Die EU, die Bundesregierung und die Länder in Deutschland haben sich mit Billionen Euro gegen die Corona-Krise gestemmt. Für Unternehmen, für Selbstständige, für Familien, für Alleinerziehende – ja, die „Bazooka" war mächtig. Und dennoch hat sie bei ihrem Aufschlag einige Menschen verfehlt.
Es trifft ausgerechnet diejenigen, die ohnehin Probleme haben, trotz eines Jobs auskömmlich zu leben. Für sie findet sich in dem milliardenschweren Konjunkturpaket der Bundesregierung auf den ersten Blick nichts: 6,4 Millionen Minijobber gab es im März 2020 in Deutschland, die überwältigende Mehrheit davon Frauen; mehr als die Hälfte aller 2,9 Millionen Studenten arbeitet neben dem Studium. 7,3 Millionen Menschen aus fast allen Wirtschaftssektoren sind in Kurzarbeit. Zum Vergleich: Der Konjunkturabschwung nach der globalen Finanzkrise 2009, laut Wissenschaftlern der heftigste nach dem Zweiten Weltkrieg, zwang 1,5 Millionen Deutsche vor allem aus der Industrie in die Kurzarbeit.
Noch gibt es keine verlässlichen Zahlen. Dennoch haben viele Menschen im Zuge der Pandemie ihren Job verloren. Die Zahl der Arbeitslosen ist laut Bundesagentur für Arbeit (BA) von April auf Mai infolge der Corona-Krise erneut kräftig gestiegen, wenn auch nicht mehr so stark wie im Vormonat. Mit 2.813.000 liegt sie 169.000 höher als im Vormonat. Saisonbereinigt entspricht das einem Zuwachs um 238.000. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Arbeitslosenzahl um 577.000 erhöht. Die Arbeitslosenquote steigt um 0,3 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent. „Die typische Frühjahrsbelebung des Arbeitsmarktes fiel aus", so ein Sprecher der Bundesagentur gegenüber FORUM. Vor allem die Jugend scheint von der Krise betroffen: Die Arbeitslosigkeit junger Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren stieg coronabedingt von 4,1 auf 5,8 Prozent. Wie schnell der Arbeitsmarkt wieder anspringt, ist offen.
Abzuwarten bleibt ebenfalls der Beginn des neuen Ausbildungsjahres ab Herbst. Nach Auskunft des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) können erst in einigen Monaten verlässliche Aussagen darüber getroffen werden, wie heftig der virusbedingte Lockdown die deutsche Wirtschaft getroffen hat. Die BA spricht bereits jetzt von weniger Stellen und Bewerbern für Ausbildungsplätze. Diese Situation sei aber nicht erst durch die Corona-Krise entstanden, betont die Behörde, sondern bereits durch die konjunkturelle Delle Ende 2019
Bei den Minijobbern zeichnet sich ein erster Trend ab: Laut Minijobber-Zentrale in Bochum ist die Zahl der gemeldeten Minijobber im März um 220.000 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Die Zahlen überraschen, weil Minijobber eine Kündigungsfrist von vier bis sechs Wochen haben – demzufolge hätte es eigentlich erst Anfang bis Mitte April zu einer solchen Welle von Kündigungen kommen können, die Kurzarbeiterregelungen der Bundesregierung gelten nicht für sie. Studenten, die ohnehin einen großen Teil der Minijobber in Deutschland ausmachen, schauen ebenfalls in die Röhre. 518.000 studentische Bafög-Anträge zählten die Statistiker Anfang 2020 – sieben Prozent weniger als im vergangenen Jahr, und mit einem durchschnittlichen Bafög von 493 Euro lässt sich kaum eine Bude bezahlen. Also muss ein Studentenjob her – doch auch diese Arbeitsgeber stecken derzeit, je nach Branche, in der Krise.
Virus-Krise nach Konjunkturdelle
Dagegen haben Leiharbeiter von den Maßnahmen der Bundesregierung profitiert: 920.000 Menschen arbeiten derzeit in Deutschland auf Basis von Zeitverträgen. Hat ihr Betrieb Kurzarbeit angemeldet und beantragt, erhalten sie ebenfalls Kurzarbeitergeld, zunächst befristet bis Dezember 2020. Das ist gut so, vermitteln denn auch Leiharbeitsfirmen in der Krise deutlich weniger Menschen in zeitlich befristete Jobs, teilt der Verband der Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) mit.
Dabei war die wirtschaftliche Großwetterlage ohnehin bereits eingetrübt: Schon Ende 2019 deutete sich in Deutschland eine konjunkturelle Delle an und damit einhergehend auch ein schwächerer Arbeitsmarkt. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt betrug 2019 laut Statistischem Bundesamt 3,4 Billionen Euro. Der Exportweltmeister trug einige Schrammen an seinem Image davon. Vorausschauend auf das aktuelle Jahr prognostizierte damals die bundeseigene KfW-Förderbank, dass die Weltwirtschaft 2020 eine der schwächsten Wachstumsphasen seit der globalen Finanzkrise erwartet. Dass nun zusätzlich ein neuartiges Virus einen fast globalen Stillstand erzwingt, hatte zwar auch sie nicht vorausgesehen. Aber der Fahrplan stand: Der Welthandel sei derzeit „unfreundlich" zu Deutschland, so die KfW-Experten, Handelskonflikte, der Brexit, finanzpolitische Unwägbarkeiten wie der handelspolitische Streit zwischen China und den USA waren nur drei von zahlreichen Punkten, mit denen sich Deutschlands Wirtschaftspotenzial messen musste.
Jetzt, nach einem zweimonatigen Lockdown, gewaltigen Hilfspaketen und einem wahrscheinlich nie dagewesenen Minuswachstum, ist der Schaden umso größer und weitreichender. Das milliardenschwere Euro Stimulus-Paket der Bundesregierung wird so zielgenau nicht sein, all diejenigen zu erreichen, die durchs Raster gefallen sind. Aber sind sie es denn wirklich? Wie viele Minijobs hat das Zusperren des Landes gekostet? Wie viele Jobs in der Automobilindustrie gingen und gehen noch verloren, wie viele im Maschinenbau, der Gastronomie und Hotellerie, in der Event- und Kunstbranche? Noch ist es zu früh, genaue Antworten auf diese Fragen zu erhalten. Doch die ersten Tendenzen zeigen sich bereits jetzt – in Jobs, die rasch geschaffen sind, aber ebenso schnell wieder verloren gehen. •