Ob Twitter oder Twitch: Donald Trump bekommt Kontra von den etablierten Social-Media-Plattformen. Die Folge: Trump-Unterstützer wandern in andere Kanäle ab. Einer davon ist der Kurznachrichtendienst Parler.
Ich bin stolz, @parler_app beizutreten", twitterte der republikanische Senator von Texas, Ted Cruz, kürzlich. Er erntete – wie üblich – Applaus von seinen Unterstützern und Häme von seinen Gegnern. Dass ein US-Senator auf möglichst vielen Social-Media-Kanälen zu Hause ist, gehört mittlerweile zum politischen Geschäft. Parler jedoch ist eine andere Hausnummer.
2018 gründeten John Matze und Jared Thomson die Kommunikationsplattform Parler in Henderson, Nevada. Beide, so schreiben sie auf der Website, nach „Erschöpfung durch mangelnde Transparenz in Bezug auf Big Tech, ideologische Unterdrückung und Missbrauch der Privatsphäre". Nachdem konservative politische Kommentatoren wie die Britin Katie Hopkins von Twitter Ende Juni wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen permanent gesperrt wurde, wanderte sie auf Parler ab. Andere folgten. Mit ihr seien 200.000 britische Accounts fast über Nacht hinzugekommen, sagt John Matze im Interview mit einem Lokalsender in San Diego. Gleichzeitig zog Twitter die Reißleine bei dem Account „Carpe Donktum", einer der profiliertesten Trump-Supporter des Kurznachrichtendienstes. Er hatte ein Bild gepostet, auf dem Trump scheinbar Journalisten und Kritiker tötet. Auch dieser Nutzer zog um zu Parler, ebenso ein Großteil seiner empörten Fangemeinde auf Twitter. Mittlerweile blickt Parler stolz auf prominente Namen, die sich neben Senator Cruz ebenfalls dort tummeln: Rudy Giuliani, Eric Trump, Trumps Kampagnenmanager Brad Parscale, der ultrarechte Radiomoderator Alex Jones. Auch die Trump-Kampagne selbst hat einen eigenen Account – lediglich der Präsident persönlich hat sich bislang nicht blicken lassen. Er kämpft damit, dass Twitter seinen Account mit Warnhinweisen auf Falschaussagen oder Hate Speech pflastert oder – im Falle des Streamingdienstes Twitch – gleich ganz gebannt hat. „Lone Warrior!", twitterte er kürzlich, beklatscht von der Fangemeinde.
„Ideologische Unterdrückung"
„Big Tech" ist mittlerweile zum Reizwort avanciert, weil die Silicon-Valley-Gemeinde, darunter Google, Apple, Twitter oder Facebook, für den konservativen Geschmack viel zu liberal eingestellt sind. Sie bleiben dennoch wichtig, vor allem im Wahlkampf. „Über die sozialen Medien wird vor allem Wahlwerbung flächendeckend verbreitet und zwar gezielter als dies bei den traditionellen Medien möglich wäre. Gleichzeitig ist es möglich, über soziale Medien potenzielle Wählerinnen und Wähler zu identifizieren und dann an diese gezielt Wahlwerbung oder Spendenaufrufe zu schicken", erklärt Prof. Dr. Simon Wendt vom Institute of English and American Studies der Goethe-Universität Frankfurt. Nicht umsonst ist Brad Parscale, Trumps Kampagnenmanager, von Hause aus Spezialist für Online-Kampagnen.
Droht damit eine Polarisierung von Onlinemedien, analog zu den traditionellen Fernsehsendern wie Fox News oder MSNBC? „Ich denke, dass man hier noch nicht von einer Polarisierung sprechen kann, da die großen Plattformen einfach zu dominant sind", glaubt Simon Wendt. „Allerdings werden die vermehrt angewendeten Einschränkungen bezüglich des Postens von Inhalt mittel- bis langfristig wohl tatsächlich zum Abwandern von speziell konservativen Usern hin zu anderen Anbietern führen, die dann tatsächlich genauso wie Fox News als Echokammern funktionieren werden. Ted Cruz’ Entscheidung zu Parler zu wechseln, könnte tatsächlich so einen Wandel einleiten. Die extreme Rechte ist diesen Schritt schon gegangen, aber deren Plattformen bleiben bisher marginal", so Wendt gegenüber FORUM. Es sei im Augenblick allerdings noch nicht abzusehen, wie schnell dieser Wandel stattfinden wird, da die Dominanz der Mainstream-Anbieter noch zu groß sei.