Dieser Film fesselt von der ersten bis zur letzten Minute. Regisseur Ken Loach (83) stellte ihn 2019 in Cannes vor, seitdem erhielten Film, Drehbuch und Schauspieler viele internationale Nominierungen.
Wenn man die Themen, die der Film behandelt – Finanzkrise, Missstände in der Pflege, Prekariats-Jobs, Menschlichkeit und Ausbeutung – anschaut, könnte man auf einen drögen Streifen schließen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Themenpalette wird anschaulich dargestellt an einer Familie irgendwo in Nordostengland, die in Not gerät. Der Vater (Kris Hitchen) ist „selbstständig" als Paketbote, die Mutter (Debbie Honeywood) ist Pflegerin, der Sohn (Rhys Stone) kämpft schwer mit der Pubertät, und die Tochter (Katie Proctor) leidet unter dem gestörten Familienleben. Vielleicht spielen die Familienmitglieder ihre Rollen derart faszinierend, weil sie keine Schauspieler sind, sondern solche prekären Zustände schon am eigenen Leib erfahren haben. Hitchen hatte einen Lieferwagen und arbeitete vorher als Klempner, Honeywood arbeitete als Assistenzlehrerin, und die Kids besuchten Schulen am Ort.
Die Mutter ist herzensgut, wird aber in ihrem Job als Pflegerin ausgebeutet, was sie nicht daran hindert, den von ihr betreuten Alten bei Notfällen unentgeltlich zur Seite zu stehen. Wenn der Vater, der schon in allen möglichen Jobs malocht hat, morgens die Amazon-Pakete in seinen Lieferwagen sortiert und er dabei mit Kollegen sein Leid teilt, wirkt dies dermaßen echt, als sei es ein Dokumentarfilm. Der Chef des Paketdienstes ist in all seinen Facetten ebenso glaubwürdig; hinter seinem derben Umgangston steckt eine Existenzangst, die sich durch alle Bereiche zieht. Unschöne Situationen mit Paketempfängern, die den Boten widerfahren, kennt wohl jeder, zumindest aus Erzählungen. Da ist die Politesse, die den Strafzettel ausstellt, weil der Lieferwagen zwei Minuten im Halteverbot steht, noch das geringste Übel.
Empathie mit allen Darstellern zieht sich wie ein dichtes Gewebe über den ganzen Film – und macht ihn unvergesslich.