Auch Motorsport blieb durch die Corona-Pandemie lange auf der Strecke. Oder eben gerade nicht. Seit Anfang Mai können die saarländischen Talente Carrie Schreiner und Cedric Piro aber wieder auf ihren großen Traum hinarbeiten: einen Profivertrag.
Am Anfang der Corona-Pandemie waren wir alle natürlich hochmotiviert, positiv zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen. Das hat auch ganz gut geklappt, aber irgendwann wurde es schwieriger – vor allem, weil man nicht wusste, wann es wieder losgeht“, gibt Carrie Schreiner zu und ergänzt: „Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass das Schlimmste überwunden ist und bin deshalb wieder guter Dinge.“
In den ersten Tests hat sie schon einen „riesengroßen Schritt nach vorne“ gemacht. Die 21-Jährige aus Völklingen geht 2020 wieder mit dem amtierenden Meisterteam HCB-Rutronik Racing im Audi R8 LMS GT3 in der ADAC GT Masters an den Start. Ihr Teamkollege wird erneut der 23-jährige Dennis Marshall sein. Gaststarts in anderen Serien stehen ebenfalls auf dem Programm. Auch im „Girls only“-Team auf der Nürburgring Nordschleife wird sie wieder mitmischen und als Mentorin dieses einzigartigen Projekts beim legendären 24-Stunden-Rennen und bei wahrscheinlich sechs VLN-Läufen an den Start gehen. Und zwar mit dem VW Golf GTI mit etwa 350 PS in der Klasse SP3T. Auf der Nordschleife ist Carrie Schreiner mit dem GTI Golf von WS Racing Rundenrekordhalterin und schaffte bereits beim letzten VLN-Rennen 2019 sogar einen Klassensieg.
„Mein Rennplan wird wieder sehr kompakt und voll sein – vorausgesetzt, dass alles stattfinden kann“, sagt Schreiner und reflektiert: „Der Einstieg in die GT Masters-Serie war für mich schon sehr hart. Dort hat man es nur mit Profis zu tun, und da wird die Luft oben schon extrem dünn. Aber die Fortschritte waren schon riesig.“ Damit meint sie vor allem das furiose Finale mit einem Podiumsplatz in Hockenheim. Ausgerechnet an ihrem 21. Geburtstag und auf ihrer „Heimstrecke“, dem Formel-1-Kurs im badischen Motodrom, rief sie ihre beste Saisonleistung ab und schoss als Dritte durchs Ziel. Das i-Tüpfelchen bildete der Sieg in der hart umkämpften Junior-Wertung für Fahrer unter 25 Jahren. „Das war für mich einer der schönsten Tage überhaupt. Die Saison war so kräftezehrend und ich musste mich echt durchbeißen. Aber an dem Tag hat einfach alles gepasst“, sagt sie und lobt vor allem die starke Vorarbeit ihres Teamkollegen Dennis Marshall: „Dass ich die wirklich zu Ende bringen konnte, war für mich ein unfassbares Erlebnis. Zusammen mit Weltklasse-Fahrern da oben zu stehen war einfach unbeschreiblich und sehr emotional.“ Diese Gefühle würde sie gerne noch einmal erleben. Mindestens: „In der GT Masters will ich regelmäßig punkten und so viele Top-Ten-Platzierungen wie möglich sammeln. Wieder auf dem Podium zu landen, wäre natürlich ein Traum.“
„Mein Rennplan wird wieder sehr voll sein“
Langfristig träumt Carrie Schreiner davon, in einem GT3 über die Nordschleife zu heizen und einen Werksvertrag zu bekommen. „In Zeiten von Corona ist es allerdings schwer, eine Aussage über die kommenden Jahre zu treffen“, sagt die ausgebildete Groß- und Außenhandelskauffrau und ergänzt: „Ich habe auf jeden Fall einen Plan B in der Schublade, nämlich in der Firma meines Vaters zu arbeiten.“ Bis es so weit ist, verfolgt sie weiter Plan A und versucht, „wie ein Profi zu leben und alles dafür zu geben, meine Ziele zu erreichen.“
Cedric Piro saß zwischenzeitlich ein Jahr lang gar nicht in einem Rennauto. Nach der Saison 2018 in der TCR Europe Series stand erst einmal Athletiktraining und Reflektion auf dem Programm. „Es hat sich 2019 einfach keine interessante Konstellation ergeben, deshalb haben wir uns konzentriert auf die Saison 2020 vorbereitet“, erklärt Maschinenbau-Student Piro. Das von seinem Vater Erwin Piro geführte Team aus Heusweiler startet nun mit zwei Ginetta G55 GT4 als Ginetta Deutschland in der ADAC GT4 Germany. „Es war immer klar, dass wir als Piro-Sports-Team, also als Familienteam, weitermachen werden. Also haben wir uns nach Alternativen umgeschaut und sind schließlich bei der GT4 gelandet, in der sich zwei Fahrer ein Auto teilen.“ Cedrics Teamkollege ist Neuling Robin Falkenbach.
„Als klar war, dass wir 2019 nichts machen werden, war ich erst einmal komplett fertig.“ Statt der Rennstrecke erwartete Piro eine Durststrecke, die sich insgesamt über ein Jahr zog. Doch die Zeit wurde genutzt: „Rückblickend war es aber ganz gut. Ich habe mir wirklich mal die Zeit genommen, alles, was ich bisher so gemacht habe, zu überdenken und zu analysieren. Während einer Saison geht alles so schnell, dass man gar nicht alles abarbeiten kann.“ Fazit des Sabbatjahres: „Ich bin ein Jahr zu früh vom Kart- in den Motorsport gewechselt. Das eine Jahr in der Formel Renault war eigentlich verschenkt“, findet Piro mittlerweile und ergänzt: „Das hatte mich wahrscheinlich überfordert. Auch die Saisonvorbereitung auf die TCR 2018 war etwas zu kurz und dadurch nicht optimal.“ Die schonungslose Analyse lässt den erst 22-Jährigen lernen und reifen – nicht nur als Sportler. Und trotzdem stellte er irgendwann fest: „Jetzt will ich einfach nur noch ins Auto.“
„Unser Ziel muss es sein, in den Top Ten mitzufahren“
Im Februar dieses Jahres war es endlich wieder so weit: Die erste Testfahrt im neuen Auto, einem Ginetta, stand auf dem Programm. „Wir haben uns für dieses Auto entschieden, weil wir einfach ein Faible für britische Autos haben. Dieses Auto ist in Deutschland auch noch nie gestartet, was es gleich doppelt interessant gemacht hat“, erzählt Piro und schwärmt: „Wir haben uns gleich verliebt. Nicht nur optisch, sondern auch wegen des Fahrverhaltens. Unser Auto ist anders als die anderen GT4-Wagen nur für die Rennstrecke gebaut worden, und man spürt sofort, dass es auch dorthin gehört.“
Unter anderem die Leichtbauweise, die direkte Lenkung, der zuverlässige Motor und die hohe Kurvengeschwindigkeit sorgen für ein Fahrverhalten, das Formel-Autos ähnelt.
Die Vorbereitung auf den Rundenstart am 24. April in Oschersleben lief auf Hochtouren, bis die Corona-Pandemie wieder alles zunichtemachte. Der Saisonstart wurde vorerst auf den 14. August an den Nürburgring verlegt (Änderungen vorbehalten). „Unser Ziel muss es sein, in den Top Ten mitzufahren und auch mal auf das Podest zu kommen“, sagt Cedric Piro, der 2021 voll angreifen und ganz vorne mitfahren will.