Alles sieht wieder ganz normal aus. Alles? Nicht ganz.
Es gibt sie noch, die Maskenpflicht. Zugegeben zunehmend weniger, und geht es nach einigen Plänen, demnächst gar nicht mehr. Die Erleichterung ist vielen anzumerken, sie ist sogar sichtbar. Deutschland zeigt wieder Gesicht.
Nur einige Widerspenstige zeigen sich hartnäckig, von der Kanzlerin bis zum saarländischen Ministerpräsidenten. Da hilft auch kein Hinweis auf die aktuellen Infektionszahlen.
Die Freiheit von Mund und Nase bricht sich Bahn. Menschen tragen wieder offenes Visier, wie es sich für eine offene Gesellschaft gehört.
Das Ganze hat nur einen kleinen Haken. Zu dieser Gesellschaft gehört eben auch das, was man Rücksichtnahme und Verantwortung nennt. Und die scheinen inzwischen ein trauriges Dasein am Kleiderhaken neben der abgehängten Maske zu fristen.
Eigentlich sollte inzwischen ausreichend gelernt sein, dass die Masken weniger uns, sondern vor allem die anderen schützen. Es scheint wie beim Lernen in der Schule: Kaum ist die Prüfung vorbei, ist alles, was dazu notwendigerweise zu lernen war, wie in Luft aufgelöst. Irgendwo dort muss dann auch die für unmöglich gehaltene Möglichkeit rumschweben, dass man vielleicht in eine zweite Prüfung muss. Und dass man all das schließlich nicht für die Schule, sondern fürs Leben gelernt hat, war ja ohnehin wohl nur eine Schutzbehauptung, um die ganze Quälerei durchzusetzen.
Leider ist das alles gar nicht so lustig. Ja, die Infektionszahlen haben eine erfreuliche Entwicklung genommen. Welchen Anteil die Maskenpflicht hatte, wird nie eindeutig beweisbar sein. Ihren Beitrag wird aber kein vernünftiger Mensch abstreiten können. Falls doch, kann ein Blick etwa in die USA helfen.
Die Maske, Symbol für die Krise, ist vor allem Symbol für die Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf andere. Und so absurd das klingt (wie vieles in der Krise): Gerade jetzt, bei gelockerten Regeln und in vermeintlicher Sicherheit, sind Masken und Abstand halten, wo immer die Situation das erfordert, sichtbarer Ausdruck für Verantwortung – oder Verantwortungslosigkeit. Das gilt so lange, bis ein sicherer Impfstoff verfügbar ist.
Ab dann können wir mit offenem Visier und ohne Maske über eine Impfpflicht streiten.