Für gut 80 Millionen Euro entsteht am Saarbrücker Heizkraftwerk Römerbrücke ein neues Gas-Motoren-Kraftwerk (Gamor). Die Eckpunkte für das Großprojekt: 60.000 Tonnen weniger CO2, Gas als Brückentechnologie und eine Bürgerbeteiligung.
Der ausgestreckte Arm zeigt über Saarbrücken Richtung Eschberg. „Sehen Sie was?", fragt Joachim Morsch. Der Blick vom Dach des Heizkraftwerks Römerbrücke über die Dächer von Saarbrücken ist in der Tat faszinierend. Aber Joachim Morsch, Vorstand und Sprecher von Energie SaarLorlux, geht es eigentlich darum, zu zeigen, was es nicht zu sehen gibt: Keine Schornsteine auf den Dächern. Unter anderem dieser (Nicht-)Anblick hat Saarbrücken einst (1992) den Uno-Umweltpreis für innovative Energiepolitik eingebracht. Das Kraftwerk Römerbrücke mit seinem 177 Meter unübersehbar aufragenden Schornstein hatte mit dem Konzept einer Kraft-Wärme-Kopplung und einem praktisch geschlossenen Erzeugungskreislauf unter Verwendung heimischer Ballastkohle überzeugt.
„Die Zeiten haben sich geändert", sagt Morsch. Die heimische Kohleförderung ist längst Geschichte, Energie SaarLorLux hat über die Strecke beträchtliche Millionensummen investiert, fährt das Kraftwerk überwiegend als Gas- und Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerk. Der Umstieg von Kohle auf den Hauptbrennstoff Gas erfolgte bereits 2003, zwei Jahre später wurde die große Gasturbine („eigentlich ein umgebautes Flugzeugtriebwerk") in Betrieb genommen. Seither ist Gas für die Grundlast, Kohle wird nur noch für Spitzenlast ergänzend gefahren. Und auch dieses Kapitel soll demnächst einen Abschluss finden.
Das Zauberwort der neuen Zeit an der Römerbrücke heißt „Gamor". Auch wenn es etwas nach Alien klingt, ist es ein höchst irdisches, 80 Millionen Euro teures Projekt. Die Umrisse davon sind bereits erkennbar. Seit einiger Zeit laufen die Bauarbeiten auf dem Gelände direkt neben dem Kraftwerksbau.
Gamor steht für Gas-MotorenKraftwerk Römerbrücke. „Damit wird die Erzeugung von Strom und Fernwärme aus Kohle verzichtbar", unterstreicht Morsch. „Mit dem neuen Gas-Motoren-Kraftwerk bekommen wir Nutzungsgrade von nahezu 90 Prozent, wenn man es auf den elektrischen Wirkungsgrad umrechnet von deutlich über 50 Prozent. Das ist mit einem Kohlekraftwerk nicht machbar". Im Saarland ist das Projekt bislang einzigartig, bundesweit gibt es zwischenzeitlich einige weitere Unternehmen, die auf diese Technik mit Blockheizkraftwerken setzen. Das funktioniert allerdings umso effizienter, wenn dazu ein ausgebautes Fernwärmenetz vorhanden ist. Und genau an diesem Punkt machen sich die frühen Investitionen von vor Jahrzehnten bemerkbar.
„Wir profitieren dabei von den Altvorderen, die das Fernwärmenetz gut ausgebaut und gut gewartet haben." Das Netz ist als Ergebnis des gesetzgeberischen Willens, Verteilung und Erzeugung zu trennen, in Verantwortung der Saarbrücker Stadtwerke und nicht der Energie Saarlorlux. Saarbrücken verfügt über ein Fernwärmenetz von gut 180 Kilometer Gesamtlänge.
Effiziente Erzeugung, effizienter Verbrauch
2017 wurde zudem die Fernwärmeverbindung von Völklingen nach Saarbrücken entlang der Stadtautobahn schadensbedingt stillgelegt. Damit entfiel auch diese Fernwärmelieferung aus Völklingen was wiederum die Pläne der Energie SaarLorLux an der Römerbrücke beschleunigte, die schon früher an einen endgültigen Ausstieg aus der zusätzlichen Kohle gedacht hatte. Schließlich sei nicht erst seit heute bekannt, dass „Erzeugung auf Kohlebasis in Deutschland kein Zukunftsmodell" ist, unterstreicht Morsch.
„2022 haben wir keine Kohle mehr im Portfolio", betont Morsch. Die Römerbrücke also Teil der Energiewende? Immerhin werde mit der Kraftwerksergänzung eine CO2-Einsparung von etwa 60.000 Tonnen erreicht, verglichen damit diese Leistung mit Kohle zu produzieren. Kohle ist verzichtbar, Gas bleibe als Brückentechnologie dagegen systemrelevant, „bis weit in die 2030er-Jahre", ist Morsch überzeugt. Damit tritt er auch Kritikern entgegen wie etwa dem Umweltexperten Peter Heck, der die ganze Richtung des Neubaukonzepts schlicht als „Quatsch" bezeichnet hatte. Um vergleichbare elektrische Leistungen über Photovoltaik (PV) zu erzeugen, benötige man Flächen halb so groß wie das Stadtgebiet von Saarbrücken. Die Erzeugung von Fernwärme über PV sei in der benötigten Menge technisch nicht realisierbar und die Römerbrücke nun mal in erster Linie ein Heizkraftwerk. Nach Morschs Überzeugung gibt es für die Kraft-Wärme-Kopplung im Bestand derzeit keine Alternative. „Wir glauben, dass hocheffiziente modernste Technologie, mit besten Wirkungsgraden und der Stromerzeugung als Kopplungsprodukt ein guter Weg ist". Dass an dem Gamor-Neubau zusätzlich auch eine PV-Anlage installiert wird, ist aus Sicht der Versorgungssicherheit ein bescheidener Nebenaspekt.
Stefan Eichacker, Leiter Marketing und Kommunikation von Energie SaarLorLux, dem Eigentümer des Kraftwerks, verweist neben den technologischen Fragen auch auf die Grundphilosophie. „Es ist ein strategisches Ziel, hocheffiziente Energie zu erzeugen, und nicht dafür zu sorgen, dass die Leute mehr Strom verbrauchen. Wir stehen dafür, dass die notwendige Energie so effizient wie möglich erzeugt und verbraucht wird."
Es braucht Idealisten und Pragmatiker
Klimaschutzziele teilen beide, verweisen auch darauf, dass in den letzten Jahren bereits vieles erreicht wurde. Selbst eine gewisse Sympathie für „Fridays for Future" schimmert durch, wenn Eichacker betont: „Es muss immer Idealisten geben, aber es muss auch Pragmatiker geben." Und Letztere stünden eben auch im Auftrag, für Versorgungssicherheit zu sorgen, „und dass es bezahlbar bleibt". Gas bleibe dabei „als Brückentechnologie unverzichtbar".
In Sachen Energiewende stehe Deutschland vor zwei zentralen Herausforderungen: erstens den Ausbau von „Stromautobahnen", und zum zweiten der Frage der Speichertechnologie. Letztlich gehe es aber auch um Fragen der Priorität. In Großbritannien habe beispielsweise die CO2-Reduzierung oberste Priorität, mit dem Ergebnis, dass dort Kohle- und Gaskraftwerke abgeschaltet würden, stattdessen setze man – neben Windenergie – auf Atomkraft. In Deutschland ist der Atomausstieg dagegen längst beschlossen.
An der Römerbrücke ist für Mitte Juni (19.6.) die offizielle Grundsteinlegung für die nach eigenen Angaben größte Investition in der Unternehmensgeschichte geplant. Bereits Anfang Mai haben die Arbeiten begonnen. 540 Betonpfähle werden rund zwölf Meter tief in die Erde getrieben, um dem Fundament nahe der Saar sicher Stand zu geben. Bürger können sich mit insgesamt sechs Millionen Euro über Anteile von 500 bis 10.000 Euro an Gamor beteiligen.