Eine Branche, die von Emotionen und Gastlichkeit lebt, wird durch Abstandsregeln vor neue Herausforderungen gestellt. Die Gastronomie hat es aktuell nicht leicht. Michael Petry, Betreiber des „Dorfbrunnens" in Altstadt, hat in vielen Berufsjahren schon einiges erlebt – die „neue Normalität" stellt aber auch ihn vor ungeahnte Probleme.
uf einigen Tischen klebt Absperrband. „So kennzeichnen wir die Tische, an denen keiner sitzen darf", erklärt Michael Petry. Der Restaurantbesitzer hat, so wie viele Kollegen in der Gastronomiebranche, viele Anforderungen zu erfüllen, um seinen Laden öffnen zu dürfen. „Ich bin jemand, der sich immer viele Gedanken um das macht, was in der Gastronomie passiert. Ich lebe und sterbe für meinen Beruf", sagt der gelernte Koch. Und aktuell, da gibt es einiges, über was Michael Petry sich Gedanken machen muss: „Eine wirklich lange Zeit der Perspektivlosigkeit liegt vor uns, durch die wir uns nun durchbeißen müssen. Denn volle Kneipen und Restaurants wird es so in der nächsten Zeit nicht mehr geben."
Seit 42 Jahren ist er in der Gastronomie tätig. Vor 32 Jahren erfüllte er sich schließlich den Traum vom eigenen Restaurant. Den charmanten „Dorfbrunnen" im Kirkeler Ortsteil Altstadt führt er seither mit seiner Ehefrau Gabi. „Wir wollen bodenständig bleiben und versuchen, ein gutes und anständiges Essen zu einem normalen Preis anzubieten", erklärt er. „Wir haben Gäste von überall her, die die Fahrt auf sich nehmen. Das freut uns natürlich." Umso wichtiger ist es für ihn, diesen auch in Corona-Zeiten einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen.
Seit dem 18. Mai dürfen Restaurants und Gaststätten im Saarland nach fast acht Wochen Schließung wieder öffnen. Allerdings nach strengen Richtlinien. „Das oberste Gebot ist nun, den Abstand zu wahren", sagt Petry. „Die Abstandsregelungen sind für mich daher eine der sinnvollsten Regelungen in der Corona-Krise." 1,5 Meter Abstand zwischen den Tischen und den daran bewirteten Gästen sind hierfür vorgeschrieben. „Wir haben daher im Moment ein besonderes Augenmerk auf kleinere Tische. Zweier- oder Vierergruppen, vereinzelt auch Sechser- oder Achtergruppen, aber dann wird es auch wieder eng. Das nimmt alles viel Platz weg, und wir müssen schauen, wie wir mit dem Platz hinkommen."
Regelungen, die besonders auch zulasten der Zwischenmenschlichkeit gehen. „Wir haben ja alle diese soziale Ader. Aber um diese Pandemie in den Griff zu bekommen, ist der Abstand notwendig", sagt Petry, der selbst gerne einmal an einem Tisch innehält und mit seinen Gästen redet. „Nähe ist in vielen Kneipen und Restaurants ein bewusstes Geschäftsprinzip. Wir wollen die Leute zusammenbringen und dass sie Kontakte knüpfen."
Abstandsregeln, Hygieneauflagen und Maskenpflicht
Aber nicht nur physisch wird dieses Konzept der Nähe erschwert. Bis vor wenigen Wochen herrschte eine strenge Maskenpflicht in saarländischen Gaststätten. Diese wurde nun gekippt. Eine gute Entscheidung, wie Michael Petry findet: „Ich finde die Maskenpflicht überall dort, wo Menschen dicht gedrängt sitzen oder stehen, sehr sinnvoll – das betrifft beispielsweise den Nahverkehr. In der Gastronomie aber können wir die Mindestabstände gut einhalten." Denn die Maskenpflicht behindere insbesondere eines: die Zwischenmenschlichkeit. „Ein ordentliches Gespräch mit einer Maske zu führen ist nahezu unmöglich. Das ist absolut emotionslos", betont der Gastronom. „Unsere Gäste machen gerne einmal einen Spaß und erwarten darauf natürlich auch eine Reaktion. Diese war aufgrund der Maske aber in keinster Weise zu bemerken. Das ist für die Gastlichkeit nicht unbedingt schön." Dabei ist Freundlichkeit in seinem Beruf unabdingbar.
Neben den Regeln im Umgang mit und zwischen den Gästen sind aber auch die Hygienevorschriften stark verschärft worden. „Natürlich ist es wichtig, diese Hygieneregeln einzuhalten, aber auch diese sind nicht förderlich für die Gastfreundschaft", so Petry. „Es ist schwierig, die Hygieneauflagen in der Gastronomie umzusetzen. Wir sind ein Restaurant und kein Krankenhaus. Wenn wir ständig damit beschäftigt sind, Sachen zu desinfizieren, stören wir damit die Leute am Nebentisch mit dem Desinfektionsmittel." Dennoch bemühe man sich, im „Dorfbrunnen" diese Regeln einzuhalten. Denn: „Was mir ganz wichtig ist, ist den Gästen Respekt zu zollen, die Angst vor einer Ansteckung haben. Das haben wir schon zu Beginn gesagt, als wir wieder öffnen durften." Damit sind nicht nur ältere und vorerkrankte Gäste gemeint, sondern auch Geschäftsleute und Selbstständige, die sich einen Krankheitsausfall nicht erlauben könnten. Viele seien zudem verunsichert und würden sich erst gar nicht aus dem Haus trauen: „Darunter leiden wir als Restaurantbetreiber genauso wie die Geschäfte des Einzelhandels."
Über was sich kaum ein Gast beschwere, das seien die Kontaktdatenblätter, die vor Ort ausgefüllt werden müssen. Um die Regelungen besser einhalten zu können, sind beispielsweise Tischreservierungen ein geeignetes Mittel. „Dann können wir frühzeitig planen, wie wir die Leute an den Tischen verteilen, aber auch, wie wir unser Personal einsetzen", sagt Petry. Planerische Mehrarbeit, die den beruflichen Alltag oft weiter erschwert. „Ich bin der Meinung, dass diese Beschlüsse von Menschen getroffen wurden, die von unserer beruflichen Praxis weit entfernt sind. Viele Dinge sind so einfach nicht umsetzbar", sagt der Restaurantchef. „Das Problem liegt auch darin, dass ein regelrechter Wettstreit zwischen den Länderchefs entstanden ist, die die Maßnahmen ‚in ihrem Bundesland‘ besser machen wollen, als der jeweils andere. Das schafft Verwirrung beim Bürger – auch bei unseren Gästen und uns als Gastronomen. Ich wäre froh, wenn wir da mehr Klarheit und Transparenz schaffen könnten." Dazu trage auch die Kommunikation mit den Behörden bei, die oft schwerfällig vonstattengehe: „Es sind keine Ansprechpartner da. Oft werden auch die Ämter viel zu spät benachrichtigt. Die Hauptinformationen ziehen wir selbst aus der Presse. Ich würde mir wünschen, dass dort vielleicht auch einmal eine Information vom Amt an die Unternehmer käme", betont Petry. „Es ist ganz wichtig, dass die Fehler der ersten Corona-Welle sich bei einer eventuellen erneuten Welle nicht wiederholen. Das heißt: Wir brauchen unmissverständliche Anordnungen, die wir von zentraler Stelle bekommen."
„Gastronomen sind ohnehin finanziell schwach aufgestellt"
Neben den Herausforderungen durch die neuen Maßnahmen und Regelungen macht aber auch die finanzielle Lage der Gastronomie zu schaffen. „Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband rechnet mit einer beispiellosen Pleitewelle. Und ganz ehrlich: Damit rechne ich auch", sagt Michael Petry. „Gastronomen sind ohnehin schon immer finanziell schwach aufgestellt, weil man eben auch immer wieder einiges investieren muss in diesem Job." Neben den Umsatzeinbrüchen seien auch die Hilfezahlungen von Bund und Land in einigen Fällen noch immer nicht ausgezahlt worden. „Wir selbst haben erst kürzlich den Landeszuschuss erhalten. Das zustehende Kurzarbeitergeld wurde meiner Frau zunächst abgelehnt und dann nach Widerspruch doch bewilligt", sagt er. Aber nicht nur die eigenen Finanzen machen ihm Sorge: „Wir arbeiten hier mit vielen Minijobbern, die auf die Einnahmen angewiesen sind. Nicht nur der feste Lohn, den sie hier bekommen, fehlt ihnen, sondern auch die Trinkgelder. Wir selbst haben Rücklagen über die Jahre bilden können, das konnten viele junge Menschen noch nicht. Und gerade diese brauchen finanzielle Hilfe." Eine politische Lösung für Minijobber sei daher dringend notwendig.
Aber dennoch ist dem Gastwirt eines wichtig zu betonen: „Ich denke, dass wir hier in Deutschland noch glimpflich davongekommen sind und dass unsere handelnden Politiker hier im Großen und Ganzen einen guten Job gemacht haben." Auch wenn manche Anordnungen „nicht von Beginn an einleuchtend" erschienen seien, so hätten viele sich als „gut und sinnvoll" entpuppt. „Abschließend werden wir wohl erst in zehn Jahren sagen können, ob die Beschlüsse effektiv waren."
Bis der Standard, der vor der Krise herrschte, annährend wieder erreicht sei, werde viel Zeit ins Land gehen. „Aber jede Krise ist auch eine Chance auf Veränderung", merkt Petry an – und hat auch ein konkretes Anliegen im Gepäck: „Wir stellen immer häufiger fest, dass viele Gäste das Vertrauen in die Gastronomie verloren haben. Teilweise weil sie enttäuscht wurden oder weil sie irgendwelche Skandale mitbekommen haben. Daher würde ich mir wünschen, es gäbe wieder ein Qualitätssiege." Früher, da sei es so geregelt gewesen, dass man sich nur dann Restaurant nennen konnte, wenn einer der Betreiber eine abgeschlossene Ausbildung in einem gastronomischen Bereich vorweisen konnte – also als Koch, Restaurantfachmann, Hotelkaufmann oder Ähnliches. „Das war sinnvoll, denn so konnte man auch in einer fremden Stadt sehen, wo man fachgerecht bedient wird. Heute kann jeder alles ein Restaurant nennen, das ist in meinen Augen der falsche Weg."
„Das Vertrauen in die Gastronomie haben viele verloren"
Mittlerweile gibt es diese sprachliche Unterscheidung nicht mehr. „Es ist ganz wichtig, besonders auch nach dieser Krise, Gästen wieder das Vertrauen zurückzubringen. Zum Beispiel mit einem Qualitätssiegel oder -logo, wie es auch einige Brauereien handhaben. Qualität kann man prüfen – und das kann man dem Kunden auch kenntlich machen." Sie selbst seien beispielsweise von der Bitburger Brauerei mit deren Qualitätslogo ausgestattet worden. „Dafür werden wir aber auch regelmäßig von der Brauerei kontrolliert."
Bis Michael Petry mit seinem Team wieder große Feste feiern kann, wird es wohl noch etwas dauern, den Mut aber hat er nicht aufgegeben: „Meinen Job würde ich auch heute nochmals erlernen. Ich sage immer: Wenn ihr einen Beruf erlernen wollt, in dem ihr eure Fähigkeiten oder eure Kreativität auf den Markt bringen könnt, dann werdet Fotograf oder Koch. Dieses überwältigende Gefühl, wenn der Laden hier voll ist und brummt, das ist es wert."