Die Pandemie setzt der Gastronomie heftig zu. Besonders betroffen sind die neuen Betreiber des Restaurants „Alter Bahnhof" in Völklingen. Gerade als sie nach der Renovierung öffnen wollten, kam Corona. Seit Ende Mai ist endlich geöffnet – und ein Besuch lohnt sich.
Am 31. Dezember des vergangenen Jahres schloss die ehemalige Betreiberin Stefanie Bauer die Türen ihres Restaurants im „Alten Bahnhof" in Völklingen ab. Neue Betreiber waren relativ schnell gefunden: Anja Pell und Olivier Lorsung übernahmen. Das Paar hat langjährige Erfahrung in der Gastronomie, und eigentlich wollten die beiden im März starten. Doch dann kam Corona, und die Gastronomie blieb erst einmal geschlossen. Das war für Pell und Lorsung besonders hart, denn solch eine Übernahme ist immer mit erheblichen Investitionen verbunden. Im Gegenzug bleiben aber die wichtigen Einnahmen im März und April aus. Erst Ende Mai durften sie endlich eröffnen.
Küchenchef Olivier Lorsung hat eine typische Berufskarriere im deutsch-französischen Grenzgebiet gemacht. Seine Ausbildung absolvierte er in Frankreich, danach arbeitete er ausschließlich im Saarland. Er ging vier Jahre zur Kochschule – zuerst zwei Jahre in Creutzwald, danach zwei in Saargemünd. In der schmucken Stadt südlich von Saarbrücken machte er auch sein Fachabitur. Danach wechselte er ins Saarland und startete im ehemaligen „Novotel" in Saarbrücken. Dort blieb er sechs Jahre, ehe er im Saarbrücker „Stiefel" und danach im Saarlouiser „Bistro Meunier" anheuerte. In den Jahren 2012 bis 2019 war er Küchenchef im Gersweiler „Bistro Schwanenkönig".
In diesem Jahr wurde er 40, und für ihn ist es der richtige Zeitpunkt, sein eigenes Restaurant zu eröffnen. Kochen ist für ihn Gefühlssache. Lediglich bei den Desserts hält er sich strikt an Rezepte. Er kocht gern Fisch und Fleisch, und bei seiner Küche orientiert er sich an den Grundlagen der bürgerlichen französischen Küche. Lorsung setzt auf Qualität und frische Produkte. „Wir kochen alles frisch nach Bestellung. Und natürlich mache ich meine Fonds für die Saucen selbst." Zum Kochen kam er durch seine Großmütter. Schon im Kindesalter sei er immer in der Küche gewesen, erzählt er. Da er nicht auf den Herd schauen konnte, nahm er sich immer einen Stuhl, um in die Töpfe hineinzusehen. Dann rührte er kräftig mit. Seine Großmütter prophezeiten ihm schon damals: „Irgendwann wirst Du Koch." Sie sollten Recht behalten.
Lorsungs Partnerin ist die gelernte Hotelfachfrau Anja Pell. Ihre Ausbildung hat sie vor vielen Jahren im Saarbrücker „Hotel Meran" gemacht, dann ging es für sie erst einmal nach Paris. Dort lernte sie die französische Küche kennen und kochte selbst viel. Und sie lernte die französische Lebensart lieben. Irgendwann kehrte sie aber doch wieder nach Saarbrücken zurück. Zuerst zog sie ihre drei Kinder groß, dann wollte sie wieder arbeiten. Sie begann zunächst in einem Bioladen, später ging’s in die Küche des „Schwanenkönigs". Dort lernte sie Olivier kennen – seit sechs Jahren sind die beiden nun also ein Paar.
Idealer Ort für größere Feiern
Das Haus, das sie sich jetzt für ihr gemeinsames Restaurant ausgesucht haben, hat eine lange Geschichte. Der alte Bahnhof in Völklingen stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, 1894 wurde die heute unter Denkmalschutz stehende Empfangshalle eröffnet, die ein Teil des gesamten Anwesens ist. Errichtet wurde das Gebäude auf großzügigen Sandsteinsockeln, an den Wänden alte Bilder der qualmenden und fauchenden Hütte. Ich kenne das Restaurant seit vielen Jahren. Die Lage ist sehr interessant: Zum Unesco-Weltkulturerbe Völklinger Hütte sind es zu Fuß nur drei Minuten. Auch in der Innenstadt ist man schnell.
Ende der 90er-Jahre wurde das Haus renoviert und umgebaut. Das Restaurant hat neben dem Hauptraum noch vier separate Speiseräume. Ein idealer Ort also für Feierlichkeiten für bis zu 200 Personen. Im Sommer sind die Plätze auf der Außenterrasse auf dem ehemaligen Bahnsteig sehr beliebt. Und auch der sonntägliche Brunch hier ist vielen Saarländern bekannt. Sobald weitere Lockerungen in der Corona-Zeit kommen, werden ihn auch die neuen Betreiber wieder anbieten. In diesem Haus treffen sich schon seit langer Zeit der gute Geschmack und die Kunst. Im Bahnhof befindet sich ein Theater für etwa 80 Personen. Theater, Film und Musik spielen dort schon viele Jahre eine große Rolle.
Die neuen Betreiber setzen auf eine deutsch-französische Küche. Ich sitze an einem sonnigen Junitag auf besagter Terrasse, im Hintergrund die einmalige Kulisse der historischen Hütte. Kurz nach der Wiedereröffnung wird auch hier – wie bei vielen Kollegen – mit einer kleineren Karte gearbeitet. Im Angebot waren bei meinem Besuch mehrere Salate, Flammkuchen, Fisch und Fleisch. Natürlich gibt es auch Angebote für Vegetarier und Veganer.
Ich als Flexitarier schaue mir auch diese immer genau an, seit Jahrzehnten sind vegetarische Gerichte Bestandteil meiner Ernährung. Aus dem Salatangebot „Alter Bahnhof", „Lothringer Salat", „Ziegenkäse", „Salat mit Grillgemüse" und „Garnelensalat" entscheide ich mich für Letzteren. Ich bekomme eine tolle Zusammenstellung mit Walnüssen und jeder Menge wohlschmeckender Garnelen. Die Vinaigrette hat eine klare Handschrift: Hier ist ein Könner am Werk. Auch der Ziegenkäse meiner Begleitung findet volle Zustimmung.
Flammkuchen – einmal mit Spargel, klassisch, gratiniert und mit Münster – sahen wir auch auf dem Tableau, doch das wäre zu viel gewesen. Mit den Portionen geizen sie hier nämlich nicht. Dafür teilen wir uns beim Hauptgang die Entscheidung Fisch oder Fleisch auf. Ich kann dem Angebot Entrecôte mit Pommery-Senfkruste nicht widerstehen. Eine gute Entscheidung – zartes Fleisch, auf den Punkt gegart, sehr geschmackvoll. Meine Begleitung wählt Tagliatelle mit Lachs und ist ebenfalls hoch zufrieden.
Fazit: Hier ist ein Könner am Werk
Zur Abrundung darf ein Dessert nicht fehlen. Wunderschön angerichtet, serviert man uns einen kleinen Schokoladenkuchen mit Eis und Früchten. Der Clou bei dem Schokoladenkuchen: der Schokokern ist flüssig und läuft auf den Teller. Dazu Vanilleeis, selbst geschlagene Sahne – das schmeckt man – und sommerliche Früchte. Das Nougat-Glacé stammt von einem Koch, der weiß, wie es geht. Auch hier dekoriert mit verschiedenen Sommerfrüchten. Passt hervorragend.
Auch die Weinkarte lässt keine Wünsche offen. Von herausragenden Saar- und Moselweinen bis zu kleinen Appellationen aus Frankreich. Von Van Volxem über Petgen-Dahm bis zu französischen Weltklassehäusern wie Joseph Drouhin. Aber auch Knipser aus der Pfalz, Spezialitäten aus dem Elsass und Italien sind vorrätig. Alles gut!
Das Haus ist ein Familienunternehmen, denn Anja Pells Sohn Fréderic bedient uns mit unendlicher Freundlichkeit und großer Kompetenz. Er ist der Restaurantleiter, da seine Mutter zwischen Küche und Service pendelt. Sie stehen hier nun gerade am Anfang und haben noch viel vor.
Anja Pell plant schon die künftigen Aktivitäten und hat sich wirklich jede Menge vorgenommen. „Wir werden alles selber machen in der Küche und dies regional. Ausweiten werden wir die vegetarischen und veganen Angebote, und es wird auch Kochkurse im Haus geben. Zudem steht der Brunch auf dem Zettel sowie Musik- und Themenabende. Wir werden Tages- und Wochengerichte anbieten und natürlich auch selbst gebackene Kuchen. Im Herbst und Winter wollen wir Teatime-Angebote machen, typisch englisch." Und sie werden das deutsch-französische Eröffnungsfest nachholen! Und zwar richtig.
Aller Anfang ist schwer, besonders in der derzeitigen Situation. Aber Anja Pell und Olivier Lorsung freuen sich, dass täglich mehr Kunden kommen. Eine gute Küche muss sich eben erst einmal rumsprechen. Und das wird es, da bin ich mir sicher. Mein Fazit jedenfalls ist klar: Hier war ich nicht zum letzten Mal. Vor allem, da die Anreise aus Saarbrücken mit Zug oder Bus ein Kinderspiel ist. Man wird ja direkt vors Restaurant gefahren.