Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus gibt es in Europa wieder Grenzkontrollen. Besonders radikal schirmt sich Polen ab. Für viele Unternehmen in Grenzstädten wie Frankfurt (Oder) und Schwedt große Herausforderungen.
Besonders trifft es die, die nun am nötigsten sind: die Krankenhäuser. Allein am Frankfurter Klinikum arbeiten 30 polnische Kollegen, am Asklepios-Klinikum in Schwedt sind es fast 50. Jeder zweite Arzt ist dort ein Pole. Innerhalb von nur 48 Stunden suchten Altenpflegeeinrichtungen, Gesundheitsdienste und Krankenhäuser fieberhaft nach Lösungen. Etwa die, vorübergehend eine Gruppe von Arbeitskräften nach Polen in Quarantäne zu schicken und andere am Arbeitsort zu beherbergen. Das Klinikum Schwedt hat Hotelbetten für Mitarbeiter angemietet. Gleichzeitig verhandelt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke mit Vertretern der Grenzwojewodschaften und der Regierung in Warschau.
„Die Entscheidung ist eine erhebliche Einschränkung für unsere Doppelstadt," sagt Frankfurts Oberbürgermeister Rene Wilke, „weil sich hier so vieles schon verzahnt hat: das Familienleben, aber auch das Arbeits-, Wirtschafts-, Bildungs- und Vereinsleben. Wir haben in Frankfurt ziemlich genau 1.250 Arbeitspendler, die täglich die Grenze überschreiten. Die stehen jetzt vor der Frage, ob sie sich für ihren Beruf und ihr Einkommen oder für ihre Familie entscheiden."
Im Lkw-Verkehr gab es in den ersten Tagen bis zu 60 Kilometer lange Rückstaus. Der polnische Grenzschutz am Übergang Szwiecko kontrollierte bei jedem Fahrer die Gesichtstemperatur und ließ Formulare über sein Woher und Wohin ausfüllen. Polnische, ukrainische, rumänische Truckerfahrer standen zermürbende 14 bis 17 Stunden auf der Straße, ohne Wasser, Essen und sanitäre Versorgung.
Entscheidung mit erheblichen Folgen
Als Reaktion darauf lockerte die polnische Zentralregierung daraufhin die Bestimmungen und öffnete die Grenzübergänge Frankfurt, Guben/Gubin und Küstrin/Kostrzyn wieder für den normalen Grenzverkehr, also für Pendler, Pkw, Kleintransporter und Busse.
Unklar ist, wie Warschau weiter vorgehen wird im durchaus verständlichen Bemühen zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Sören Bollmann, Leiter des Frankfurt-Slubicer Kooperationszentrums, macht den kommunalen Verantwortlichen keinen Vorwurf, wohl aber der polnischen Regierung, die hier eine sehr national gefärbte Entscheidung getroffen hat: „Dass der Unterschied zwischen Deutschen und Polen so herausgekehrt wird, das hat mich bestürzt. Wir hätten von Anfang an viel mehr miteinander reden müssen. Das entfernt sich so völlig vom europäischen Gedanken. Ich hatte gehofft, wir sind schon ein Stück weiter!" Frankfurts Oberbürgermeister Rene Wilke pflichtet ihm bei: „Es ist ein fatales Signal ist, dass Europa von den Bürgerinnen und Bürgern in dieser schweren Zeit nicht als Teil der Lösung wahrgenommen wird, weil es keine Einigung auf europäischer Ebene gibt." Ein erstes Zeichen von Kooperation und Solidarität Europas ist für Wilke das Angebot deutscher Krankenhäuser in Grenznähe, freie Kapazitäten für Schwerstkranke zur Verfügung zu stellen, wie es unter anderem in Cottbus und Potsdam geschieht.
Die polnischen Grenzvorschriften könnten zudem die Lieferketten in Deutschland in Gefahr bringen. „Wenn Fahrer nun wegen der neuen Quarantäne-Ordnung nach einem Einsatz erst einmal 14 Tage in Quarantäne bleiben müssen, könnten Lieferketten teilweise gefährdet sein, Transporte wesentlich länger dauern, oder es wird auch Engpässe bei Kurier- und Auslieferdiensten geben", sagt Martin Bulheller, Pressesprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Für deutsche Logistikfirmen, aber auch Liefer- und Kurierdienste, arbeiten Tausende polnische und tschechische Fahrer, viele pendeln normalerweise täglich nach Deutschland. Die Freizügigkeit der Lkw-Fahrer müsse uneingeschränkt gewährleistet sein, fordert der Sprecher.