Nur mit Wachstum kann die deutsche Wirtschaft die Corona-Krise überwinden
Auf den ersten Blick ist die deutsche Wirtschaft mit einem blauen Auge davongekommen. Im ersten Quartal 2020 wurden „nur" 2,2 Prozent weniger Waren hergestellt und Dienstleistungen erbracht als im letzten Vierteljahr 2019. Das klingt noch nicht so dramatisch. Denn der weltweite Lockdown begann erst Mitte März. Ab diesem Zeitpunkt standen die Produktionsbänder still, wurden die globalen Lieferketten gekappt und blieben die Flugzeuge am Boden.
Das heißt: Der große Corona-Hammer für die Konjunktur kommt erst noch. Im April liefen die Unternehmen auf äußerster Sparflamme. Erst mit den Lockerungen im Mai können sie ihre Aktivitäten wieder langsam hochfahren. Das zweite Quartal wird daher das wahre Ausmaß des Absturzes aufzeigen. Die Deutsche Bank rechnet mit einem Minus von neun Prozent.
Die große Koalition hat vieles richtig gemacht, um die Corona-Krise wirtschaftlich abzumildern. Sie hat schnell ein gigantisches Hilfspaket aufgelegt: Von dem Gesamtvolumen über mehr als 1,2 Billionen Euro profitieren große und kleine Firmen, Solo-Selbstständige, Pflegekräfte und Angestellte. Insbesondere das Kurzarbeitergeld für rund zehn Millionen Beschäftigte ist ein Keil gegen Massenarbeitslosigkeit und sorgt für gesellschaftlichen Frieden.
Angesichts dieser gewaltigen Summen wirkt der innenpolitische Streit um die Grundrente wie ein Sturm im Wasserglas. Es ist zwar richtig, dass sich die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgesehene europäische Börsensteuer als Luftbuchung erweist. Diese dürfte so nicht kommen. Zu groß ist der Widerstand in einigen EU-Ländern, weil sie vor allem individuelle Anleger erfassen würde, die angesichts niedriger Zinsen zum Beispiel bei Aktienfonds einsteigen. Die milliardenschweren Groß-Spekulanten mit komplexeren Finanzinstrumenten wie Derivaten würden hingegen nicht zur Kasse gebeten.
Dennoch sind die Einwände der Union gegen die Finanzierung der Grundrente in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr kleinkariert. Das Geld für Menschen, die mindestens 33 Jahre in die Sozialversicherung einbezahlt haben und trotzdem nur eine mickrige Rente bekommen, muss zur Not aus dem Haushalt abgezwackt werden.
Damit ist noch nicht geklärt, wer die Gesamtrechnung für die Corona-Krise begleicht. Bund, Ländern und Gemeinden fehlen in diesem Jahr knapp 100 Milliarden Euro, wie die jüngste Steuerschätzung ergeben hat. Der falsche Weg zur Schließung der Finanzlöcher wäre, Bürgern und Betrieben in die Tasche zu greifen. SPD und Linkspartei fordern Steuererhöhungen, Vermögensabgabe oder gar einen Lastenausgleich wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist der alte ideologische Reflex der Umverteilung, der nun auch in Corona-Zeiten unter dem Banner der „sozialen Gerechtigkeit" greift.
Es wäre Gift für die Konjunktur. Die Steuerschätzer haben dargelegt: Einer der Gründe, warum das erste Quartal nicht so desaströs ausfiel, liegt im noch recht stabilen Binnenverbrauch. Die Menschen haben bis zum Lockdown konsumiert und damit verhindert, dass die Wirtschaft total in die Knie geht. Wer mitten in der Corona-Krise mit Steuererhöhungen droht, würgt die Konjunktur ab.
Nur wenn die Unternehmen wieder auf Trab kommen und die Leute einkaufen, fließen dem Staat neue Einnahmen zu. So kann der Schuldenberg mittel- und langfristig abgetragen werden. Die große Koalition wäre gut beraten, den Solidaritätszuschlag für alle abzuschaffen und dies bereits auf diesen Sommer vorzuverlegen. Es wäre ein dringend benötigter Konsum-Anreiz, von dem auch die Firmen profitieren würden.
Das erste Ziel der Regierung sollte es sein, das Wachstum wieder anzukurbeln. Das ist nicht gleichbedeutend mit einem Wünsch-dir-was-Paket zur Rettung aller Branchen. Betriebe, die bereits vor der Corona-Krise kein funktionierendes Geschäftsmodell hatten, dürfen nicht auf Kosten der Steuerzahler durchgeschleppt werden.
Ja, der Staat muss ein Konjunktur-Programm zur Unterstützung von Unternehmen auflegen – aber bitte zielgenau und nicht mit der Gießkanne. Eine milliardenschwere Abwrackprämie für die Auto-Industrie gehört nicht dazu. Sie würde bei den Konzernen, die über genügend Kapitalreserven verfügen, zu Mitnahme-Effekten führen. Folge: ein kurzes Strohfeuer. Die Erfahrung nach der Finanzkrise 2009 sollte eine Lehre sein.