Trotz einiger Gerüchte hat der neue Vorstand von Oberligist Tennis Borussia den Kader im Winter zusammenhalten können – der gröbste Teil des internen Konflikts scheint damit überstanden.
Am Ende war es doch nur ein Spieler, der den Lila-Weißen in der Winterpause den Rücken kehren sollte. Seitdem dem neuen Vorstand von Tennis Borussia die Rechtmäßigkeit im September 2019 vor Gericht bestätigt worden war, hatten sich schließlich die Gerüchte hartnäckig gehalten, dass dieser nicht über die Möglichkeiten verfüge, um den für den Aufstieg in die Regionalliga Nordost zusammengestellten Kader halten zu können. Vielleicht wurde jenes Gerücht auch bewusst lanciert, um es der neuen Führungsriege möglichst schwer zu machen – nicht ganz auszuschließen in diesem Konflikt, der den Verein nun schon seit drei Jahren begleitet und erbittert ausgefochten wurde. Auf der einen Seite geht es um Jens Redlich, Geschäftsführer des Hauptsponsors und von 2017 bis 2019 auch Vorsitzender der Charlottenburger, mitsamt seinen Gefolgsleuten und einem Teil des Anhangs, der sich auf Basis seiner finanziellen Unterstützung die lang ersehnte Rückkehr auf die größere Fußballbühne versprach. Auf der anderen Seite sind die „Aktiven Fans" – kurz TBAF –, die sich infolge der ersten Insolvenz in diesem Jahrtausend gegründet hatten und die sich nach der zweiten im Jahr 2010 maßgeblich an der Konsolidierung und Neugestaltung des Vereins beteiligt hatten. Unter seinem Dach bildet der Zusammenschluss sogar eine eigene Abteilung, die mit vielen Aktivitäten unter anderem gegen Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie im Fußball auf sich aufmerksam gemacht hat.
„Der Verein braucht Euch nicht"
Ausgangspunkt des Konflikts war der Einstieg der Crunch Fit GmbH als Geldgeber der Lila-Weißen im Sommer 2016. Neun Monate später verkündete der Geschäftsführer der Fitnessstudiokette, Jens Redlich, aufgrund eines von ihm in den Vereinsfinanzen festgestellten, sechsstelligen Defizits handeln zu müssen – nämlich die Lücke mit eigenem Geld zu schließen, dafür aber auch bereits das Amt des Vereinsvorsitzenden übernommen zu haben. Während der eine Teil der Mitglieder ihn deshalb als Retter und Garanten für künftigen Erfolg feierte, reagierten die „Aktiven Fans" reserviert. Schließlich war mit dem Vorgang de facto wieder jene Konstellation hergestellt, die TBAF unter allen Umständen verhindern wollte: dass der Verein von einem einzigen Geldgeber abhängig ist. Bald warfen die organisierten Fans Redlich einen autoritären Führungsstil vor. Dass die Spannungen auch in Internetforen öffentlich ausgetragen wurden, trieb die beiden Lager dabei zusätzlich auseinander. Der dort getätigten Aussage: „Der Verein braucht Euch nicht", wollte Redlich dann auch offenbar Taten folgen lassen. Nachdem er zuvor unter anderem auch mehrere, ihm unliebsame Aufsichtsratsmitglieder aus dem Amt gedrängt hatte, wollte er bei einer Mitgliederversammlung im Januar 2019 möglichst viele seiner Kandidaten in diesem Gremium platzieren. Hierzu, so wurde ihm vorgeworfen, hatte er im Vorfeld der Veranstaltung zahlreiche Neumitglieder – in TBAF-Kreisen war von bulgarischen Bauarbeitern die Rede – angeworben, die ihre Stimme entsprechend abgeben sollten. Auf diese Weise gelang es Redlich, alle fünf zu wählenden Plätze mit seinen Kandidaten zu besetzen – nur Franziska Hoffmann und Christian Gaebler verblieben als Vertreter der Gegenseite, die in der neuen Konstellation aber praktisch entmachtet war. Die „Aktiven Fans" reagierten auf Redlichs Vorgehen mit einem Boykott: In einer publicityträchtigen Aktion verweigerten sie ihrem Team die Unterstützung und sorgten lieber für Stimmung bei anderen, befreundeten Vereinen. Einmal mehr bewiesen die organisierten Lila-Weißen also, dass es ihnen nicht an Engagement und Einfallsreichtum mangelt. Dazu ist die Gruppe gut vernetzt: Der erwähnte Aufsichtsrat Gaebler ist als SPD-Politiker auch Chef der Senatskanzlei. Auch Kevin Kühnert, seit Dezember 2019 stellvertretender Bundesvorsitzender der Sozialdemokraten, saß schon in diesem Gremium als Vertreter der TBAF.
Ende Juli 2019 nahm der Konflikt dann eine überraschende Wendung: „TeBe-Vorstand komplett, neuer Vorsitzender im Amt", vermeldete die TeBe-Homepage zur Überraschung vieler. Der Aufsichtsrat habe Günter Brombosch zum Vorstandsvorsitzenden und Steffen Friede zum Vorstand bestellt, hieß es im Anschluss weiter – denn Jens Redlich sei „vorzeitig zurückgetreten". Der meldete sich aus den Ferien, dass er von dem Vorgang nichts wisse. Erst in den kommenden Tagen sollte sich der Nebel lichten: In einer emotionalen Handlung hatte sich der Unternehmer vor längerer Zeit in einer E-Mail zu einer Rücktrittserklärung hinreißen lassen, die er zwei Tage später wieder zurückgenommen hatte – TBAF hatte diesen Vorgang hinter den Kulissen juristisch prüfen lassen. Dabei wurde festgestellt, dass die Kündigung rechtskräftig sei und man sich nicht selbst einfach wieder in dieses Amt einsetzen könne. Daraufhin hatte der Aufsichtsrat die Änderung im Vereinsvorsitz bereits beim Amtsgericht vornehmen lassen. Die Vorgänger mussten schon tags darauf die Schlüssel zur Geschäftsstelle und die erforderlichen Passwörter übergeben, die Schlösser wurden ausgetauscht. Vertraute von Redlich sollen zuvor noch Unterlagen und einen Laptop mitgenommen haben – Szenen wie in einem Krimi. Für die „Aktiven Fans" in jedem Fall Grund genug, mit dem Saisonstart ihren Bann wieder aufzuheben. Wie nicht anders zu erwarten, kam der Fall aber noch vor Gericht.
„Dann hat der Verein ein existenzielles Problem"
Der entmachtete Geldgeber klagte – und zog den Kürzeren. Überraschend erklärte Redlich, der als Sponsor beziehungsweise Vorsitzender bis dahin rund 2,5 Millionen Euro in den Verein gesteckt hatte, noch vor der Tür den Journalisten, das Urteil zu akzeptieren und seine vertraglich vereinbarten Verpflichtungen als Sponsor bis zum Saisonende zu erfüllen. Schon vor dem Prozess hatte Redlich jedoch im Fall einer Niederlage vor Gericht prophezeit: „Dann hat der Verein ein existenzielles Problem." Der neue Vorstand, dem seit der Mitgliederversammlung im Oktober 2019 nun auch wieder ein vollständiger Aufsichtsrat zur Seite steht, ließ sich dadurch jedoch nicht beirren, führte Gespräche mit den Spielern – vor allem mit jenen, die eine Zusatzvereinbarung zu ihrem Vertrag besaßen. So verließ mit Daoud Iraqi letztlich nur ein echter Stammspieler den Verein – durch drei Siege in diesem Jahr schaffte das Team von Trainer Dennis Kutrieb dazu die Rückkehr an die Tabellenspitze der NOFV-Oberliga Nord. Die Corona-Krise hat nun aber auch TeBe sportlich ausgebremst. Die Vereinsführung bekommt dadurch gleich die nächste Baustelle: mit dem qualitativ gut besetzten Kader auch durch die ungewisse Zeit des ruhenden Spielbetriebs zu kommen – ohne dem Verein finanziellen Schaden zuzufügen.