Du musst unbedingt etwas über diese Verschwörungstheorien schreiben, ist mir zuletzt immer wieder geraten worden. Warum eigentlich? Vor allem: Was soll ich noch schreiben, wo sich doch offenkundig bereits alle Welt die Finger dazu wund getippt hat? Was wäre der Erkenntnisgewinn, ein weiteres Mal mit Hinweis auf Fakten unter Verwendung einschlägiger Regeln der Logik daherzukommen? Die Theoretiker ließen sich kaum beeindrucken. Warum auch? Wer hat schon Lust, sich sein Weltbild und seine Erklärungsmuster zerrupfen und dazu noch des groben Unfugs bezichtigen zu lassen?
Wenn schon nicht die Irregeleiteten bekehren und die ohnehin Wissenden langweilen, dann doch zumindest die Wankelmütigen stärken, wird mir geraten. Immerhin dürften die nach grober Schätzung klar in der Mehrheit sein. Sie halten nichts von allzu krudem Zeug, sind aber tief verunsichert, wem oder was sie denn nun glauben sollen und können. Erst recht, wo sich die so wissend geglaubte Expertenwelt ebenso herrlich uneinig sein kann, was denn nun richtig sei – und „die Politik“ gleichzeitig erklärt, ihre Entscheidungen auf eben jene Experten zu stützen.
Ist es da verwunderlich, wenn sich jeder seinen eigenen Reim macht? Schließlich haben wir lange genug gelernt, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Also basteln wir uns halt unsere Erklärungen selbst, mit Erdmännchen aus Bielefeld, die mit Desinfektionsmittel als Corona-Aperitif auf die Zwangsimpfung anstoßen.
Das wäre vielleicht noch witzig. Blöd ist nur, dass Menschen, die in derartigen Universen hausen, in schöner Regelmäßigkeit glaubenskriegerisch ins Feld ziehen.
Paralleluniversen waren übrigens schon in der Antike ein Thema. Die moderne Quantenmechanik erwägt eine Viele-Welten-Theorie. Gesellschaftlich ist das alles längst Realität. Willkommen im Multiversum. Dort sollen sich übrigens die einzelnen Universen nie direkt begegnen können. Also, geschätzte Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und sonstige –iker*innen: Denkt in eurem Teil, was ihr wollt, aber lasst mich damit in Ruhe. Ich hab genug damit zu tun, mich ständig in Acht zu nehmen, nicht von der Erdscheibe runterzufallen.
POLITIK
Foto: picture alliance / Sebastian Gollnow / dpa
Nach gedacht: Neues Multiversum
Politik - Kolumne
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