Die Gründung der ARD vor 70 Jahren am 9./10. Juni 1950 hatte vor allem logistische Gründe. Eine einzelne Rundfunkanstalt hätte allein niemals die Mittel für den Aufbau eines bundesweiten Fernsehprogramms gehabt. Daher schlossen sich die damals sechs öffentlich-rechtlichen Anstalten zusammen, ohne dabei jedoch ihre Unabhängigkeit aufzugeben.
Irgendwann hatte Sophie von Scholtz genug. „Die Konferenz hat nun lange genug gedauert" – mit diesen Worten knipste die Frau des früheren Intendanten des Bayerischen Rundfunks (BR), Rudolf von Scholtz, kurzerhand das Licht aus, nachdem sich eine Tagung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, kurz ARD, wieder einmal bis in die späten Abendstunden hingezogen hatte. Es gab aber auch einiges zu besprechen. Auf dem Plan stand in den Jahren 1952 und 1953 die Einrichtung eines Fernsehprogramms für die gesamte Bundesrepublik. Bereits seit Ende 1950 strahlte der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) an drei Tagen ein Versuchsprogramm aus, das bis dahin allerdings lediglich in Nordwestdeutschland und Berlin zu empfangen war. Eine Ausweitung auf das ganze Land hätte der NWDR allein nicht stemmen können, deshalb war er auf die Mithilfe der anderen Rundfunkanstalten angewiesen.
„Ein notwendiger Zwang zur Zusammenarbeit veranlasste die jungen Rundfunkanstalten in der ARD im Jahre 1953, das Fernsehen gemeinsam aufzubauen", sagte der ehemalige Intendant des Süddeutschen Rundfunks (SDR) und langjährige Vorsitzende der ARD, Hans Bausch, im „Deutschlandfunk". „Weil die Finanzkraft einer einzelnen Rundfunkanstalt niemals ausgereicht hätte, das deutsche Fernsehen ins Leben zu rufen. Der Gedanke an eine zentrale Produktionsstätte oder an eine einheitliche Organisation fand zwar Freunde in der Hauptstadt der inzwischen gegründeten Bundesrepublik, doch die Rundfunkanstalten zogen es vor, einen Fernsehvertrag für ein Gemeinschaftsprogramm zu schließen und die Programmanteile prozentual je nach finanzieller Leistungskraft auf die einzelnen Anstalten zu verteilen." Am 27. März 1953 einigten sich die Intendanten auf einen solchen Fernsehvertrag. Und am 1. November 1954 startete die ARD offiziell mit dem Deutschen Fernsehen. 1984 wurde der Sender offiziell in Erstes Deutsches Fernsehen umbenannt; seit 1996 lautet die offizielle Namenskurzform und Marke des Senders „Das Erste".
Offizieller TV-Start am 1. November 1954
Heutzutage werden die Begriffe ARD und „Das Erste" häufig synonym verwendet, was eigentlich falsch ist – ein klassisches Totum pro parte. Ein Teil einer Sache wird durch einen Begriff umschrieben, der eigentlich für die ganze Sache steht. Schließlich veranstaltet die ARD als Verbund der neun Landesrundfunkanstalten neben „Das Erste" noch weitere Fernsehprogramme: ARD-Alpha, One, Tagesschau24, dazu jeweils eigene regionale Fernseh- und Hörfunkprogramme. Die ARD ist Träger des Deutschen Rundfunkarchivs und betreibt gemeinsam mit dem ZDF die Sender Phoenix und Kika (Kinderkanal) sowie mit weiteren nationalen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus der Schweiz und Österreich beziehungsweise Frankreich die Fernsehsender 3Sat und Arte.
Die Anfänge der ARD reichen 70 Jahre zurück. Auf der Bremer Tagung schlossen die damals noch sechs westdeutschen Rundfunkanstalten – neben NWDR, BR und SDR waren das außerdem der Südwestfunk (SWF), der Hessische Rundfunk (HR) sowie Radio Bremen (RB) – am 9. und 10. Juni 1950 eine „Vereinbarung über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland".
Erste Vereinbarung Anfang Juni 1950
Ziele waren die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen sowie die Zusammenarbeit bei der Herstellung und dem Austausch von Programmen. Es war die Gründungssatzung der ARD, die Heinz-Werner Stuiber in seinem Buch „Medien in Deutschland" als „lockeren Zusammenschluss ohne eigene Rechtspersönlichkeit" beschreibt. Dementsprechend rotiert auch der Vorsitz: Die Mitgliederversammlung betraut jeweils für ein Jahr eine ihrer Rundfunkanstalten mit der Geschäftsführung der ARD; dessen Intendant ist in diesem Zeitraum auch Vorsitzender der ARD. Die Wiederwahl für ein weiteres Jahr ist dabei möglich und inzwischen auch üblich.
Am 5. August 1950 kamen die Intendanten in München zur konstituierenden Sitzung der Arbeitsgemeinschaft zusammen. „Damit hat der Rundfunk der Bundesrepublik eine Vertretung erhalten, die mit der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen betraut ist", hieß es in der anschließend veröffentlichten Mitteilung. Wobei diese Gemeinsamkeiten keinen Eingriff in die Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten bedeutete: Die einzelnen Sender blieben auch weiterhin unabhängig in ihrer Programmgestaltung.
Genau das war den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Neustrukturierung des deutschen Rundfunks wichtig gewesen: Dass dieser nicht noch einmal als Propagandamittel missbraucht werden könnte. „Den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen, keine andere Idee soll hier zu Worte kommen. Der Rundfunk hat sich der Zielsetzung, die sich die Regierung der nationalen Revolution gestellt hat, ein- und unterzuordnen", so hatte es Reichspropagandaminister Joseph Goebbels während des Nationalsozialismus formuliert.
Anfangs lag Fokus auf dem Radioprogramm
Nach Kriegsende setzten die Siegermächte auf einen unabhängigen Rundfunk. „Die Radiostationen sollen unserer Auffassung und tiefsten Überzeugung nach nicht mehr Sprecher und Organ der jeweiligen Regierung sein", erklärte Edmund Schächter, einst amerikanischer Kontrolloffizier bei Radio München. Anstelle eines zentralen Programms bekam jedes Land seinen eigenen Sender, die sich zudem über Rundfunkgebühren finanzierten und damit nicht von Steuergeldern und der Gunst der Regierung abhängig waren. Vorbild war die britische BBC (British Broadcasting Corporation).
Zu Beginn lag der Fokus der Arbeitsgemeinschaft noch hauptsächlich auf dem Radioprogramm. Erst ab Mitte der 1950er-Jahre verbreiteten sich Fernsehgeräte in Deutschland, befeuert durch TV-Live-Übertragungen der Fußball-WM 1954, dem Wunder von Bern, oder der Krönungszeremonie von Queen Elizabeth II. Am 1. Oktober 1956 begann zudem die tägliche Ausstrahlung der „Tagesschau". Für Millionen Zuschauer gehört der Gong um Punkt 20 Uhr seitdem zum Pflichtprogramm: „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau".
Zu diesem Zeitpunkt war das Deutsche Fernsehen noch der einzige Sender. Doch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) plante bereits seit Längerem die Einführung eines zweiten Programms, auf dessen Inhalte die Regierung stärkeren Einfluss nehmen konnte. Adenauer störte sich daran, dass die britische Labour-Regierung viele Sozialdemokraten in die Führung des NWDR und der Nachrichtenagentur DPD eingesetzt hatte. Aber nicht nur der Kanzler betrachtete den Rundfunk als „politisches Führungsmittel". Auch für Reinhold Maier (FDP), den ersten Ministerpräsidenten des damaligen Landes Württemberg-Baden, war es nur schwer vorstellbar, „dass eine Radiostation im Grunde genommen niemand gehöre, dass niemand eine Verantwortung trage, und dass niemand einen Einfluss auszuüben habe".
Bis Etablierung des ZDF gab’s zeitweise ARD 2
Im Juli 1960 wurde auf Adenauers Initiative die Deutschland-Fernsehen-GmbH gegründet, ein privatrechtliches Unternehmen, das jedoch vom Bund finanziert wurde und für das Adenauer die Aufsichtsratsmitglieder bestimmte. Dagegen klagten die SPD-geführten Bundesländer Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Pläne eines „Adenauer-Fernsehens" im Februar 1961 mit dem ersten Rundfunk-Urteil vereitelte. Die Rundfunkkompetenz läge ausschließlich bei den Ländern, so das Gericht. Diese wiederum einigten sich im März 1961 auf die Gründung einer zentralen zweiten Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts und hoben damit das ZDF aus der Taufe, das am 1. April 1963 offiziell auf Sendung ging. Bis dahin existierte mit „ARD 2" zeitweise ein befristetes zweites Programm, das ebenfalls durch die ARD verantwortet wurde. Es sollte die Zuschauer zum Umstieg auf den neuen UHF-Empfang animieren, war aber von Anfang an nur als Provisorium gedacht. Mit Sendebeginn des ZDF setzten die Rundfunkanstalten der ARD stattdessen auf den Aufbau der regionalen dritten Programme. Private Sender sollte es in Deutschland erst ab 1984 geben.