Es geht um den ersten Haushalt der EU der 27. Das Vereinigte Königreich ist raus, damit gibt es einen Nettozahler weniger – aber gleichzeitig keinen Mangel an zusätzlichen Herausforderungen.
Es ist der größte Haushaltsentwurf, der für die EU jemals auf dem Tisch gelegen hat. Über eine Billion, genau 1.078 Milliarden Euro, sollen der EU für ihre Kernaufgaben im mehrjährigen Haushalt (2021 bis 2027) zur Verfügung stehen. Für die sieben Jahre zuvor waren rund 960 Milliarden vorgesehen. Zusätzlich haben sich die Staats- und Regierungschefs auf 750 Milliarden Corona-Hilfen verständigt.
Die über eine Billion Euro im Haushalt ist zwar eine gewaltige Summe, bedeutet aber umgerechnet auf den Zeitrahmen ein jährliches Budget von lediglich rund 150 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshalt hat im vergangenen Jahr (also zu „Normalzeiten") fast 360 Milliarden betragen. In diesem Jahr sind im Zuge der Pandemie Nachtragshaushalte von zusammen knapp 220 Milliarden verabschiedet worden.
In Brüssel gab es nach dem mehrtägigen Mammutverhandlungen zwar große Erleichterung, überhaupt Einigungen in diesem Umfang geschafft zu haben, wer aber nach dem über 90-stündigen Verhandlungsmarathon aufatmete, hatte die Rechnung ohne das Europäische Parlament (EP) gemacht. Denn in den vielfach als „historisch" gewerteten Beschlüssen steckt nach wie vor viel Zündstoff für politische Auseinandersetzungen, entschieden ist noch nichts.
Er freue sich zwar über die Einigung, wird Manfred Weber, Fraktionschef der CVP, der christdemokratischen Volksparteien im EP zitiert, aber nicht über den „Deal". Neben der Mehrheitsfraktion äußersten sich auch die sozialdemokratischen und liberalen Fraktionen im Europäischen Parlament ganz ähnlich. Die Abgeordneten wollen geplante Kürzungen nicht hinnehmen.
Parlament lehnt Kürzungen ab
Denn der mehrjährige Haushalt ist zwar im Gesamtvolumen der bislang umfangreichste, sieht aber dennoch Kürzungen in einer Reihe von Bereichen vor.
Wenig Verständnis zeigten die Abgeordneten bei der ersten Diskussion im Parlament über die Gipfelbeschlüsse vor allem zu aus ihrer Sicht essenziellen Zukunftbereichen. Für das europäische Forschungsprogramm „Horizon Europa" sind von den avisierten 100 Milliarden lediglich drei Viertel (76 Milliarden) vorgesehen, auch beim erfolgreichen Studierendenprogramm „Erasmus" seien Nachbesserungen erforderlich. Dasselbe gelte trotz Green Deal auch für die Klimapolitik.
Und es geht um ein Politikum, das einem großen Teil der Europaparlamentarier besonders wichtig ist: ein Rechtstaatsmechanismus. Das bedeutet, dass die Auszahlung von Geldern an Mitgliedsstaaten gekürzt werden könnte, wenn die zentrale Rechtsstaatsprinzipien der Union missachten oder aushöhlen, Stichworte hier sind beispielsweise unabhängige Justiz oder Presse- und Meinungsfreiheit. Das war zwar auch Thema beim Gipfel, allerdings konnten sich die Staats- und Regierungschefs, darunter auch die aus Ungarn und Polen, die in diesen Fragen besonders im Blick stehen, nur auf eine vergleichsweise unverbindliche Formulierung verständigen.
Der Streit um den Haushalt hat zwar, wie überall, Tradition. Tatsächlich aber diesmal eine andere Dimension. Das Wort „historisch" ist durchaus begründet. Erstmals ein Haushalt mit einem Mitglied weniger, die Sondersituation Corona, vor allem die globale Herausforderung, die sich durch die Pandemie noch einmal verschärft hat. Die Rahmen sind jetzt abgesteckt, innerhalb derer in den nächsten Wochen und Monaten – unter deutscher Ratspräsidentschaft – um Prioritäten gerungen wird.