Wohl am 9. Juni trifft der 1. FC Saarbrücken im Halbfinale um den DFB-Pokal auf Bayer Leverkusen. Für Geschäftsführer David Fischer und sein Team eine außergewöhnliche Situation.
David Fischer ist ein Mann, der den Fußball liebt. Als Bub hat er in der Fan-Kurve von Dynamo Dresden gestanden, nach seinem Studium hat er für mehrere Sportvermarkter gearbeitet. Anschließend zog es ihn ins operative Geschäft, zunächst zu Kickers Offenbach, dann 2016 zum 1. FC Saarbrücken. Der 35-Jährige ist ein Mann der leisen Töne, sein Organisationstalent wird im Verein sehr geschätzt. Nun muss er, der es in Offenbach und Saarbrücken mit großen Fan-Szenen zu tun hatte, ein Geisterspiel organisieren. Bei Redaktionsschluss war allerdings noch nicht endgültig geklärt, ob die Partie in Völklingen stattfinden kann. „Wir gehen davon aus, dass sich unsere Fans korrekt verhalten werden. Eine Anreise macht keinen Sinn“, sagt Fischer. Der FCS steht zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte im Halbfinale um den DFB-Pokal. Doch der größte Erfolg der jüngeren Historie muss ohne Zuschauer stattfinden. Fischer müsste eigentlich das Herz bluten. Doch er ist Realist: „Für unsere Fans ist das jammerschade. Aber wir sind froh, dass überhaupt gespielt wird. Der Verein ist auf die TV-Einnahmen angewiesen. Und für die Mannschaft wäre ein Abbruch des Wettbewerbs eine absolute Katastrophe gewesen“, sagt Fischer.
Stadion-Posse geht immer weiter
Ist das Spiel angepfiffen, fließen die TV-Gelder und der FCS hätte die Corona-Krise gut überstanden. Keine Kurzarbeit, keine Entlassungen, keine Streichungen – nicht viele Fußballvereine können sich dies auf ihre Fahne schreiben. In Zusammenarbeit mit dem Sportmedizinischen Institut der Universität des Saarlandes muss der FCS das Hygiene-Konzept der Bundesligisten umsetzen. Für Fischer „eine Herausforderung, aber keine, die man nicht stemmen kann.“ Zugute käme dem Verein das weitläufige Areal in Völklingen, die geforderte räumliche Trennung kann dort gut vollzogen werden. Völklingen – für Fischer ein besonderer Ort. Als er im Frühjahr 2016 beim 1. FCS anheuerte, sagte man ihm, dass der Verein ab Sommer 2017 wieder im Ludwigspark spielen würde. Nach den neuerlichen schlechten Nachrichten von der Baustelle ist sogar die Rückkehr in diesem Jahr wieder ungewiss. Das schafft neue Probleme. Der Verein, der nächste Saison wohl Dritte Liga spielen wird, muss ein taugliches Stadion nachweisen. Hier könnte dem FCS die Corona-Krise sogar in die Karten spielen. Beim DFB diskutiert man derzeit darüber, ob neben den finanziellen Zulassungsvoraussetzungen auch die infrastrukturellen Anforderungen gesenkt werden. „Die kommenden zwei, drei Monate werden in diesen Fragen viel Bewegung bringen“, sagt Fischer, der gemeinsam mit Vorstandsmitglied Christian Seiffert die „Baustelle“ bearbeitet. Dass der Verein einen Mietvertrag mit dem FSV Frankfurt abgeschlossen hat, bezeichnet Fischer als „Zulassungs-Sicherungsmaßnahme“. Die Bedenken der Fans versteht er, verweist aber auf die Notwendigkeit. „Für die Zulassung ist dieses Vorgehen alternativlos. Wir müssen ohnehin abwarten, wie sich der Spielbetrieb ab Herbst gestalten wird. Natürlich ist es nicht unser Wunsch, in Frankfurt zu spielen, aber im allerschlimmsten Fall müssten wir für einige Monate wohl in einen sauren Apfel beißen“, sagt Fischer.
Der 35-Jährige kommt aus der Vermarktungsbranche, hat viele kleinere und mittlere Betriebe für den FCS gewonnen. Doch die Möglichkeiten in Völklingen sind begrenzt. Das Interesse an den Business-Plätzen und Logen im Ludwigspark ist groß“, sagt Fischer: „Jedes Jahr in Völklingen kostet den Verein viel Geld.“
Der ehemalige Präsident Paul Borgard sprach vor Jahren „von Einnahmeausfällen in Höhe von 1,5 Millionen Euro“, die den Verein pro Jahr im Exil belasten. Sollte es im Jahr 2020 nichts mit einer Rückkehr werden, würde sich diese Summe am Ende auf 7,5 Millionen Euro belaufen. Bestätigen möchte Fischer diese Rechnung nicht, sagt aber: „Ohne das Engagement unseres Hauptsponsors Victors hätten wir es in dieser Form nicht geschafft. Aber wir können uns nicht immer darauf verlassen.“ Vizepräsident Dieter Ferner drückt es noch drastischer aus. „Ohne unseren Präsidenten Hartmut Ostermann wäre der Verein tot. Fünf Jahre in einem Ausweichstadion hätte kein Verein dieser Welt überlebt.“
„Eine Mannschaft von internationalem Format“
In vier Jahren im Saarland hat sich Geschäftsführer Fischer mit den Begebenheiten abgefunden, gelernt, aus den Möglichkeiten das Beste zu machen. „Es würde überhaupt nichts bringen, wenn man permanent jammern würde. Wir tun das, was im Rahmen unserer Möglichkeiten machbar ist. Den Stadionbau können wir nicht beeinflussen.“ Das primäre Ziel ist ohnehin die Durchführung des Halbfinales. Dass der FCS gegen Bayer Leverkusen eine realistische Chance hat, glaubt Fischer, der sich selbst als „sehr optimistischen Menschen“ bezeichnet, nicht. „An einem guten Tag können die auch die Bayern weghauen. Das ist eine Mannschaft mit internationalem Format. Aber wir sind Fußballer und manchmal geschehen die verrücktesten Dinge.“ Dafür, dass die Spieler im Vorfeld keine verrückten Dinge tun, sorgt Fischer gemeinsam mit Sportdirektor Marcus Mann. Alle Spieler wurden instruiert, „wir raten ihnen auch, nur wenn es absolut nötig ist, in die Stadt zu gehen. Wir haben es mit jungen Menschen zu tun, das ist schon eine sehr besondere Situation.“
Anfang Juni wird die Mannschaft ein Quarantäne-Trainingslager im Victors Residenz-Hotel beziehen. Und was passiert, sollte der FCS doch noch das Unmögliche möglich machen? „Aus finanzieller Sicht wäre die Finalteilnahme wie ein Sechser im Lotto“, sagt Fischer. Auch wenn das Finale Anfang Juli unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde. „Unser Hauptsponsor hat ja auch zwei Hotels in Berlin. Logistisch würden wir das hinbekommen. Für unser Image wäre es natürlich überragend“, sagt Fischer. Doch realistisch wie er ist, fügt er hinzu. „Die Chancen stehen 1:99“.