Das Robert-Koch-Institut ist in der Corona-Krise durch seine täglichen Pressekonferenzen allgegenwärtig. Benannt wurde es nach seinem ersten Direktor, dem berühmten Mediziner und Mikrobiologen Robert Koch. 1882 entdeckte er den Tuberkulose-Erreger, später bekämpfte er erfolgreich die Cholera. Er starb vor 110 Jahren am 27. Mai 1910.
Ein umgebautes Zirkuszelt war der passende Rahmen für den „Zehnten Internationalen Medizinischen Kongress" in Berlin, schließlich herrschte um die Veranstaltung in der Tat reichlich Rummel. Mehr als 5.000 Forscher aus 40 Ländern waren angereist, doch einer stach aus der Menge heraus. Im Sommer 1890 präsentierte Robert Koch auf der Tagung eine Sensation: ein Heilmittel gegen die Tuberkulose –
das Tuberkulin. Die Krankheit, auch als Schwindsucht bekannt, war damals eine der häufigsten Todesursachen im Deutschen Reich; jeder Siebte wurde von der „Weißen Pest" dahingerafft. Entsprechend groß war nun die Resonanz auf Kochs vermeintliches Wundermittel.
Überall gab es Souvenirtassen, Taschentücher und Uhren mit dem Bild von Robert Koch zu kaufen; vom Preußischen Staat wurde ihm das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen. Aus aller Welt strömten Ärzte und Patienten nach Berlin, um sich über das Tuberkulin-Verfahren zu informieren oder sich behandeln zu lassen. Doch auch in der Provinz kannte die Begeisterung keine Grenzen, wie der Sozialhygieniker Alfred Grotjahn am Beispiel von Greifswald beschrieb: „Auch für Greifswald kam endlich der große Tag, an dem in der inneren Klinik die ersten Impfungen mit Tuberkulin vorgenommen werden sollten. Es wurde begangen wie etwa eine Grundsteinlegung oder eine Denkmalsenthüllung. Lorbeerbäume bildeten den Hintergrund, von dem sich Ärzte, Schwestern und Patienten in schneeigem Weiß und der Chef in schwarzen Bratrocke (ein Gehrock, Anm. d. Red.) abhoben: Festrede des Internisten, Vollzug der Impfungen an auserwählten Kranken, donnerndes Hoch auf Robert Koch!"
Bereits acht Jahre zuvor hatte Koch den Erreger der Tuberkulose entdeckt, den er Tuberkelbazillus nannte, und damit für weltweites Aufsehen gesorgt. „In Zukunft wird man es im Kampf gegen diese schreckliche Plage des Menschengeschlechts nicht mehr mit einem unbestimmten Etwas, sondern mit einem fassbaren Parasiten zu tun haben", sagte Koch in seinem berühmten Vortrag „Über Tuberkulose" am 24. März 1882 vor der Physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Die Entdeckung machte ihn „mit einem Schlage zum größten, erfolgreichsten und verdienstvollsten Forscher für alle Zeiten", wie sein damaliger Mitarbeiter Friedrich Loeffler bewundernd feststellte.
Professor für Hygiene an der Berliner Charité
Tatsächlich revolutionierten Kochs Entdeckungen die Medizin. Als er am 1843 in Clausthal im Harz geboren wurde, ging man noch davon aus, dass nicht Bakterien oder Viren die tödlichen Krankheiten verursachten, sondern Miasmen – giftige Dämpfe, die aus dem Erdreich emporsteigen und die Luft verunreinigen. Koch hatte in Göttingen zunächst Botanik, Physik und Mathematik studiert und war erst später auf die Medizin umgeschwenkt. Nach Abschluss seines Studiums wurde er Kreisarzt im pommerschen Wollstein bei Posen, im heutigen Polen. 1877 entdeckte er dort den Anthrax-Erreger als Auslöser für den Milzbrand – eine Tierseuche, die manchmal auch Menschen befiel.
So wurde die Wissenschaft auf Koch aufmerksam, der 1880 als ordentliches Mitglied in das erst vier Jahre zuvor gegründete kaiserliche Gesundheitsamt berufen wurde. 1883/84 bemerkte Koch während einer Studienreise nach Indien, dass die Cholera-Bakterien mit dem Wasser übertragen werden. Den Erreger selbst hatte der Italiener Filippo Pacini bereits 1854 entdeckt. Doch erst durch die neuen Erkenntnisse
über dessen Verbreitung konnte er nun besser bekämpft werden. Sie halfen Koch 1892 dabei, eine schwere Cholera-Epidemie in Hamburg einzudämmen, indem er auf sauberes Trinkwasser für die Bevölkerung pochte. Die Zustände, die er in den Armenvierteln der Stadt vorfand, schockierten ihn: „Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln. Ich vergesse, dass ich mich in Europa befinde."
Nach seiner Rückkehr aus Indien wurde Koch 1885 zum Direktor des Hygiene-Instituts in Berlin und als Professor für Hygiene an die Charité berufen. Zu seinen Schülern zählten solch namhafte Wissenschaftler wie Emil von Behring, dem wir Heilseren gegen Diphtherie und Tetanus verdanken, Paul Ehrlich, der Medikamente gegen Syphilis und ein Heilserum gegen die Diphtherie entwickelte, sowie Friedrich Loeffler, der die Erreger von Diphtherie entdeckte und die Maul- und Klauenseuche erforschte. Von Behring (1901) und Ehrlich bekamen später ebenso wie Koch selbst im Jahr 1905 den Nobelpreis für Medizin überreicht.
1893 ließ er sich für Kunststudentin scheiden
Trotzdem wurde Koch auf dem Posten als Professor nie wirklich glücklich: „Er konnte mit Menschen nicht so wie mit Mikroben", meinte der Medizinhistoriker und Koch-Experte Christoph Gradmann von der Universität Oslo erst kürzlich gegenüber der „Süddeutschen Zeitung". Am wohlsten fühlte sich Robert Koch im Labor. Dort forschte er akribisch – den Tuberkulose-Erreger etwa entdeckte er erst im 271. Versuchsansatz. Koch setzte auf innovative Methoden, er ließ sich extra einen Brutschrank für die Erforschung bauen und führte eine neue Kulturplatten-Technik mit festen, transparenten Nährböden ein, wie sie bis heute in den Labors verwendet wird. Bis dahin waren Bakterien entweder in Fleischbrühe gezüchtet worden oder auf Kartoffelscheiben.
Trotzdem gelang es ihm lange Zeit nicht, ein Heilmittel gegen die Tuberkulose zu entdecken. Als das vermeintliche Wundermittel schließlich 1890 auf den Markt kam, entpuppte es sich bald als ein entsetzlicher Reinfall. Die Todesfälle häuften sich, und als Rudolf Virchow durch die Obduktion der Leichen nachweisen konnte, dass Tuberkulin die Bakterien nicht abtötete, sondern im Gegenteil latent vorhandene Bakterien sogar aktivierte, war Koch gezwungen, sein Rezept offenzulegen. Dabei zeigte sich, dass es sich beim Tuberkulin lediglich um ein Extrakt aus Tuberkelerregern handelte und sein Erfinder selbst nicht über die wirksamen Bestandteile Bescheid wusste. Weil zur selben Zeit auch noch eine Affäre Robert Kochs mit der 17-jährigen Kunststudentin Hedwig Freiberg bekannt wurde, hatte sein Ansehen enorm gelitten. 1893 ließ er sich sogar von seiner ersten Frau Emmy scheiden und heiratete Hedwig – in der damaligen Zeit ein ungewöhnlicher Schritt.
Trotz der Pleite mit dem Tuberkulin und den Turbulenzen in Kochs Privatleben wurde er 1891 zum ersten Direktor des neu gegründeten Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, das seit 1912 als heutiges Robert Koch-Institut seinen Namen trägt. Es ist eines der ältesten biomedizinischen Institute der Welt und die für Infektionskrankheiten zuständige Bundesoberbehörde in Deutschland. Seinen Sitz hatte es anfangs auf dem Gelände der Charité, bevor von 1897 bis 1900 im Berliner Bezirk Wedding ein neues Institutsgebäude errichtet wurde, das Koch selbst mitgeplant hatte. Auf dem weitläufigen Gelände gab es ausreichend Platz für Ställe für Versuchstiere wie Pferde, Schafe und zeitweise sogar Kamele.
Verheerende Fehler bei Patientenbehandlung
Schon 1904 schied Koch jedoch auf eigenen Wunsch als Direktor des Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten aus. „Was ich jetzt auch anfassen und unternehmen mag, sofort ist eine Schar von Missgünstigen und Eifersüchtigen bei der Hand, die sich auf dieselbe Sache stürzen, sie streitig zu machen oder, wenn ihnen das nicht gelingt, sie einem zu verekeln versuchen", beklagte er in einem Brief. Stattdessen zog es ihn für ausgedehnte Forschungsreisen ins Ausland. Schon als kleiner Junge hatte Koch davon geträumt, reisender Naturforscher zu werden – nun konnte er sich diesen Wunsch erfüllen. In Südafrika erforschte er die Rinderpest, in Italien, auf Java und Neuguinea die Malaria, in Deutsch-Ostafrika sowie in Uganda die Schlafkrankheit.
Dabei war seine letzte Forschungsreise auf den Spuren der Schlafkrankheit „zugleich seine wohl unrühmlichste Expedition", wie das Robert Koch-Institut auf seiner Webseite schreibt, empfahl er doch, in verseuchten Orten die Infizierten „herauszugreifen" und in „Behandlungslagern" zu versammeln. Koch setzte auf eine Behandlung mit Atoxyl, einem arsenhaltigen Medikament, das den Parasiten allerdings nur für eine kurze Zeit zurückdrängte. Daraufhin verdoppelte er die Dosis, was bei vielen der Betroffenen zu Schmerzen und Koliken führte und einzelne von ihnen sogar erblinden ließ. Am 27. Mai 1910 starb Robert Koch. Er hatte den Erreger einer der tückischsten Krankheiten seiner Zeit identifiziert und viel zum Verständnis für Ursachen und Ausbreitung von Infektionskrankheiten beigetragen. Wirksame Waffen dagegen gab es allerdings erst ab 1928 mit der Entdeckung des Antibiotikums.