Klimafreundliche Strukturpolitik heizt die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder an: Umweltverträgliche Sanierungen gehören zum Green Deal der EU. Mit einer Kopplung von Wind, Sonne und smartem Lastmanagement des Betons lassen sich auch Neubauten heizen und via Klimadecken sogar kühlen.
Wichtiger als Industrie 4.0 könnte für die Arbeitenden im Homeoffice perspektivisch eine Windheizung 2.0 sein. Frische Luft für die Raumklimatisierung macht unabhängig vom globalen Ölmarkt und von Kohleabbau. Egal, ob man es an kalten Tagen warm oder in heißen Phasen kühl haben will. Während eine der kostengünstigsten, regenerativen Energien erzeugt wird, entsteht durch den Anlagenbetrieb kein Kohlendioxid (CO2)-Ausstoß. Dem Bundesverband Windenergie zufolge lieferten 2019 fast 31.000 Windkraftanlagen an Land und auf See etwa 132 Terrawattstunden sauberen Strom und stiegen zur stärksten Energiequelle im deutschen Strommix auf.
Wie kräftig der Wind auch bläst: Aus dem Stromnetz lässt sich die überschüssige, erneuerbare und klimafreundliche Energie prinzipiell entnehmen und in hocheffizienten Gebäuden in Form von Wärme einlagern.
In Norddeutschland, in Berlin, im Saarland, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bayern werden geeignete Technologien und ihre passenden Ergänzungen, etwa Klimadecken, gerade erforscht beziehungsweise teils schon umgesetzt. Bauherren sollen erfahren und erleben können, wie flexibel und effizient die verschiedenen Speichersysteme für Windenergie und Sonne in Häusern funktionieren. Zu ihnen gehören beispielsweise Wasserspeicher, Hochtemperatursteinspeicher oder Bauteilaktivierung in Gebäudedecken und -wänden.
Als Ende des Winters Orkan Sabine um die Häuser pfiff, dürften sich die Forscher des Fraunhofer-Instituts für-Bauphysik (IBP) mit ihrem Projekt zur Windheizung 2.0 im oberbayerischen Holzkirchen gefreut haben. Dort wurden auf einem Freigelände Prototypen-Häuser aufgestellt. Besonders die im Kern baugleichen Zwillings-Einfamilienhäuser sollen mithilfe von Messungen bis Ende des Jahres Erkenntnisse bringen, wie Häuser idealerweise bauphysikalisch beschaffen sein sollten, damit sich das Heizen mit der zunehmenden Kraft des Windes lohnt. Kriterien sind Wirtschaftlichkeit, Windstromdeckung, Nutzerkomfort und Umweltwirkungen. Details ihrer Ergebnisse sollen Fachplanern bereitgestellt werden.
Wände, Böden und Decken werden zu Wärmespeichern
Voruntersuchungen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts des Trägers Jülich weisen darauf hin, dass sonstige Strom- und Wärmequellen des nicht-erneuerbaren Primärenergiebedarfs in den Versuchshäusern deutlich weniger Leistung bringen müssen, wenn der Wind sinnvoll genutzt wird. Und zwar im Bereich von 55 bis 85 Prozent. Die Einsparungen beziehen sich dem IBP zufolge auf ein Vergleichsgebäude mit Referenztechnologie wie Ölbrennwert, thermischen Solaranlagen und Abluftanlagen. Bewertet wird die Betriebsphase. Den Mehraufwand, den die Konstruktion für das Windheizung-2.0-Gebäude verursacht, wollen die Forscher berücksichtigen.
Der Hintergrund: Bislang wurde das Prinzip „Power-to-Heat", also Heizen mit Strom, kaum eingesetzt, da die Kosten zu hoch und die Klimafreundlichkeit ausbaubar sind. Das Projekt „Technologische Realisierung einer Windheizung 2.0" könnte dies ändern. Vorausgesetzt, es gibt genügend Windkraftanlagen, die Windenergie bis ins Haus bringen. „Starkwind-Ereignisse" wirbeln mittlerweile reichlich durch die Landschaften. Ein guter Grund, die Energieböen zu nutzen: In Deutschland stehen und entstehen weiterhin viele Gebäude aus Beton. Massive Wände, Böden und Decken sind zugleich mächtige thermische Speichermassen mit riesigem Potenzial für Wärmespeicher. Ein Drittel mehr Beton als jetzt schon, könnte bis 2050 in Städten und Gemeinden verfügbar sein, rechnet man die Statistiken hoch. Wenn es gelänge, die daraus resultierende Masse von etwa 2,8 Milliarden Tonnen Beton als Wärmespeicher via „Power-to-Heat" zu erschließen, könnten die Gebäude an drei von sieben Tagen mit Sonne oder Wind beheizt werden.
Windheizung-2.0-Gebäude der Zukunft sollen durch die Erzeugung von Wärme aus erneuerbarem, elektrischem Strom, durch eine Kopplung von Strom- und Wärmesektor, „Power-to-Heat", ihren Energiebedarf umwelt- und systemverträglich decken. Smart geregelte und gesteuerte Wärmeversorgung mit Windkraft – eine Windheizung 2.0 – ließe sich langfristig auch für größere Städte und Bestandsbauten umsetzen.
Die Idee hinter dem IBP-Projekt in Holzkirchen: Der höchste Heizbedarf entsteht, wenn vor allem im Winter der meiste Wind weht und somit Überschussstrom entsteht, mit dem Gebäude erwärmt werden könnten. Notwendig ist für die Umsetzung bauphysikalische Forschung, wie Häuser passend konstruiert werden. Sie sollen möglichst flexibel auf Stromeinspeisung reagieren, also hocheffizient angelegt sein, um ordentlich Wärme zu halten und bei Bedarf jederzeit damit zu heizen. Beton – in seiner konventionellen Herstellungsform eigentlich ein Kohlendioxid-Sünder – kann dem Klima bei viel Wind oder Sonne helfen, indem er Batteriespeicher in Gebäuden ersetzt. Denn der Baustoff speichert Energie als Wärme beispielsweise in Massivdecken.
Rohre mit Wärmeleitprofile werden eingebaut
Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder werden Rohrregister im Betonkern der Decken untergebracht. Das ist empfehlenswert bei energieeffizienten Neubauten. Oder eine vorhandene Betondecke wird – wenn die Zielvorgabe beim Sanieren Kohlendioxidreduzierung lautet – durch einen dünnen Aufbau zum Energiespeicher. Spezialfirmen erweitern dabei die Decke über anmontierte Rohre mit Wärmeleitprofilen in den Raum hinein.
Mal scheint die Sonne besonders heftig, mal wird der Mensch vom Wind fast weggeweht. Dann wieder ist es kühl und windstill. „Der Gebäudesektor bietet ein großes Potenzial, einen Strombedarf für die Wärme- und Kälteversorgung zu- beziehungsweise wegzuschalten", sagt Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und Bauklimatik an der Technischen Universität München.
Das sogenannte Lastmanagement spielt eine wichtige Rolle, wenn auf regenerative Energieversorgung umgestellt wird. Unter dem dicken Packpapier des Klimaschutzpakets der Bundesregierung stoßen umweltbewusste Bauherren und Sanierer auf dazu passende neue Effizienz- und Sanierungsförderprogramme. „Die Bauteile müssen thermisch aktiviert werden können", rät Auer. Dies könne aktiv – durch das Einlegen von wasserdurchströmten Rohren – oder passiv – durch eine natürliche Lüftung in den Nachtstunden – erfolgen.
Deckenspeicher und Klimadecken tragen dazu bei, Energie und Kohlendioxidausstoß zu sparen. Denn sie passen sich an Jahreszeiten und sogar an dezenten Kühlbedarf in heißen Sommern des Klimawandels an. Diese Effekte tragen beispielsweise auch bei einem Wohnhaus in Lautrach zum Wohlfühlen bei.
Vollflächig verlegte Klimadecken strahlen angenehme Wärme auf alle Oberflächen im Haus ab. Wie im Fall der Volkshochschule des Landkreises Merzig-Wadern im Saarland, die 2021 fertig werden soll.
Nebeneffekt: weniger Staub aufgewirbelt
Dadurch fühlt sich die Temperatur im Raum wärmer an, weil die Luft nicht „entkühlt" werden muss. Weniger Energie ist fürs Heizen notwendig. Prima Nebeneffekt: Weniger Staub wird aufgewirbelt, der Allergikern zu schaffen machen könnte.
Ein Klimaprofilsystem kühlt als leichte Konstruktion den Wasserturm Stromeyersdorf. Solche Klimasan-Systeme werden mit handelsüblichen Lehmbau-, Gipsfaser- oder Gipskartonplatten verkleidet. Ein sauerstoffdichtes Metall-Verbundrohr wurde in einer Stahlschiene verlegt. Die Aufbauhöhe der Rohre des Deckenspeichers, durch die der Raum minimal niedriger wird, beträgt circa 30 Millimeter. Wenn Wasser durch die Rohre des Deckenspeichers geleitet wird, kann der Beton viel thermische Energie aufnehmen und speichern.
Erneuerbare Energie gibt es nicht nur aus Wind. Und Photovoltaik-Strom nicht nur vom Dach. Entsprechende Möglichkeiten, Photovoltaikelemente in Betonfassaden zu integrieren, haben Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik CSP gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und der TU Dresden entwickelt. Für Fassaden aus Carbonbeton hat ein Konsortium aus 150 Partnern im Projekt „C³ – Carbon Concrete Composite" Umsetzungsoptionen herausgearbeitet, bei denen Carbonfasern anstelle von Stahldraht den Beton stabil machen. „Am Fraunhofer CSP haben wir untersucht, wie sich Photovoltaikelemente am besten an solchen Carbonbeton-Fassaden anbringen lassen – wie man also den neuartigen Beton optimal mit der Gewinnung von Sonnenstrom kombinieren kann", erklärt Sebastian Schindler, Projektleiter am Fraunhofer CSP.
Fazit: Wenn sich Kohlenstofffasern, Sonne und Wind mit Beton treffen, um Häuser gemütlich zu temperieren und trotzdem den Klimakiller Kohlendioxid zu reduzieren, ist das eine heimelige Idee. Nicht nur in Zeiten, in denen alle viel daheim sind.