Gebaut wird trotz Corona: Das Bauhauptgewerbe kam vergleichsweise glimpflich durch die Krise. Doch was passiert, wenn das Geld der Auftraggeber nicht mehr so locker sitzt? Christian Beck leitet die Abteilung Bauwirtschaft der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt (Bau). Er blickt zuversichtlich in die Zukunft.
Herr Beck, das Bauhauptgewerbe freut sich über höhere Erlöse und mehr Beschäftigte, selbst in der Pandemie. Hat das Bauhandwerk die Krise wirklich völlig unbeschadet überstanden?
Was wir von den Kollegen rückgemeldet bekommen und was wir aus unseren Zahlen ersehen können, ist die Tendenz tatsächlich so. Natürlich gibt es die ein oder andere Firma, die es erwischt hat, aber die IG Bau kommt derzeit größtenteils unbeschadet durch die Krise. Wir haben mehr Beschäftigte, wir haben minimale Zahlen von Kurzarbeit. Meist wurde sie angemeldet, aber das heißt noch nicht, dass sie in Anspruch genommen wird.
Hat sich die Krise denn auf die Kollegenhilfe, also das Ausleihen von Facharbeitern von einem Baubetrieb zum anderen, ausgewirkt?
Auch hier sehen wir keine großen Auswirkungen. Vielmehr haben die Betriebe Schwierigkeiten, ihre Personalkapazitäten hochzuhalten. Der Bau hat seit Jahren einen erheblichen Fachkräftebedarf. In den vergangenen Jahren haben wir erlebt, dass einerseits die Ausbildungszahlen wieder gestiegen sind. Andererseits hörten wir von Betriebsratsvorsitzenden in einer kürzlich beendeten Umfrage, dass sie ihren eigenen Personalbedarf in Zukunft nicht durch Ausbildung decken können. Darum haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass sich über eine Plattform der Dachmarke Soka-Bau Betriebe melden, die Bedarf an einer Kollegenhilfe haben beziehungsweise Fachkräfte verleihen.
Im Bauhandwerk spielt das Entsenden von Beschäftigten über die Landesgrenzen hinweg eine große Rolle. Wie hat sich die Krise darauf ausgewirkt?
Hier hat sich ebenfalls kaum eine Veränderung gezeigt. Wir hatten vermutet, dass es hier nach Ostern zu einem Einbruch der Zahlen kommen könnte, weil viele Arbeitskräfte aus dem Ausland über Ostern nach Hause fahren und wegen der Eindämmungsmaßnahmen und geschlossenen Grenzen dann nicht mehr ins Land dürfen. Zum Beispiel gab es ja in Polen scharfe Regelungen der Ein- und Ausreise. Aber auch diese Sorge hat sich als unbegründet erwiesen, aller Voraussicht nach, weil viele Kollegen schlicht über die Feiertage in Deutschland geblieben sind und erst gar nicht nach Hause gefahren sind. Dadurch konnten sie danach ganz normal weiterarbeiten.
Weiterarbeiten, aber mit Einschränkungen und unter Hygienebestimmungen, wie die Arbeitgeber derzeit beklagen. Hier geht es um höhere Arbeitskosten und dadurch schmäleren Gewinn. Wie sehen denn diese Einschränkungen derzeit konkret aus?
Das kann ich Ihnen ehrlich gesagt auch nicht sagen. Was klar ist: Es gibt höhere Aufwendungen für die Hygiene. Dazu muss man aber sagen, dass die Hygiene am Bau seit Jahren geregelt ist und erst jetzt diese Maßnahmen ernst genommen werden. Zum Beispiel ist vorgesehen, dass sich Kollegen die Hände unter fließendem Wasser waschen können. Das ist nicht immer der Fall, sollte aber seit Jahren und Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit sein. Jetzt haben wir verstärkt Anrufe erhalten, von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, die sagen, dass dies bei ihnen nicht möglich ist. Hier gibt es eine neue Sensibilität, es wurden dann beispielsweise einfach Kanister angeschafft, unter denen man sich dann die Hände waschen kann. Also muss man sagen, dass diese Selbstverständlichkeiten, obwohl sie geregelt sind, offenbar nicht eingehalten wurden. Solche Maßnahmen kosten natürlich jetzt etwas mehr Geld. Signifikant ist jedoch der Transport zur Baustelle: Hier haben die meisten Betriebe dann solche Bullies benutzt, voll besetzt, dort drin kann natürlich kein Mensch einen Sicherheitsabstand einhalten. Also wurden mehr Privat-Pkw eingesetzt oder einfach mehr Transporter. Ob es aber einen exorbitanten Kostenblock durch die Hygienemaßnahmen insgesamt gegeben hat, das können wir derzeit nicht sagen. Wir hören von den Baustellen: Wir arbeiten weiter, mit Sicherheitsabstand vielleicht mal beim Pausemachen, ansonsten gibt es den im Baugewerbe nicht. Wir glauben, die Klage übers Geld ist ein grundsätzliches Einstimmen in den Kanon. Zumal bei öffentlichen Aufträgen der Staat die Mehrkosten für Hygienemaßnahmen übernimmt.
Die Branche hat einen regelrechten Boom hinter sich. Unternehmen befürchten nun magere Jahre, wenn Aufträge wegbrechen, weil das Geld bei Bauherren nicht mehr so locker sitzt. Trifft die Krise also hier verspätet ein?
Ganz ausschließen kann man das nicht, das wäre ein Blick in die Glaskugel. Die Branche ist in dieses Jahr mit vollen Auftragsbüchern gestartet, hat also auch viele Aufträge aus dem Vorjahr mit in dieses übernommen. Es gibt vereinzelte Auftragsschiebungen oder -stornierungen. Diese führen aber dazu, dass viele Betriebe aufatmen und sagen: Wir können wieder normal arbeiten, weil der Auftragsstau abnimmt. Der Boom hat bewirkt, dass viele Unternehmen von einem Projekt zum nächsten gehetzt sind, viele Überstunden aufgebaut haben. Es gab Firmen, die bei Ausschreibungen mitmachen, um Präsenz zu zeigen und aus den Ausschreibungszyklen nicht herauszufallen. Dann berechneten die Firmen aber doppelte Margen in den Angeboten, in der Hoffnung, dass sie dadurch den Auftrag nicht bekommen. Und es ist mehr als einmal vorgekommen, dass uns Einkäufer gesagt haben: Wir haben am oberen Limit der Skala ein Angebot abgegeben, und jetzt ist die Katastrophe da, wir haben den Zuschlag trotzdem bekommen. Deshalb gehen wir derzeit noch davon aus, dass das, was an Auftragsstau in den Büchern der Unternehmen noch vorhanden ist, den Bau noch gut durch die jetzige Zeit der Pandemie tragen wird, aber auch in die Zeit danach.
Die öffentlichen Haushalte sind in den kommenden Monaten arg geschröpft, aber auch Privatpersonen halten in der Krise das Geld eher zusammen, sagen aktuelle Statistiken. Sie sehen da also noch keine akute Gefahr?
Nein, aber wir haben im Blick, dass es möglicherweise mehr Pandemiewellen gibt. Unser Verhandlungsführer in den aktuellen Tarifverhandlungen hat bereits signalisiert, dass die IG Bau dieser Situation in einem neuen Tarifvertrag Rechnung tragen kann, zum Beispiel über eine kürzere Laufzeit des Tarifvertrages für zwölf Monate. Die Abschlusszyklen der Tarifverträge wurden in den vergangenen Jahren immer länger, meist auf Bestreben der Arbeitgeber. Jetzt könnten uns kürzere Tarifverträge helfen, kurzfristiger auf Änderungen in der Situation zu reagieren.