Der Einzelhandel leidet noch immer unter der Pandemie. Denn nach den Lockerungen zeigt sich: Shoppen gehen ist gerade nicht angesagt. Was also tun, vor allem mit den vielen Studentenjobs? Ein Besuch in der Filiale eines Bekleidungsgeschäftes.
Die vergangenen Wochen waren ein einziger Kampf. Wie die meisten Geschäfte im Einzelhandel hatte es auch die Filiale des Bekleidungshauses Peek und Cloppenburg in Neunkirchen schwer. Nach der Schließung am 19. März und dem April in Kurzarbeit, hat Michael Scherer planmäßig Anfang Mai als General Sales Manager die Filiale übernommen. Michael Scherer arbeitet seit circa vier Jahren im Unternehmen und kam nach einer Ausbildung und einem Studium im Handelsbereich als Quereinsteiger hierher, war zuerst in Leverkusen, dann im Saarland stationiert – und steht gleich vor riesigen Herausforderungen.
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben hohe Verluste verzeichnet und Kurzarbeit angemeldet. Die Filiale liegt in einem Einkaufszentrum. Die Kunden müssen im gesamten Zentrum Masken tragen und gehen daher weniger gern einkaufen, beobachtet Scherer. Auch jetzt, nach Wiederaufnahme des Betriebs. Es stellt sich die Frage: „Wie kann man mit den Leuten, die man zur Verfügung hat, eine gewisse Abdeckung der Fläche bei entsprechenden Umsätzen garantieren?"
Von Kurzarbeit, die aktuell im Unternehmen schon wieder bei 80 Prozent liegt, sind die Festangestellten betroffen. Die Zukunft von Studenten, Aushilfen und Flexi-Kräften ist aktuell eher ungewiss. Sie erhalten eine monatliche Vergütung in Höhe eines Zehn-Stunden-Sockels, den sie verpflichtend im Monat leisten müssen. Die Miete lässt sich davon allerdings nicht bezahlen.
Jana Wagner und Jonas Buchholz arbeiten als Kassierer in Neunkirchen als Aushilfen. Beide haben einen befristeten Arbeitsvertrag von zwei Jahren, der halbjährlich verlängert wird. Jana Wagner studiert Grundschullehramt und arbeitet seit zwei Jahren hier. Jonas Buchholz studiert aktuell Humanistik und ist seit zirka acht Monaten angestellt. Ihr gemeinsamer Wunsch an die Geschäftsleitung: mehr Kommunikation.
Hohe Verluste, Kurzarbeit und wenig Information
Wie überall ging nach Ausbruch der Krise alles sehr schnell. „Klar habe ich schon darüber nachgedacht wie es weitergeht, aber ich ging davon aus, dass sich das Ganze nach vier Wochen wieder erledigt hat und wir wieder öffnen können", erklärt Jana Wagner. Nach der Schließung erfolgte ein Anruf von der Abteilungsleitung, und die damalige General Sales Managerin eröffnete mit Einverständnis der Mitarbeiter eine Whatsapp-Gruppe zur Mitteilung weiterer Informationen. Dazwischen herrschte erst einmal Funkstille.
„Ich hätte mir in der Zeit der Ausgangsbeschränkung gewünscht, dass wenigstens einmal jemand anruft und durchgibt, ob es etwas Neues gibt", erzählt die Studentin.
Die Mitarbeiter erhielten digital alle nötigen Informationen, allerdings konnte damit nicht jeder etwas anfangen. „Die Geschäftsleitung hatte diese Gruppe erstellt, in die alle Informationen geschickt wurden. Aber ich habe mich damit etwas bombardiert gefühlt. Da waren keine Informationen drin, die für mich als Aushilfe wirklich hilfreich waren und teilweise habe ich es nicht verstanden, weil es zu komplex formuliert war. Ich wusste nicht, wie es jetzt für mich als 450-Euro-Jobber weitergeht. Man hat sich schon ein bisschen alleingelassen gefühlt", erklärt Jonas Buchholz. Das Problem ist also nicht der Mangel an Information, sondern an bedarfsgerechter Kommunikation. Aber woran liegt es, dass die Studenten, die auf das Geld stark angewiesen sind, nicht so oft eingesetzt werden?
Laut Michael Scherer daran, dass es der Umsatz der Filiale einfach noch nicht ermöglicht. Im Sinne der Kurzarbeiterregelung arbeitet das Unternehmen mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen. „Wir würden die Flexi-Kräfte gerne mehr einsetzen, aber aufgrund der Kurzarbeiterregelung, die uns von der Bundesagentur für Arbeit auferlegt wird, dürfen wir sie nicht einsetzen. Denn wenn Standorte in Kurzarbeit sind, gehen Festkräfte immer vor", erklärt der Manager. Laut dem am 13 März veröffentlichten „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld" im Bundesgesetzblatt sind geringfügig beschäftigte Personen, die nicht versicherungspflichtig angestellt sind, von der Inanspruchnahme auf Kurzarbeitergeld ausgeschlossen. Unter normalen Umständen versucht Scherer ein gesundes Verhältnis zwischen Fest- und Flexi-Kräften zu halten.
„Das darf nie zu viel und nie zu wenig sein. Einfach, um sich da eine gewisse Flexibilität zu bewahren. Man braucht eine Stamm-Mannschaft, die weiß, was passiert, aber auch gleichzeitig Leute, die flexibel einsetzbar sind, was ideal ist für Studenten und Schüler", erklärt der Filialleiter.
Zu geringe Umsätze für alle Arbeitskräfte
Aber genau da liegt für Studenten und Flexi-Kräfte in dieser Zeit das Problem. „Letztes Jahr im August fing es an, dass ich immer kurzfristiger angerufen und gebeten wurde, einzuspringen – auch wenn ich schon über meinem 450-Euro-Pensum lag. Dass ich dann als Student plötzlich so fallen gelassen werde, während die Festangestellten der Kasse mittlerweile schon auf 80 Prozent hochgestuft wurden, finde ich schon traurig. Wir Studenten sind schließlich auch immer für die Festkräfte eingesprungen, wenn man uns gebraucht hat", erzählt Jana Wagner. Jonas Buchholz ergänzt dazu: „Ausgenutzt werden ist vielleicht das falsche Wort. Aber in dieser Situation fühlt man sich dann schon etwas minderwertig, obwohl man dieselbe Stellung hat wie andere Kassierer auch. Ich weiß, dass es nicht nur bei Peek und Cloppenburg so ist. Aber im Unternehmen wird immer gesagt, dass wir alle gleichwertig sind und dieses Gefühl habe ich ehrlich gesagt nicht."
Michael Scherer kann die Situation seiner jungen Mitarbeiter nachvollziehen. „Ich will das nicht schwarz und weiß malen. Ich weiß, dass sehr viele Studenten in der Krise ihre Jobs verloren haben und da gibt es, glaube ich, auch kein Richtig oder Falsch. Aber wir müssen uns einfach an die Auflagen halten", erklärt er. Trotzdem fügt er hinzu, dass er sich über das vorherrschende Kommunikationsproblem nicht im Klaren war. „Es gibt natürlich eine Leitkultur im Unternehmen. Der Unternehmer wünscht sich, dass wir transparent kommunizieren. Aber – und das soll jetzt keine Entschuldigung sein – diese Situation war für uns alle neu. Wenn unsere Flexi-Kräfte sich jedoch nicht abgeholt oder nicht wertgeschätzt fühlen, dann ist das ein Problem, und dann müssen wir das definitiv besser machen in Zukunft. Im Grunde muss man nur sprechen und ansprechbar sein", bekräftigt der Filialleiter.
Die Studenten wünschen sich genau das – einen Ansprechpartner. Sie möchten das Gefühl haben, zum Unternehmen dazuzugehören. „Ich habe von Freunden aus anderen Unternehmen gehört, dass die Filialleiter direkt auf sie zukamen und ihnen finanzielle Hilfe angeboten haben oder zumindest ein offenes Ohr für Sorgen und Probleme. Ich arbeite gerne bei P und C, aber so jemand fehlt mir im Moment einfach", sagt Jana Wagner. Auch Jonas Buchholz weiß wie es in der Wirtschaft zugeht: „Im Grunde genommen können weder das Unternehmen noch unser neuer Chef etwas für die derzeitige Situation. Aber das Unternehmen müsste sich die Frage stellen, ob das, was sie nach außen darstellen und wie sie agieren, wirklich zusammenpasst."
„Ein Nachteil für die Flexi-Kräfte"
Der General Sales Manager ist der Meinung, die Basics der Kommunikation haben nichts mit der aktuellen Corona-Situation zu tun. „Wir werden niemals ohne Flexis funktionieren können und einige der Flexi-Kräfte scheinen sich ja nicht immer wertgeschätzt zu fühlen. Das rührt daher, dass es oftmals so gelebt wird. Das ist dann ein Qualitätsproblem von uns, und da muss man selbstkritisch sein und das aktiv angehen. Die Traum-Kombination ist ein mündiger Mitarbeiter, der den Mund aufmacht und mitdenkt und eine Geschäftsleitung, die das erkennt und damit umgeht. Und das zu vermitteln, ist in meinen Augen die Aufgabe der Führungskraft – egal, ob Abteilungsleitung, Substitut oder ich", erklärt Michael Scherer.
Das Unternehmen hat noch bis Ende des Jahres zu kämpfen, um die Verluste der Corona-Krise wieder wettzumachen. „Natürlich musste in der akuten Phase geschaut werden, wie man mit befristeten und schwebenden Verträgen umgeht und zwar individuell. Aber es musste niemand ausschließlich aufgrund von Corona gehen. Die soziale Verantwortung des Unternehmens ist immens", so Scherer. Trotzdem machen sich die Studenten und Aushilfen über ihre Zukunft Gedanken. „Ich denke schon darüber nach, wo ich noch ein bisschen mehr Geld verdienen könnte. Die Filialleitung hat auch dazu angeregt, sich während der Corona-Krise bei Lebensmittelhändlern wie Penny oder Lidl zu bewerben. Dort müsste ich viel weniger arbeiten für dasselbe Geld und ich hätte die Gewissheit, dass ich meine Stunden bekomme. Hier gefällt es mir gut und das Team mag ich auch. Aber im Endeffekt zählt nun einmal das, was unter dem Strich dabei rauskommt. Und das ist aktuell bei P und C nicht gerade viel", erklärt Jonas Buchholz.
Der Manager ist sich darüber bewusst, kennt jedoch auch die soziale Verantwortung gegenüber seinen Festkräften. „Die Kurzarbeiterregelung ist ein Nachteil für die Flexis, aber man kann davon ausgehen, dass diese im Notfall irgendwo anders unterkommen. Natürlich würden wir dann auch gute Kräfte verlieren, aber die Festkräfte auf der anderen Seite würden nicht so einfach irgendwo unterkommen", sagt Michael Scherer. Die Situation ist komplex und Prioritäten müssen gesetzt werden. „Was definitiv gesagt werden kann, ist, dass wir gesund sind und dass wir das überstehen werden. Es wird Konsequenzen auf allen Ebenen geben, nicht nur auf Personalebene."