Deutschland ist ein Land der Experten. Fußballexperten gibt es zig Millionen, was sich grob an TV-Zuschauerquoten und Besuchszahlen der Stadien hochrechnen lässt. Jedenfalls eine höchst beachtliche Zahl von Menschen, die sich um Mannschaftsaufstellungen, Spieltaktiken und Schiedsrichterentscheidungen die Köpfe heiß diskutieren.
Das alles ist aber noch relativ bescheiden im Vergleich zu Schuldiskussionen. In Sachen Schule dürfte die Zahl der Experten nicht allzu weit unter 100 Prozent der Bevölkerung liegen. Selbst sonst eher Distanzierte haben aus Corona-Erfahrungen ihre Zurückhaltung ziemlich aufgegeben und diskutieren um neue Normalitäten im Zeichen von Hygiene und Laptop. Das klingt nicht nur holpriger als das bayrische „Lederhose und Laptop", das ist es auch.
Ungeahnt viel Geld steht seit Corona für Digitalisierung der Schulen und digitales Lernen zur Verfügung. Schulbuchausleihen werden zu Medienausleihen mit Tablet-Ausgabe, Lehrer werden fortgebildet, technischer Support organisiert, über Datenschutz verhandelt. Da ist gar von einem Quantensprung in die digitale Bildung die Rede, wo vieles wie eine Aufholjagd in Sachen Technisierung aussieht.
Nur was bringt die ganze Aufrüstung ohne pädagogische Konzepte? Nicht, dass es die nicht schon an einigen Stellen gebe. Aber auch da ist vieles Neuland. Es geht um deutlich Grundsätzlicheres als nur eine funktionierende Technik. Wo die gesellschaftliche und politische Diskussion fast noch in den Kinderschuhen steht, haben Konzerne das Thema längst besetzt. Ihre Stiftungen haben sich im Forum Bildung Digitalisierung längst versammelt, „um gemeinsam den digitalen Wandel im Bildungsbereich zu gestalten". Was eigentlich Aufgabe von Politik und Gesellschaft insgesamt sein müsste.
Der Digitalisierungsschub wird zwangsläufig erhebliche Paradigmenwechsel nach sich ziehen. Eine Ahnung davon gibt das Forschungsprojekt an der Uni Saarbrücken unter dem Kürzel „CLEVER". Ziel ist eine Software, die Lerninhalte für Schulen und Unternehmen automatisch entwickelt. Wobei der Lehrer aus Vorschlägen der Software auswählen darf. Noch?
Die „neue Normalität" wird für Schulen jedenfalls tatsächlich neu – ein „normal" im Sinne, dass es zumindest nicht viel anders als früher ist, wird es nicht geben können. Zeit für die vielen Experten, sich um das künftige „Wie" einzumischen.