Es ist gar nicht so einfach, sich auf einen Namen für das gemeinsame Kind zu einigen
ist da wirklich ein echtes Baby drin?, fragte mich Mitte März der sechsjährige Sohn von Freunden, die übers Wochenende zu Besuch waren, beim Frühstück. Und direkt danach: „Wird es eigentlich ein Junge oder ein Mädchen? Und wie heißt es denn?" Obwohl wir das Geschlecht zu dem Zeitpunkt noch nicht kannten und uns tatsächlich noch keinerlei Gedanken über die potenzielle Namensgebung gemacht hatten, entbrannte natürlich sofort eine hitzige Diskussion am Tisch.
Es wurden wild Namen in den Raum geworfen, und mein Mann und ich fingen auch das erste Mal an, uns ernsthaft zu überlegen, wie unser Kind denn heißen könnte. Doch bei jedem Vorschlag gab es prompt eine Gegenmeinung: „So heißt doch heute jeder Zweite." Oder: „So hieß ein Mädchen in meiner Klasse, und die mochte ich überhaupt nicht." Und: „So hieß mein erster Freund." Schnell wurde klar: Einfach wird’s nicht. Die Ansichten, was denn ein schöner Name sei, gehen weiter auseinander als ich gedacht hätte. Mag der eine eher deutsche Klassiker, kann es für den anderen gar nicht ausgefallen genug sein.
Als mir die immer wilder werdenden Vorschläge zu viel wurden, ging ich erst einmal Zähne putzen. Als ich zurückkam, war es ganz still am Tisch. „Wir haben den perfekten Namen gefunden", verkündete die Runde zeremoniell. „Käthe". Guter Witz, dachte ich. Fallen mir bei Käthe doch zuerst Fußball-Legende Rudi Völler oder eine runzelige alte Dame, die den ganzen Tag am offenen Fenster sitzt und die Nachbarschaft beobachtet, ein. Als ich merkte, dass der Vorschlag tatsächlich ernst gemeint war und mein Mann den Namen wirklich schön fand, wurde mir klar: Das wird noch ein langer Prozess.
Aufgerüttelt von den Ereignissen am Frühstückstisch haben wir an unserer Pinnwand im Flur eine Namens-Sammlung begonnen. Wenn uns ein schöner Name begegnet, schreiben wir ihn auf. Dann kann man ihn immer mal wieder anschauen und mental auf sich wirken lassen. Wenn einem von uns ein Vorschlag nicht gefällt, kommt er einfach wieder weg. Auch Vorschläge von außerhalb kommen immer mal wieder dazu und werden auf ihre Tauglichkeit geprüft. So haben wir innerhalb kürzester Zeit viel interessanten Input bekommen. Leider war bisher wenig Brauchbares für uns dabei – Spaß macht es aber trotzdem.
Einige Zeit später bin ich durch Zufall auf eine Webseite gestoßen, auf der man das künftige Hänsel-Potenzial des Nachwuchses checken kann. Das hat mich natürlich direkt neugierig gemacht. Dass aus Axel schnell „Axelschweiß" wird und Jason, Kevin und Jacqueline eher bildungsfernen Schichten zugeordnet werden, war mir ja noch klar. Aber dass ein völlig unscheinbarer, „normaler" Name wie Anne zu Hänselrufen à la „Badewanne Kaffeekanne" anstiften kann, hätte ich nicht vermutet.
Ein Name will gut überlegt sein, schließlich begleitet er einen Menschen ein Leben lang. Drückt einem einen Stempel auf. Wie viele Menschen sind unglücklich mit ihrem Namen und verteufeln ihre Eltern für die scheinbare Kreativität oder dafür, der Uroma mit der Namensweitergabe noch ein Denkmal zu setzen.
Ganz unten auf der Hänsel-Check-Webseite war noch ein Link zu einem Namensgenerator. Was es nicht alles gibt. Auch hier musste ich natürlich draufklicken. Schnell ein paar Parameter eingeben – lang oder kurz, deutsch oder international, Junge oder Mädchen. Dann noch der Nachname dazu, und schon spuckt die Seite Vorschläge aus. Demnach könnte unser Nachwuchs zum Beispiel Bele oder Lenian heißen. Da musste ich nicht lange überlegen: Diese Webseite ist eher nichts für mich. Dann doch lieber wieder selbst überlegen. Und zwar ganz in Ruhe.
Inzwischen kennen wir auch das Geschlecht, und somit hat sich die Auswahl zumindest ein bisschen eingeengt. Manchmal ertappen wir uns dabei, dass wir den stetig wachsenden Bauch mit Namen ansprechen. Vielleicht ein gutes Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Andererseits haben wir noch ein bisschen Zeit. Und so eine Namensgebung sollte nun wirklich nicht überstürzt sein.