vorstellbar." Rankel konnte es sich aber vorstellen, der Sprung von der Regionalliga, wo er erste Erfahrungen sammeln durfte, in die DEL war zu verlockend. „Ich wollte diese Chance nutzen", so Rankel. „Es war zwar noch immer die gleiche Stadt, aber trotzdem etwas komplett anderes."
Der Club will eine neue Generation aufbauen
Rankel erlebte einen Blitzstart bei den Eisbären, gleich bei seinem ersten Wechsel auf dem Eis schoss er ein Tor. „Besser kann man nicht starten", erinnert er sich zurück. Die Unsicherheit, ob der Schritt zum Erzrivalen richtig war, habe sich aber erst „so in der zweiten, dritten Saison gelegt". Dann startete der von Rankel angeführte goldene 85er-Jahrgang richtig durch: sieben Meistertitel innerhalb von neun Jahren, die Eisbären waren dank Rankel und Co ganz klar die Nummer eins in Eishockey-Deutschland. Von jenen verdienten Spielern, die alle 1985 geboren wurden, ist jetzt nur noch Frank Hördler im Verein. Im vergangenen Sommer hatte es Jens Baxmann zu den Iserlohn Roosters gezogen, nun gehen Rankel und auch Florian Busch, der wohl seine Karriere aufgrund einer Gehirnerschütterungen beenden muss. Rankel wünscht „Alleinunterhalter" Hördler nur das Beste: „Frank und ich sind ja seit vielen Jahren sehr gute Freunde. Und ich gönne es ihm von Herzen, dass er der Letzte ist, der von uns übrig bleibt."
Rankel blickt mit etwas Wehmut zurück, aber die Zeit lässt sich auch im Eishockey nicht aufhalten. „Uns war allen klar, dass es irgendwann mal so kommen wird und wir nicht ewig bei den Eisbären spielen", sagt er. Er weiß aus Gesprächen mit der sportlichen Leitung, dass der Club „eine neue Generation aufbauen" wolle, „die hoffentlich genauso erfolgreich sein kann wie wir".
Ein Blick auf die ersten Neuzugänge für die kommende Saison zeigt, wer diese neue Ära möglichst prägen soll. Für die Problemzone Tor wurde Nationalspieler Mathias Niederberger von der Düsseldorfer EG verpflichtet. „Ein absoluter Top-Goalie und in dieser Saison nicht nur statistisch der beste Torwart der Liga", schwärmt Sportdirektor Stéphane Richer.
Außerdem gaben die Eisbären die Transfers von Stürmer Mark Zengerle und Verteidiger Stefan Espeland von Ligakonkurrent Fischtown Pinguins Bremerhaven bekannt. Der Norweger Espeland war der zweitbeste Offensiv-Verteidiger der Liga in der abgebrochenen Spielzeit, der US-Amerikaner Zengerle besitzt auch den deutschen Pass und belastet somit nicht das Ausländerkontingent.