Seit 1911 produziert das Familienunternehmen Trauth in Herxheim bei Landau die Süßwaren. Heute erfreuen sich unzählige Leckermäuler an den handgefertigten Schaumspeisen aus ausgewählten Grundstoffen.
Wer mag sie nicht, die aufgeschlagene Eiweißmasse, den der Franzose Kuss, „baiser", nennt – auf einer runden Waffel dressiert und mit leckerer Schokolade umhüllt? Nur eingefleischte Nonkonformisten, die alle süßlichen Hochgenüsse ablehnen. Nur weil sie glauben, dass sich diese Süßigkeit – etwa 50 Millimeter hoch, circa 28 Gramm schwer und mit einem Energiewert von 105 Kalorien wie Seide um die Hüfte legt.
Darauf angesprochen sagt Daniel Trauth, der seit zwei Jahren das 1911 gegründete Familienunternehmen leitet, lachend: „Es ist doch ein wahrer Genuss, zwei- bis dreimal am Tag dem Schokokuss den Zipfel abzubeißen, um dann nach und nach den süßen Eiweißschaum herauszuschlecken, um am Ende in die Waffel zu beißen." Er muss es wissen. Das Familienunternehmen Trauth ist die einzige Manufaktur in Rheinland-Pfalz, die Schaumküsse in vier Varianten – Schokoküsse, Kokosbälle, Mokkaküsse und Rumdessert – vorwiegend in Handarbeit produziert.
Vielen Schleckermäulern ist die Leckerei, die nicht nur Kinder mögen, noch als Neger- oder Mohrenkuss bekannt. Politisch korrekt hat sich heute im deutschen Sprachgebrauch aber wegen einer rassistischen Nebenbedeutung der Bezeichnung die Benennung als Schokokuss durchgesetzt. „Auch wir haben Ende der 90er-Jahre beschlossen, der neuen weniger diskriminierenden Benennung zuzustimmen", sagt Daniel Trauth. Schließlich gebe es eine ganze Reihe dunkelhäutiger Neu-Südpfälzer, die Trauths Schokowaren mit Hochgenuss verzehren.
Daniel Trauths Urgroßvater Eugen Trauth, Bäcker von Beruf, heiratete Alice, die Tochter der Familie Bullinger, die einen Gemischtwaren-Kolonialwarenladen in Herxheim betrieb. Eugen Trauth erweiterte den Betrieb um eine Bäckerei, denn nur Lebens- und Genussmittel reichten der Familie Anfang des 20. Jahrhunderts zum Überleben nicht aus. Eine ihrer Ideen war es, Backwaren auf Jahrmärkten zu verkaufen. Das Magenbrot aus eigener Herstellung lieferten sie auch selbst aus.
Der Erste Weltkrieg erschwerte die unternehmerischen Tätigkeiten der Familie, aber nach dessen Ende stieß Eugen Trauth 1919 bei einem Jahrmarktbesuch auf ein fremdländisches Naschwerk. Ein Franzose bot ihm einen „Tête de nègre", einen „Negerkopf", zum Verzehr an. Trauth ließ sich deren Herstellung erklären und begann mit der Produktion im heimischen Herxheim. Trauth, nicht nur Bäcker, sondern auch Geschäftsmann, stellte 1928 den Chocolatier Josef Krekeler ein, der die „Herxheimer Mohrekepp" zum Erfolg führte. Trauths Söhne Otto und Robert kamen mit in das Unternehmen, das sich fortan bis heute „Eugen Trauth & Söhne" nennt.
Bezug der Produkte ist ausschließlich vor Ort möglich
Herxheim war schon 1939 für seinen Tabakanbau bekannt, und mit den Zigarrenfabriken gehörte Eugen Trauth zu den bedeutenden Arbeitgebern im südpfälzischen Raum. Anfang der 50-Jahre modernisierte man dann die Fabrikation. Mit 85 Beschäftigten, darunter viele Frauen, wurde aus dem Lebensmittelladen das erste Herxheimer Selbstbedienungskaufhaus Rewe. Hier konnten leicht beschädigte Schokoküsse – „A Dutt voll Mohrekepp fer än Mark", also eine Tüte voller Schokoköpfe für eine Mark – gekauft werden.
Trauth Schokoküsse wurden bald in ganz Süddeutschland in Lebensmittelläden und an Marktständen verkauft. Die Produktion wurde um einiges erweitert. Im Sortiment gab es Magenbrot und Lebkuchenherzen, Schokoladenhasen und Nikoläuse, Schaumzigarren- und Bananen. Die Fettglasur wurde durch einen Schokoladenüberzug ersetzt, doch mit dem Wegfall vieler kleiner Lebensmittelgeschäfte in den 70er-Jahren geriet die Süßwarenfabrik immer wieder in wirtschaftliche Krisen.
„Wie es weitergehen sollte, wusste mein Onkel Robert damals nicht", erzählt Daniel Trauth. „Um große Handelsketten zu beliefern, war das Unternehmen zu klein. So ist es auch heute noch. Aber wir wollen ja nicht endlos wachsen, sondern bodenständig bleiben. Meine Tante Marie-Luise Trauth, die schon 1968 als Lehrmädchen im Betrieb begann, erkannte die Zukunftsfähigkeit der Direktvermarktung. 1986, gerade Inhaberin der Firma Eugen Trauth und Söhne geworden, verzichtete sie auf den Vertrieb mit eigenem Lkw. Die Garage wurde zum Ladenlokal umgebaut, in dem heute noch Kunden direkt die Köstlichkeiten kaufen können."
Außer dem Schokoladenüberzug, der dem Gebäck sein markantes Äußeres verleiht, verfügt das Schokobällchen über ein süßes Innenleben. Um das Baiser herzustellen, benötigt der Zuckerbäcker eine Masse aus Flüssig- und Kristallzucker, der ohne jegliche Zusatzstoffe zum Kochen gebracht wird. Mit einem sogenannten Refraktometer überprüft Daniel Trauth ständig den Zuckeranteil der Grundzuckermasse. Mit ihr steht und fällt der Geschmack des Endproduktes.
Der Eischnee, den er dann unterhebt, besteht aus pasteurisiertem Eiweißpulver, das mit Wasser bei etwa 40 Grad Celsius aufgeschlagen wird, bis die Masse fest und feinporig ist. Die Baisermasse ist nun ausreichend stabil und oberflächenglatt. Mittels eines Eiweißdosierspenders wird die Masse auf die in Reihen liegenden Waffeln aufgetragen, fachsprachlich „dressiert", und im nächsten Schritt mit einem Schokoladenüberzug und manchmal auch mit Kokosraspeln veredelt.
Etwa 9.000 Schokoküsse in vier Varianten laufen jede Stunde vom Band. Weniger ist mehr, sagte schon Daniel Trauths Tante Marie-Luise. Mit ihrem Konzept sollte sie Recht behalten, denn im Direktverkauf sind die Schokoküsse immer frisch. „Oftmals ist das Produkt noch warm, wenn die ersten Kunden am Morgen kommen", sagt der junge Chef, und ein Leuchten in seinen Augen ist unverkennbar. „Mein ganzes Leben habe ich mit diesen leckeren Süßigkeiten verbringen dürfen, geschadet hat es mir gesundheitlich nicht, obwohl ich auch heute nicht von dem Genuss lassen kann."
9.000 Schokoküsse pro Stunde
50 Jahre lang war Marie-Luise Trauth für die Herxheimer Schokoküsse unermüdlich im Einsatz. Um 2018 endlich loslassen zu können, hatte sie ihren Neffen lange auf seine Rolle als heutigen Chef des Unternehmens vorbereitet. Daniel, gelernter Bäcker und Lebensmitteltechniker mit Abschluss an der TU Kaiserslautern, stieg 2006 ins Familienunternehmen ein und bereitete sich konsequent auf seine heutige Rolle vor. Daniel Trauth ist in seine Rolle gewachsen, das Unternehmen soll bleiben, wie es bislang war. „Zwar müssen wir die Rezepturen für unsere Produkte jahreszeitbedingt anpassen – so gibt es seit einigen Jahren in der Erdbeerzeit auch einen Erdbeerkuss –, aber ansonsten werden wir bei unseren klassischen Varianten bleiben. Die steigenden Temperaturen in den vergangenen Jahren machen uns aber zu schaffen. Frische Produkte vertragen einfach keine Wärme. Deshalb bedeuten Herbst und Winter für uns Hochsaison, also höchste Produktivität. Der Sommer bis Ende August bedeutet auch für uns Urlaubszeit."
Die langjährige Firmeninhaberin Marie-Luise Trauth hat inzwischen in ihre neue Rolle gefunden – was ihr zu Anfang nicht immer leicht fiel. Doch gerne erinnert sie sich an Höhepunkte zurück. Einmal war sie Gast in Robert Lembkes Rateshow „Was bin ich?". Ältere Leser werden sich daran noch erinnern. Das „Schweinderl" mit den Fünf-Mark-Stücken wurde nie geschlachtet und existiert heute noch. Gerne erinnert sie sich auch an ein Treffen 2012 in der rheinland-pfälzischen Vertretung in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel.
Die Qualität der Herxheimer Schokoküsse ist weithin bekannt – nicht nur Südpfälzer sind Naschkatzen. Gerne macht manch ein Besucher aus dem hohen Norden oder dem angrenzenden Ausland einen größeren Umweg, um sich mit der Pfälzer Glückseligkeit – fluffig, weich, zart und cremig frisch, aber beim Reinbeißen knackig – zu versorgen. Frische Produkte ohne Zusatzstoffe, ohne Kunststoffverpackung und ohne überflüssige Innenverpackung sind das Motto des Süßwarenherstellers Daniel Trauth und seines Teams. „Angeblich soll ein Karton mit 25 Schokoküssen drei Wochen haltbar sein", sagt ein begeisterter Kunde beim Verlassen des Ladenlokals und lacht. „Bei uns werden die niemals so alt."