Dunkle Tage der Nachkriegszeit
Bei einer der nächtlichen Kaffee-Schmuggeltouren an der deutsch-belgischen Grenze kommt es 1951 zu einem folgenschweren Zwischenfall. Die noch minderjährige Johanna Schöning wird von einem deutschen Zöllner tödlich verletzt. Die 17-jährige Henni Schöning, die sich als älteste Schwester nach dem Tod der Mutter um die jüngeren Geschwister kümmert, landet nach dieser Schmuggeltour in einer Besserungsanstalt.
Die beiden Brüder Fried und Matthias steckt der vom Zweiten Weltkrieg schwer gezeichnete Vater kurzerhand in ein kirchliches Kinderheim bei Trier. Ohne Besuch des Vaters und ohne das Schicksal ihrer Brüder zu kennen, erfährt Henni erst nach ihrer Entlassung vier Jahre später vom Tod ihres Bruders Matthias. Er verstarb an einer Lungenentzündung, deren Ursache aber nicht auf den Grund gegangen wurde. Zu Fried, der in Nürnberg lebt, hat sie erst Jahre später wieder Kontakt. 1970 kommt es zu einem Prozess. Die inzwischen verheiratete Henni, die Mutter zweier Kinder ist, wird beschuldigt, ihr Elternhaus angezündet und ihren Vater umgebracht zu haben. Außerdem wird ihr vorgeworfen, den Tod ihres Bruders Matthias gerächt zu haben. Die damalige Kinderheimschwester Angelika wurde in Aachen vor den Zug geschubst. Während der Vorwurf der Brandstiftung entkräftet werden konnte, muss Henni aufgrund eines Indizienprozesses für zehn Jahre ins Gefängnis wegen des angeblichen Mordes an der Krankenschwester.
Das Buch schildert eindrucksvoll die Nöte der Menschen in der Nachkriegszeit und gibt Einblick in die grauenvollen Erziehungsmethoden in deutschen Kinderheimen nach 1945. Unnachgiebigkeit, Mut und Verantwortungsbewusstsein, aber auch Verzweiflung zeichnen das Leben von Henni Schöning. Vorverurteilungen aufgrund der sozialen Herkunft und Vertuschungsversuche seitens der Kirche und der Justiz sind an der Tagesordnung und zeigen, dass das Gedankengut der Ungerechtigkeit bei vielen Menschen weiterlebt. Ein Stück dunkle Nachkriegsgeschichte.
KULT[UR]
Foto: Droemer Verlag
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