Burgen, Säulen, schaurige Gruften: In Deutschland gibt es unzählige Ruinen – Ergebnis von Kriegen, Unwettern, Zeitenwenden. Besucher begeben sich auf spannende Reisen in die Vergangenheit. Wir haben fünf Vorschläge.
Die Löwenburg in Kassel
Heute würde man romantisches Hideaway sagen – dem Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel diente die Löwenburg aber als Lustschloss. Hierhin zog er sich mit seiner Mätresse Karoline von Schlotheim zurück. Errichten ließ der spätere Kurfürst das barocke Schloss im Stil einer mittelalterlichen Ruine. Weithin als pseudoverfallene Burg sichtbar, hatten es Wilhelm und Karoline in den mit Gemälden, Tapisserien und Bronzen ausstaffierten Wohngemächern edel. Eine Rüstkammer wurde gebaut, eine Kapelle und eine Gruft, die Friedrich als letzte Ruhestätte bis heute nutzt. Die Löwenburg im Bergpark Wilhelmshöhe wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt – und damit zur Ruinen-Ruine. 2005 begannen die noch laufenden Arbeiten zur Wiederherstellung, die den Zugang zu den Wohnräumen beschränkt. Bei Führungen können aber Rüstkammer und Kapelle betreten werden, sobald das Schloss nach der coronabedingten Schließung wieder öffnet. Ganz in der Nähe des Lustschlosses liegen auch das Schloss Wilhelmshöhe und das Wahrzeichen Kassels: die Kupferstatue von Herkules. (www.museum-kassel.de)
Ruinenberg Potsdam
Man kann geblendet sein von der Schönheit Sanssoucis, dem von der Unesco geadelten „preußischen Versailles" in Potsdam. Doch gleich gegenüber des Rokoko-Sommersitzes von Friedrich dem Großen gibt es noch was zu sehen: Auf einem Hügel ließ der Monarch 1748 ein Rundbecken bauen, das eine Fontaine im Park Sanssoucis bewässern sollte. Doch es gab Probleme mit dem Wasserdruck. Der Wind wehte nicht stetig genug, um die Windmühlen anzutreiben, die das Havelwasser herbeipumpen sollten. Friedrich ließ den 74 Meter hohen Hügel einer damaligen Mode mit dem Hang zur Antike folgend umgestalten. Es entstanden noch heute in ihrer Zusammenstellung bizarr anmutende künstliche Ruinen: römische Säulen, ein Rundtempel, die Wand eines römischen Theaters. Später kam als Stilbruch der Normannenturm hinzu, der heute auf dem Ruinenberg wieder als Aussichtsturm dient. Der Ausblick auf das Schloss und den vom berühmten Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné angelegten Park ist wunderschön. (www.potsdam-park-sanssouci.de)
Heidelberger Schloss
„Aus einer schwellenden Woge leuchtend grünen Laubwerks erhebt sich (…) die gewaltige Ruine des Heidelberger Schlosses mit leeren Fensterbögen, efeugepanzerten Zinnen, verwitterten Türmen (…) verlassen, entthront, sturmgepeitscht, aber noch immer fürstlich und schön." So nahm Mark Twain das ruinöse Bauwerk wahr, als er 1878 das Neckartal erkundete. Das Wahrzeichen Heidelbergs, einst aus rotem Sandstein der Gegend über einen Zeitraum von rund 300 Jahren erbaut, thront über der Altstadt am Nordhang des Königstuhls. 80 Meter über dem Talgrund genießen Touristen den Blick wie einst die Kurfürsten von der Pfalz, denen das Schloss über Jahrhunderte als Residenz diente. Zerstört wurde der Prachtbau im Pfälzischen Erbfolgekrieg ab 1689, mit dem Ludwig XIV. Frankreichs Vormachtstellung in Europa weiter festigte. Heute gilt das Schloss, dessen Restaurierung nach einem Blitzeinschlag mit anschließendem Brand irgendwann im 18. Jahrhundert aufgegeben wurde, als Deutschlands bekannteste Ruine. Beigetragen zur Popularität haben vor Twain andere bekannte Besucher wie Goethe und Hölderlin. (www.schloss-heidelberg.de)
Kaiserpfalzruine Kaiserswerth
Es muss ein Schauspiel sondergleichen gewesen sein, als Kaiser Friedrich I. ab dem Jahr 1174 riesige Quader Vulkangesteins vom Drachenfels im Siebengebirge über rund 100 Rheinkilometer flussabwärts transportieren ließ. Dort, im Norden des heutigen Düsseldorf, ließ Barbarossa auf der Rheininsel Kaiserswerth (Insel auf Altdeutsch: „werth") eine Burg zur monumentalen Festung ausbauen, um an der Kreuzung zweier wichtiger Handelswege den Rheinzoll einzutreiben. Noch heute prägen die Mauerreste das flussseitige Antlitz des Stadtteils Kaiserswerth, und bei Dunkelheit werden sie hübsch beleuchtet. Bis zu 4,5 Meter dicke Mauern sind erhalten, in den Ritzen wuchert das Gras. 50 Meter ist das Bollwerk immer noch breit, obwohl es bei mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen beschädigt und schließlich 1702 durch den Düsseldorfer Kurfürst Jan Wellem gesprengt und über lange Zeit als Steinbruch genutzt wurde. Dabei galt die Kaiserpfalz lange als uneinnehmbar, doch mit einem Trick gelang es dem Grafen Adolf V. von Berg, der Düsseldorf im 13. Jahrhundert die Stadtrechte verlieh, die Festung zu knacken: Er legte den Rheinarm östlich der Insel trocken und konnte sie auf dem Landweg einnehmen. So schwer haben es Besucher heute nicht mehr. Führungen werden auf Anfrage veranstaltet. (www.kaiserpfalz-kaiserswerth.de)
Kloster und Burg Oybin
Caspar David Friedrich war nicht der Erste. Sein Ölgemälde „Huttens Grab" von 1823, für das er sich von den Ruinen auf dem Oybin inspirieren ließ, kann im Weimarer Schlossmuseum besichtigt werden. Noch vor Friedrich war es der Maler Johann Alexander Thiele, der die schaurigen Ruinen im Zittauer Gebirge für die Kunst wiederentdeckte. Die heutige Gemeinde Oybin liegt zwei Autostunden südöstlich von Dresden an der Grenze zu Tschechien. Vom Ortskern aus kann man auf den Berg wandern. Noch immer stellen Maler ihre Staffelei dort auf, wo im Spätmittelalter des 14. Jahrhunderts die stadtfremden Cölestinermönche im Kloster und Karl IV. als gottesfürchtiger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen im Wohnturm der Burg einträchtig koresidierten. Erschlossen wurde der Berg Oybin aber schon weit früher. Erste Befestigungen gehen auf die Bronzezeit rund um das 1100 v. Chr. zurück. Die Reformation setzte dem Klosterleben ein Ende, 1577 sorgte ein Blitzschlag für große Schäden, rund 100 Jahre später zerstörte ein Felsabriss weitere Bauten. Erst 1992 begannen Sanierungsarbeiten. Eingerichtet wurde ein Geschichtswanderpfad mit 31 Stationen, für den man zwei bis drei Stunden benötigt. (www.burgundkloster-oybin.com)