Leiharbeiter trifft die Krise zweifach: Zum einen zeigen die Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen, dass sie mancherorts unzureichend geschützt sind. In anderen Branchen sind sie die ersten, die gehen müssen – die Zeitarbeitsbranche bangt bereits um ihre eigene Existenz.
Die Corona-Krise trifft die Leiharbeitsbranche gleich doppelt: Leiharbeiter arbeiten oft in Branchen, in denen sie schwer vor Ansteckung geschützt werden können. Das zeigen die jüngsten Corona-Hotspots in deutschen Schlachthöfen. In anderen Wirtschaftsbereichen sind sie oft die ersten, die wegen der Rezession nun gehen müssen. Denn die Nachfrage nach Arbeitskräften ist insgesamt deutlich gesunken. Der Stellenindex BA-X der Bundesagentur für Arbeit gab nach dem deutlichen Rückgang im April im Mai noch einmal um drei auf 91 Punkte nach. Mit einem Minus von 38 Punkten unterschreite der BA-X seinen Vorjahreswert beträchtlich, teilte die Bundesagentur mit. Danach ging der Personalbedarf in allen Branchen im Vergleich zum Vorjahr zurück. Fast die Hälfte des Rückgangs gehe auf die abnehmende Nachfrage in Zeitarbeit und Industrie zurück. Besonders betroffen von den Corona-Maßnahmen ist nach Angaben der Arbeitsmarktexperten das Gastgewerbe, wo 42 Prozent weniger Stellen gemeldet waren. Bei Verkehr und Logistik sanken diese um ein Drittel. In diesen beiden Branchen arbeiten besonders viele Zeitarbeiter. Auch in anderen Wirtschaftszweigen – bis auf öffentlichen Dienst und Landwirtschaft – gab es einen Rückgang im zweistelligen Prozentbereich.
Auch im Nachbarland Frankreich ist es zu einem historischen Verlust an Jobs, bedingt durch einen Einbruch der Leiharbeiterzahlen, gekommen: Wie die Statistikbehörde Insee mitteilte, verbuchte sie einen Rückgang von 40 Prozent. Insgesamt sind demnach in Frankreich im privaten Sektor netto 497.400 Arbeitsplätze vernichtet worden, hinzu kommen 4.900 Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor.
Zu besten Zeiten arbeiteten in Deutschland knapp eine Million Menschen für Firmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, Beschäftigte an andere Unternehmen „auszuleihen", quer durch alle Branchen. Was auf den ersten Blick fragwürdig klingt, erweist sich oft als für beide Seiten äußerst praktisch. Es ermöglichte in den vergangenen Jahren vielen Menschen, aus der Arbeitslosigkeit zu entkommen, die ansonsten zunächst keinen Job gefunden hatten. Vielen Firmen wiederum hilft die Zeitarbeit, Mitarbeiter zu bekommen ohne das Risiko zu haben, diese irgendwann nicht mehr zu benötigen. Nach Ansicht vieler Experten hat die Zeitarbeit geholfen, viele neue Jobs zu schaffen trotz eines recht hohen Kündigungsschutzes in Deutschland.
Personalbedarf geht zurück
Logisch aber auch, dass Zeitarbeiter als Erste dran sind, wenn es mangels Aufträgen zu Entlassungen kommt – wie jetzt in Corona-Zeiten. Bei ihnen sind ja keine formellen Kündigungen nötig, sondern eine einfache Abmeldung an die verleihende Firma reicht.
So leiden die Zeitarbeitsfirmen nun besonders unter der Corona-Krise. 88 Prozent der Firmen des Zeitarbeitsverbandes iGZ vermelden laut einer aktuellen Umfrage, dass sie coronabedingt Abmeldungen zu verzeichnen haben, knapp 70 Prozent haben keine Neuaufträge als Ersatz. Rund ein Drittel hält die gegenwärtige Situation sogar für existenzgefährdend. 3.600 Zeitarbeitsfirmen sind im Verband iGZ organisiert, insgesamt gibt es in Deutschland rund 11.000. Es sind zum großen Teil mittelständische Unternehmen mit starker Verankerung in der jeweiligen Region. „Große Firmen können recht gut Ausfälle in einer Branche mit hoher Nachfrage in anderen Branchen kompensieren", sagte iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz. „Für kleinere, mittelständische Firmen gilt das oft nicht. Sie können schnell in ihrer Existenz gefährdet sein."
Sehr stark getroffen hat Corona die Automobilindustrie und ihre Zulieferer, die Elektroindustrie, sowie die Gastronomie. Profitiert hat natürlich die Gesundheitsbranche, also insbesondere Alten- und Krankenpflege. Nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren im März 674.000 Menschen bei Zeitarbeitsfirmen angestellt, das ist ein Rückgang um 7.700 gegenüber dem Februar – nicht viel, aber im März hatte der Lockdown ja auch gerade erst begonnen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Es dürfte in den Monaten danach wohl einen deutlichen Einbruch gegeben haben.
Branche setzt auf Flexibilität
Auch wenn die Krise der Branche schwer zusetzt, so hat sie doch die entscheidenden Antworten parat, mit der der Krise begegnet werden kann: Flexibilität. Zwei Drittel der Firmen lassen ihre Mitarbeiter nun die Überstunden abbauen, die sie auf ihren Arbeitszeitkonten angesammelt haben. Fast ebenso viele lassen ihre Mitarbeiter Urlaub machen. Und auch in dieser Branche kommt das deutsche Wundermittel Kurzarbeit zum Einsatz: Dreiviertel der Zeitarbeitsfirmen haben Kurzarbeit angemeldet, um die Ausfälle abzufangen. So wie jede andere Firma auch können sie dabei von der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld in Höhe von zunächst 60 Prozent bis zu maximal 87 Prozent des vorherigen Lohns bekommen.
Vor allem aber suchen die Firmen derzeit nach ganz neuen Einsatzmöglichkeiten für ihre Angestellten in anderen Branchen. Über ein Drittel der Firmen bemüht sich laut besagter Umfrage, Mitarbeiter in ganz neuen Branchen einzusetzen. „Hier zeigt sich, welche Vorteile die Flexibilität die Zeitarbeit mit sich bringt", sagte iGZ-Geschäftsführer Stolz. So würden etwa Mitarbeiter aus der Gastronomie in die Logistik vermittelt, wo derzeit viele neue Mitarbeiter gesucht werden. Hier können Zeitarbeitsfirmen viel schneller und besser helfen, als wenn jeder für sich einen neuen Job suchen muss.