In Zeiten der Pandemie zeigt sich, wie krisenfest kritische Infrastruktur ist, ob beispielsweise Energie- und Wasserversorgung sicher sind, wenn viele Menschen gleichzeitig krank werden.
Es wäre wohl der Super-GAU, wenn in der größten Krise der Bundesrepublik, ja der ganzen Welt, auch noch der Strom ausfiele. Kein Licht, kein Kühlschrank, keine Tiefkühltruhe, keine Heizung wegen der eingebauten Pumpen, kein Wasser, kein Sprit an der Tanke, kein Handy, kein Internet, kein Netflix. Unvorstellbar in einer zurzeit extrem verunsicherten Gesellschaft. Doch die in den letzten 20 Jahren arg gescholtene Energiewirtschaft hierzulande hat gelernt aus vielen „kleinen" Krisen: Das Schneechaos im Münsterland 2005 mit tagelangem Stromausfall im Winter oder der europaweite Stromausfall im November 2006, ausgelöst durch das Abschalten einer Leitung wegen der Durchfahrt eines Kreuzfahrtschiffs, sind dem einen oder anderen im wahrsten Sinne des Wortes vielleicht noch in dunkler Erinnerung. Im Vergleich zu dem, was derzeit geschieht, waren das sicher Peanuts. Aber die Branche rund um Strom, Gas, Wärme und Wasser gilt heute in puncto Krisen- und Notfallmanagement wesentlich besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Krisenhandbücher und Notfallpläne wurden verpflichtend überarbeitet und aktualisiert, Krisenübungen regelmäßig durchgeführt, schließlich gehören Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie Telekommunikation zur sogenannten „kritischen Infrastruktur", ohne die ein Land und seine Bevölkerung heutzutage ziemlich schutzlos wäre. „Sie sind ein elementar wichtiger Baustein, um diese Krise zu bewältigen", sagt Dr. Hanno Dornseifer, Vorsitzender des Vorstands des Energieverbands VEW Saar. Dort sind die Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft des Saarlandes organisiert.
Notfallpläne und Krisenmanagement
Ein wichtiges Herzstück der Energieversorgung im Saarland ist die zentrale Netzleitstelle der vier großen Netzbetreiber am gemeinsamen Standort Saarbrücken. Die Versorgung von rund 700.000 Kunden wird dort rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr gemanagt. Prozesse, Schaltungen und Überwachung laufen automatisiert und rechnergesteuert. Trotzdem sind immer auch Menschen vor Ort, zur zusätzlichen Sicherheit und zum Eingreifen bereit, wenn erforderlich. „Angedockt" ist außerdem das Störfall- und Vermittlungsteam, das alle Anrufe und Störfälle auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten bearbeitet. Technische Bereitschaftsdienste können sofort alarmiert werden. Den Praxistest gab es bereits Anfang Februar, wieder einmal: Orkan Sabine sorgte für einige Sturmschäden mit Stromausfällen.
Abläufe und Mechanismen haben in diesen kleinen „Krisenfällen" funktioniert. Doch was ist bei Corona? Das Virus kann zwar keine Leitungen lahmlegen, aber Menschen. Wenn Störungen der technischen Anlagen beispielsweise nicht per Laptop behoben werden können, müssen Mitarbeiter rausfahren und mögliche Pannen beheben, zum Beispiel bei umgestürzten Bäumen.
Der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei extrem wichtig, betont Dr. Ralf Levacher, VKU-Landesgruppenvorsitzender und Chef der Stadtwerke Saarlouis. „Damit die Mitarbeiter möglichst wenig gefährdet sind, setzen Stadtwerke und Netzbetreiber auf die Nutzung von Homeoffice, wo es möglich ist. Kundenkontakte sollen vermieden werden. Ganz wichtig sind der Aufbau von getrennt voneinander agierenden Teams sowie die Identifizierung möglicher Personalengpässe, um auch im Infektionsfall handlungsfähig zu bleiben."
Was die Versorger zunehmend nervt, sind Fake News mit dem Ziel, die Bevölkerung weiter zu verunsichern. Falschmeldungen haben in Krisenzeiten Hochkonjunktur – wie etwa die Mär von der Verbreitung des Virus über das Trinkwasser, was nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand höchst unwahrscheinlich und wohl auszuschließen ist.