Den D2S des chinesischen Herstellers Zhidou gibt es auch bei uns. Auf deutschen Straßen ist das kleine Elektroauto allerdings ein kaum zu sehender Exot. Wir haben ihn dennoch einmal getestet.
Wenn uns nicht alles täuscht, wird über die Zukunft der Mobilität nicht in Europa und schon gar nicht hierzulande entschieden. Allein in China werden in den kommenden Jahren so viele Menschen in die Städte ziehen, wie die USA Einwohner haben. Könnte sein, dass ein Auto wie der D2S von Zhidou so ein Zukunftsvehikel ist. Das Modell stammt aus dem chinesischen Geely-Konzern, zu dem inzwischen auch Volvo gehört. Es ist zwar bei uns schon seit einiger Zeit auf dem Markt, gleichwohl aber eine echte Rarität im Straßenbild.
Putzig sieht der kleine Chinese aus. Frei nach der alten Designer-Devise „Form follows function", also Funktion vor Aussehen. Der auffällig große Kühlergrill ist bei einem Elektroauto allerdings völlig sinnfrei. Die beiden LED-Frontscheinwerfer verleihen dem Kleinstwagen einen gewissen Schlafzimmerblick. Das Autochen ist 2,80 Meter lang und hat Platz für zwei Personen, die sich so kuschelig nahekommen wie in kaum einem anderen Vehikel der Neuzeit. Für kurze Strecken reicht der Platz aber locker – und für Verliebte ist es ideal, da stört keine ausladende Mittelkonsole. Groß gewachsene Fahrer oder Co-Piloten könnten sich allerdings durchaus etwas beengt fühlen.
Wir übernahmen den quietschgelben Testwagen bei Lad’a in Buxtehude, denn die russische Deutschlandzentrale vertreibt den Wagen hierzulande. Bernd Haack, bei Lada für die Pressearbeit zuständig, gibt uns eine kurze Einweisung. Mehr ist auch nicht nötig, denn der neun Zoll große Multifunktions-Berührungsbildschirm –
dominant in der Mitte des Cockpits angeordnet – ist selbsterklärend. Alle mittlerweile gängigen Funktionen wie beispielsweise Navigation, Telefon oder Radio sind abrufbar. Die Handbremse ist wie früher bei Mercedes Benz mit dem Fuß zu bedienen.
Der Innenraum macht einen recht wertigen Eindruck, die Sitzmöbel sind mit Kunstleder überzogen, was Tierschützer freuen wird und der recht schicken Optik nichts nimmt. Die Kundschaft hat immerhin die Wahl zwischen der konservativen Variante Schwarz-Beige oder der peppigen Schwarz-Rot-Version. Hinter den beiden Sitzen ist tatsächlich auch noch ein Kofferraum zu finden, in dem zwei Sprudelkisten und der restliche Wochenendeinkauf problemlos verstaut werden können.
2,80 Meter lang mit Platz für zwei
Thema Nummer eins beim E-Mobil ist natürlich die Reichweite. Bernd Haack berichtete stolz von 177 Kilometern, die er bei einer Fahrt durchs Land Hadern erreicht habe, die Werksangabe spricht allerdings von 250 Kilometern. Wir werden sehen.
Startknopf gedrückt, Drehknopf auf D gestellt und los geht’s! Mit sage und schreibe 15 kW und 90 Newtonmetern kommen wir flott auf Tempo 50. Aber schnell gehen wir in den geistigen Elektromodus über und erinnern uns an ein Fahrtraining mit dem Ex-Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Titel: Smooth driving – sanftes Fahren. Königsdisziplin: Fahren mit einem Glas Wasser auf der Kühlerhaube, ohne etwas zu verschütten. Dieser Fahrstil passt allerdings überhaupt nicht in die moderne Autowelt, und von nun an sind wir für alle anderen Chauffeure offensichtlich das Objekt, das es zu überholen gilt – notfalls noch kurz vor der roten Ampel. Dieses Schicksal ist im Kaufpreis von knapp unter 20.000 Euro inklusive. Erst wenn man sparsam unterwegs ist und möglichst das energiefressende Anfahren vermeiden will, fällt einem auf, wie wenig Grüne-Welle-Strecken es gibt – jedenfalls in und rund um Hamburg.
Unser Hauptaugenmerk gilt während der gesamten Fahrt – wie bei den meisten Elektrofahrzeugen – der Energieanzeige und dem sogenannten Restkilometerstand. Wir segeln munter die Bundesstraße entlang, ohne dass sich der Batteriestand rührt. Anschließend geht es auf die Autobahn. Das Auto kommt in der Spitze auf Tempo 85 und ist somit für alle öffentlichen Rennbahnen zugelassen. Bei der abschüssigen Einfahrt in den Elbtunnel nehmen wir noch den Schwung von unserem Top-Speed mit, um dann in den Stadtverkehr einzutauchen. Energie: ein Balken weniger.
Gelegentlich wird der Wagen vom kräftigen Wind durchgeschüttelt. Kein Wunder bei einem Gewicht von gerade einmal gut 700 Kilogramm – einschließlich der Batterie. Das klingt bei all den Schwergewichten im real existierenden Straßenverkehr leicht, ist es aber nicht. Zum Vergleich: Ein alter Opel Kadett hat genauso viel gewogen, ein VW-Bus Samba mit voller Bestuhlung gerade mal 250 Kilogramm mehr. Andererseits: Alleine die Batterie eines Tesla Modell 3 wiegt 900 Kilogramm!
Konzipiert für den Stadtverkehr
Der D2S ist als reines Stadt- oder höchstens Kurzstreckenauto konzipiert. Und auf engen Straßen mit wenig Parkraum fühlt man sich in diesem „Spielzeugauto" eigentlich pudelwohl. Das liegt auch an dem sensationell kleinen Wendekreis von vier Metern.
Die Restkilometeranzeige im Auge, kommen wir dann doch in den Elektro-Stress, denn die reale Fahrweise der meisten Autofahrer ist alles andere als energieeffizient. Als die Rückfahrt nach Buxtehude ansteht, ist die Batterie, die übrigens 2.000 Ladezyklen oder 200.000 Kilometer überstehen soll, laut Anzeige noch halb gefüllt. Dieses Mal gibt es im Elbtunnel allerdings bergab Stop-and-go-Verkehr. Dem Ladestand kann man jetzt beim Sinken zusehen.
Bei der Bergauf-Ausfahrt aus dem Elbtunnel haben wir keine Chance mehr, irgendwelche Lastwagen zu überholen. Anschließend bläst der kräftige Sturm plötzlich auch noch von vorne, was die Höchstgeschwindigkeit auf gerade mal 70 km/h einbremst. Kein schönes Gefühl unter lauter Brummis. Bis hierher sind wir ohne jegliche Zusatzverbraucher wie Radio, Handyladung oder Heizung unterwegs. Nun beginnt es auch noch zu regnen, und die Scheiben beschlagen zusehends. Unsere Nervosität steigt im selben Tempo wie der Restkilometerstand sinkt. Dass dies so schnell geht, liegt in unserem Test an der Geografie und besagter Bundesstraße. Buxtehude liegt nämlich auf dem Geestrücken. Auf dem Hinweg fuhren wir also tendenziell bergab, zurück geht es nun ständig leicht bergauf. Mit Müh’ und Not schaffen wir es zurück zum Lada-Hauptquartier und haben am Ende sogar noch ein paar Kilometer Reserve. Gefahrene Kilometer – gut 150!
Uns ist nicht überliefert, ob der Zhiduo D2S in China jemals bei der Wahl zum Auto des Jahres in die engere Wahl kam. Hierzulande, wo ein Elektro-PS-Monster wie der Porsche Taycan aktuell auf den Thron gekommen ist, hätte der Wagen jedenfalls gar keine Chance. Dabei ist er bestens für den Verkehr auf kurzen Strecken geeignet. Immerhin findet weltweit 80 Prozent des Autoverkehrs in den Städten statt – Tendenz steigend. Außerdem dürfte der Micro-Stromer derzeit immer noch zu den günstigsten Elektro-Autos zählen.