Mit acht Rennen in Europa startet die Formel 1 jetzt durch. Den Saisonauftakt 2020 macht der Grand Prix Österreich mit einem „Doppelschlag" am 5. und 12. Juli in Spielberg. Die WM-Läufe in der Steiermark sind Geisterrennen ohne Zuschauer.
Es ist vollbracht. Und für den Formel-1-Tross, wenn auch in abgespeckter Form, ist es prachtvoll. „Ich freue mich, die Autos auf der Strecke zu sehen und die Motoren zu hören", frohlockte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Nach sieben Monaten Rennabstinenz, davon dreieinhalb Monate Corona-Zwangspause (15. März bis 4. Juli), werden nach zehn abgesagten oder verschobenen Rennen die Piloten an den Start gehen. Der österreichischen Regierung und dem Gesundheitsministerium sei Dank. Sie haben das mehrfach geänderte Sicherheitskonzept der Veranstalter, vorgelegt von Red Bull, abgesegnet. Die Veranstalter hätten ein umfassendes, professionelles Sicherheitskonzept zur Unterbindung von Infektionen und Ausbreitungen vorgelegt, stellte das zuständige Bundesministerium in einer Pressemitteilung klar. Entscheidend seien die enge Abstimmung zwischen Veranstalter und regionalen und lokalen Gesundheitsbehörden gewesen. Als eine Art Chefvermittler zwischen Behörden, Promoter Red Bull und Formel 1 ist der Grazer Helmut Marko, Motorsportberater im Rennstall Red Bull, aufgetreten.
Und so wird das Sicherheitskonzept an den Rennwochenenden im steirischen Spielberg umgesetzt: War im Vorfeld der Verhandlungen noch von etwa 500 zugelassenen Zuschauern die Rede, so heißt es in der offiziellen Pressemitteilung: „Die beiden Formel-1-Rennen am Red-Bull-Ring in Spielberg finden ohne Zuschauerinnen/Zuschauer statt." Höchstens 2.000 Personen sollen bei der Veranstaltung im Murtal mitwirken. Die Rennställe dürfen maximal 80 Fachkräfte mit an die Strecke bringen, ein Drittel weniger als gewohnt. Das Haas-Team will seine Truppe auf nur 60 Mitarbeiter vor Ort begrenzen. „Umso weniger Personen, umso geringer die Gefahr", so die Meinung des Südtiroler Teamchefs Günther Steiner. Hinzu kommt das Personal an der Rennstrecke, samt Streckenposten (rund 350), Rettungskräften (rund 100 Personen), Sicherheitsdiensten, FIA-Offiziellen, Rennleitung, Funktionären, Mitgliedern der Reifen- und Motorenhersteller sowie das Personal der Rahmenserien Formel 3, Formel 2 und Porsche-Cup. Auf Marketing-Mitarbeiter, PR-Leute und VIP-Gäste wird man verzichten.
Die kleinste Gruppe des Formel-1-Trosses stellen die Journalisten. Ursprünglich sollten sie in Spielberg ausgeschlossen sein. Jetzt sind zehn Berichterstatter zugelassen. Der Automobil-Weltverband FIA hat sie nach Wichtigkeit der Agenturen wie Reuters, AFP, DPA, Fachmagazinen wie „Kicker", „Sport-Bild" und auflagenstärksten Zeitungen zusammengestellt. So berichtet es jedenfalls das Schweizer Motorsportportal „Speedweek". Die Medienvertreter sind im Pressezentrum, wo üblicherweise 350 bis 400 Pressevertreter vom Training und Grand Prix berichten, „gefangen". Den Auserwählten soll der Zugang ins Fahrerlager verwehrt bleiben, ausgerechnet dort, wo das Herz der Kommunikation schlägt. Die Medienrunden der Teams werden via Videokonferenzen abgehalten. Außerdem darf keiner dieser Journalisten in ein Hotel, in dem ein Team wohnt. Von den üblichen 230 Fernsehspezialisten dürfen nur 100 in die Steiermark einreisen.
Jedes Teammitglied muss vorab einen Corona-Test machen
Die Teams reisen laut Formel-1-Boss Chase Carey isoliert an, bevorzugt mit Charter-Maschinen. Teammitglieder bleiben nach ihrer Arbeit in ihrer Unterkunft. Der Transport vom Hotel zur Strecke und zurück werde überwacht. Gegessen wird in Gruppen und nicht wie bei den Europarennen in den monströsen Motorhomes. Diese „Paläste" bleiben bei den Geisterrennen zu Hause. Aber nicht nur, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Das Formel-1-Management plant, die beliebten Begegnungsstätten im Fahrerlager durch Pavillons zu ersetzen. „Sämtliche Teammitglieder müssen Maske tragen und Abstand halten, soweit das möglich ist. Beim Boxenstopp wird es nicht möglich sein", so Helmut Marko im Interview mit RTL. Jedes Teammitglied müsse vorab einen Corona-Test absolvieren und dürfe nur nach negativem Ergebnis nach Spielberg reisen. Außerdem soll alle zwei Tage jede Person im Fahrerlager getestet werden. Sollte am Red-Bull-Ring oder im Fahrerlager ein positiver Coronavirus-Fall auftreten, wäre die Veranstaltung laut Marko „nicht in Gefahr". In dieser Situation „kommt die infizierte Person in eine eigene Isolierstation und wird dort in Quarantäne weiter beobachtet". Wenn ein Fahrer infiziert ist, muss der Ersatzpilot ran. In dem 80 bis 90 Seiten starken Hygienekonzept der Formel 1 sind alle „strengen Richtlinien" beinhaltet, von der Anreise, der Übernachtung im Hotel, dem Verhalten an der Strecke, dem Essen und dem Verhalten auf der Toilette. Genug der Vorschriften, Benimmregeln und der Etikette.
In 63 Tagen Zwangspause, in der die eiligen heiligen Hallen ihre Tore geschlossen hatten, entspannten die kreativen Formel-1-Köpfe zu Hause bei der Familie und arbeiteten im Homeoffice. Allzu viel konnten sie bezüglich der Autos nicht bewegen. Die Entwicklung ist zwangsweise gestoppt worden. So werden wir beim ersten Rennen überwiegend die Autos sehen, wie sie beim Saisonstart in Australien hätten fahren sollen. Bisher durften die Fahrer ihre Dienstfahrzeuge Jahrgang 2020 nur bestaunen oder tätscheln. Um den Rost der Piloten abzuschütteln und sich an die neuen Abläufe unter ungewöhnlichen Bedingungen zu gewöhnen, haben Piloten einiger Teams Testfahrten mit zwei Jahre alten Formel-1-Autos bestritten. Die aktuellen Boliden dürfen erst in den Trainingssitzungen und im Rennen bewegt werden. Und alle Fahrer sind an diesem Spielberg-Wochenende ganz heiß darauf.
Erstmals in der Formel-1-Geschichte wird in einer Saison – und noch dazu innerhalb einer Woche – ein Doppel-Grand-Prix, also zwei Rennen am selben Ort, stattfinden. Am Sonntag, 5. Juli, heißt die Veranstaltung „Großer Preis von Österreich". Acht Tage später, am 12. Juli, wird gleich noch mal in Spielberg gefahren. Dieses zweite Spielberg-Rennen muss der Eigenständigkeit halber unter einem anderen Namen ausgefahren werden. Das Rennen heißt dann „Grand Prix der Steiermark". Am zeitlichen Ablauf der Rennen wird sich nichts ändern: Freitags (11 bis 12.30 Uhr und 15 bis 16.30 Uhr) finden zwei freie Trainings statt, am Samstag (12 bis 13 Uhr) ein weiteres einstündiges Training. Samstagnachmittag (15 Uhr) wird in der Qualifikation die Startaufstellung für das Rennen am Sonntag (15.10 Uhr) ermittelt. Vor dem Rennen wird es keine Fahrerparade geben, da keine Zuschauer vor Ort sind, und nach dem Rennen wird auf die Podiumszeremonie mit Pokalübergabe verzichtet.
Die F1-Macher planen weiter mit 15 bis 18 Rennen
Spielberg sind die ersten zwei von acht Europarennen, die im Kalender 2020 fix sind. Acht Rennen sind laut FIA-Reglement vorgeschrieben, um den Status einer Weltmeisterschaft zu erfüllen. Vorgeschrieben ist ebenfalls, dass die WM auf mindestens drei verschiedenen Kontinenten stattfinden müsse. 2020 wäre aber eine Ausnahme. Gibt’s keine Probleme beim Saisonauftakt, kann Spielberg der Türöffner für die weiteren Europa-Rennen im WM-Ersatzkalender sein. Nur sieben Tage nach dem zweiten Rennen in der Alpenrepublik steht der GP Ungarn (19. Juli) auf dem Programm. Nach drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden, dem sogenannten Triple Header, hat der Formel-1-Tross eine Woche Verschnaufpause. Es folgen die zwei Rennen in Silverstone, der GP Großbritannien (2. August) und der „GP zum 70-jährigen F1-Jubiläum" (9. August), gefolgt vom GP Spanien (16. August). Den Abschluss der Europa-Saison bilden der GP Belgien (Spa, 30. August) und der GP Italien (Monza, 6. September). Wie es danach weitergeht, stand bei Redaktionsschluss noch in den Sternen. Die Formel-1-Macher planen aber weiter mit 15 bis 18 Rennen. Endgültig abgesagt sind die Grands Prix von Aserbaidschan (Baku), Singapur und Japan (Suzuka). Hockenheim könnte eventuell als Ersatzrennen für „Plan B" infrage kommen. Noch keinen Plan für die nächste Saison 2021 hat Sebastian Vettel. Der Ferrari-Pilot und sein Rennstall gehen dann bekanntlich getrennte Wege.
Einen anderen Plan dagegen hat RTL. Der Kölner TV-Privatsender wird ab 2021 keine Formel-1-Rennen mehr übertragen und zum Ende dieser Saison aus der Königsklasse des Motorsports aussteigen. Diese Hammer-Nachricht ist für Millionen Zuschauer nur schwer zu verdauen. Ab 2021 wird der Bezahlsender Sky die Rennen übertragen. „Der Pay-TV-Sender hat sich die exklusiven Übertragungsrechte bis 2022 gesichert", heißt es in einer Pressemitteilung. Vier ausgewählte Rennen pro Saison werden für alle Zuschauer kostenfrei ausgestrahlt. Seit 1991 hatten die Kölner die Übertragungsrechte für Deutschland und zeigten alle Rennen live im frei empfangbaren Fernsehen (Free-TV). Nach drei Jahrzehnten ist jetzt Schluss. Als Grund für das Ende einer Ära erklärt RTL-Geschäftsführer Jörg Graf den Rückzug in einer Pressemitteilung: „Der Wettbewerb um die TV-Rechte hat sich verändert, den Markt teils überhitzt und damit den durchaus ambitionierten, dennoch wirtschaftlich vertretbaren Rahmen verlassen, den wir uns gesteckt haben." In der Mitteilung des Senders wird kritisiert, wie sehr die Bezahlsender den Preis in die Höhe treiben. Mit RTL und Sky gab es bislang in Deutschland sowohl das Angebot im Free-TV wie auch im Pay-TV. „Sowohl etablierte als auch neue, nationale und internationale Player überbieten sich gegenseitig im Bestreben, Premium-Sportrechte exklusiv ins Pay-TV zu führen", heißt es in der Aussendung. Als frei empfangbarer Sender wollte RTL bei diesem Spiel wohl nicht mehr mitmachen. Die Mediengruppe RTL werde ihren Fokus im Sport zukünftig auf den Fußball legen. „Wir werden uns nun mit aller Kraft, Leidenschaft und Freude auf den Fußball als TV-Sportart Nummer eins und unser vor Kurzem neu erworbenes Rechtepaket konzentrieren", so Geschäftsführer Graf. Das Paket umfasst neben den Länderspielen der Nationalmannschaft auch die Uefa Europa League und die neu geschaffene Uefa Europa Conference-League.