Wenn bei großen Events Tausende von Sportlern und Zuschauern zusammenkommen, fallen enorme Mengen an Treibhausgasen an. Nicht nur in der Laufbranche setzen sich deshalb immer mehr Veranstalter mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander.
Klimaschutz und Ressourcenverbrauch sind wohl nicht gerade die Dinge, die einem bei einer Laufveranstaltung als Erstes durch den Kopf gehen. Laufen gilt zu Recht als umweltverträgliche Sportart. Doch das gilt vor allem für das alleinige Training im Park oder im Wald. Wenn bei großen Events Tausende von Sportlern zusammenkommen, fallen dagegen enorme Emissionen an – durch die Anfahrt der Teilnehmer, den Verbrauch von Speisen und Getränken sowie das hohe Abfallaufkommen. Vor einigen Jahren fand beispielsweise das Hamburger Klimaschutzunternehmen Arktik, das für Unternehmen und Privatleute ihren CO2-Fußabdruck berechnet, heraus, dass für den Hamburger Halbmarathon mit seinen 5.800 Teilnehmern damals rund 425 Tonnen CO2 anfielen. Um diese Summe einzusparen, müsste ein Singlehaushalt über 6.000 Jahre aufs Fernsehen oder 3.250 Jahre komplett aufs Kochen verzichten. Wenn man bedenkt, dass hierzulande jedes Jahr über zwei Millionen Menschen an Volksläufen teilnehmen, kommt da schon eine gewaltige Summe zusammen. Und der Laufsport ist nur die Spitze des Eisbergs – in vielen anderen Sportarten sieht es ähnlich aus. Immer mehr Veranstalter setzen sich deshalb mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. „Wir bemerken das auch im Verband, dass das Thema in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Wir bekommen immer häufiger entsprechende Anfragen", sagt Bianca Quardokus, Ansprechpartnerin für das Thema Nachhaltigkeit beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Längst gilt das nicht mehr nur für solche Mega-Events wie Welt- und Europameisterschaften oder Olympische Spiele, bei denen Umweltschutz- und Nachhaltigkeitskonzepte meist schon in der Bewerbungsphase eingefordert werden und teilweise sogar den Ausschlag bei der Vergabe der Veranstaltung geben. Auch kleinere Veranstalter achten inzwischen verstärkt darauf, sich einen grünen Anstrich zu geben. Musste sich eine Sportveranstaltung früher vor allem wirtschaftlich tragen, spielen jetzt noch ganz andere Themen eine Rolle.
Zwar würde Bianca Quardokus nicht so weit gehen zu behaupten, dass sich Sportler gegen eine Teilnahme oder Zuschauer gegen den Besuch einer Sportveranstaltung entscheiden, weil diese kein Nachhaltigkeitskonzept vorweisen kann. „Aber die Menschen sind heutzutage viel stärker sensibilisiert für fehlende Nachhaltigkeit, vor allem wenn diese sehr offensichtlich ist", sagt sie. Wenn sich nach einem Event der Abfall auf dem Gelände türmt, würde das auch den Besuchern nicht verborgen bleiben.
In vielen anderen Sportarten sieht es ähnlich aus
Beim DOSB ist das Thema ebenfalls auf der Agenda. Der Dachverband hat zusammen mit dem Bundesumweltministerium schon vor einigen Jahren den Leitfaden „Green Champions für Sport und Umwelt" für umweltfreundliche Sportgroßveranstaltungen herausgebracht, der gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule in Köln und dem Öko-Institut in Darmstadt entwickelt wurde. Auf der dazugehörigen Webseite können sich Veranstalter und Interessierte über Handlungsmöglichkeiten zur Planung und Durchführung von nachhaltigen Sportveranstaltungen informieren. Neben konkreten Vorschlägen und Checklisten für die verschiedenen Veranstaltungsphasen finden sich dort auch etliche gelungene Beispiele vergangener Events.
Um eine Sportveranstaltung nachhaltiger zu gestalten, genügt es nach Ansicht von Hartmut Stahl vom Öko-Institut nicht, die anfallenden Emissionen mittels Kompensationszahlungen auszugleichen, mit denen dann anderswo in der Welt Klimaschutzprojekte finanziert werden. „Kompensation in anderen Ländern reduziert nicht unsere physischen Emissionen in Deutschland. Was wir in Deutschland real verursachen dürfen, ist gedeckelt, hier hilft nur vermeiden und reduzieren. Die Reihenfolge beim Klimaschutz lautet immer: vermeiden, verringern, ausgleichen. Es sollte immer zuerst die Frage gestellt werden, ob das Geld nicht besser für Maßnahmen zur CO2-Vermeidung oder Reduktion vor Ort verwendet wird. Zudem gibt es bei der Kompensation erhebliche Unsicherheiten, ob ein Zertifikat auch tatsächlich einer Minderung von einer Tonne CO2 entspricht. Manche Klimaschutzprojekte würden ohnehin umgesetzt und führen daher nicht zu zusätzlichem Klimaschutz", mahnt Stahl.
Besser sind Maßnahmen, die direkt vor Ort die Nachhaltigkeit verbessern. Diese lassen sich in verschiedene Themenfelder einteilen. Ein gutes Abfallmanagement sollte dabei ein Kernanliegen jedes Sportevents sein, denn Sauberkeit gilt wie erwähnt als sichtbarstes Aushängeschild eines funktionierenden Umweltkonzeptes. Den größten Teil der veranstaltungsbedingten Emissionen machen dagegen die An- und Abreise der Besucher aus, sodass das Thema Verkehr ebenfalls von zentraler Bedeutung ist. „In diesem Bereich lassen sich die größten Effekte erzielen", sagt Bianca Quardokus, wenn es gelingt, das Verkehrsverhalten von Teilnehmern, Zuschauern und den beteiligten Firmen möglichst umweltverträglich zu gestalten. Eine Möglichkeit sind Eintritts-Tickets oder Startnummern, die bereits einen Fahrschein für den öffentlichen Nahverkehr beinhalten.
„Direkt vor Ort die Nachhaltigkeit verbessern"
Weitere Stellschrauben, an denen Sportveranstalter drehen können, sind ein umwelt- und sozialverträgliches Catering und Merchandise mit fair gehandelten beziehungsweise Bio-Produkten sowie der gesamte Bereich Energie durch die Verwendung von Ökostrom, LED-Beleuchtung und energieeffizienten Elektrogeräten. Zudem können Veranstalter darauf achten, sparsam mit der Ressource Wasser umzugehen und zum Beispiel wassersparende Duschen und Toiletten verwenden und dafür zum Teil auf Brauchwasser anstelle von Trinkwasser zurückgreifen. Bei Großevents, für die die Sportstätten womöglich erst noch gebaut werden müssen, lautet die Empfehlung zudem, gerade das möglichst nicht zu tun, sondern stattdessen auf vorhandene Anlagen zurückzugreifen.
Nachhaltigkeit bedeutet dabei keine Einschränkung. Die Qualität der Veranstaltung leidet darunter nicht, im Gegenteil. „Wenn man beim Catering auf regionale und saisonale Bioprodukte achtet, ist das aus meiner Sicht ein klarer Qualitätszuwachs", meint Bianca Quardokus. Ein weiteres, häufig verwendetes Gegenargument sind die höheren Kosten. „Es kann schon vorkommen, dass man durch die Umstellungen an der einen oder anderen Stelle ein bisschen mehr ausgeben muss. Aber in anderen Bereichen lassen sich dafür sogar Kosten im laufenden Betrieb sparen, zum Beispiel bei der Energieeffizienz", so Quardokus. Ohnehin sei die Bewertung der Kosten und Nutzen großer Sportveranstaltungen bei einer ökonomischen Betrachtung schwierig, wie Hartmut Stahl vom Öko-Institut anmerkt. Bei der Frage nach dem wirtschaftlichen Effekt würden oft auch solche Dinge wie der gestiegene Bekanntheitsgrad des Austragungsortes berücksichtigt, der sich positiv auswirkt. „Mit Blick auf die vermeintlich höheren Kosten einer nachhaltigen Veranstaltung müsste man dann auch berücksichtigen, welche positiven Effekte durch die Vorbildfunktion und die Sensibilisierung für Umwelt- und Klimaschutz resultieren", sagt er.
Mit Dingen anfangen, die kurzfristig umsetzbar sind
Bianca Quardokus vom DOSB kann alle Veranstalter nur ermutigen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Es muss ja nicht immer gleich ein komplettes Nachhaltigkeitskonzept sein. Man fängt mit den Dingen an, die kurzfristig umsetzbar sind", sagt sie. Das Publikum würde es honorieren. Nachhaltigkeit kann helfen, sich von der Konkurrenz abzuheben. So wirbt der Frankfurt-Marathon auf seiner Webseite mit seiner Auszeichnung mit dem „Green Award" 2014 für den weltweit umweltfreundlichsten Marathon durch AIMS, den Verband der internationalen Straßenlaufveranstalter; und auch der Berlin-Marathon verwendete im vergangenen Jahr große Teile der Pressekonferenz dafür, um auf sein Becherkonzept hinzuweisen, mit dem man die Abfallmenge reduzieren wollte. Auch der Hamburger Halbmarathon bemüht sich um eine Verringerung seines ökologischen Fußabdrucks. Nachhaltigkeit ist nicht nur in der Laufbranche längst zum Qualitätsmerkmal geworden. Auch wenn in Zeiten der Corona-Krise wahrscheinlich viele Veranstalter darunter in erster Linie verstehen, dass ihr Event überhaupt irgendwie stattfindet.