Erkennbar bleiben

„Autofahren mit Maske ist strafbar"

Für Autofahrer gilt das Verhüllungsverbot. Sie müssen erkennbar bleiben. Das widerspricht der Maskenpflicht in geschlossenen Räumen. Ein Konflikt.

Herr Müller, in geschlossenen Räumen herrscht wegen Corona in der Regel eine Maskenpflicht – somit auch in Fahrzeugen und auch für den Fahrer. Wie verträgt sich das mit dem Verhüllungsverbot in der Straßenverkehrsordnung?

Schlecht. In der Straßenverkehrsordnung heißt es: „Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist." Ausgenommen davon sind die Motorradfahrer, die zu ihrem Schutz verpflichtet sind, einen Helm zu tragen. Das Verhüllungsverbot soll die Identifizierung von Verkehrssündern erleichtern und verhindern, dass eine bei einem Verkehrsverstoß fotografierte oder gefilmte Person nicht als Fahrzeugführer identifiziert werden kann.

Trotzdem gilt derzeit Maskenpflicht etwa beim praktischen Fahrschulunterricht und der praktischen Fahrprüfung in den meisten Bundesländern.

Das ist verfassungswidrig. Ein Bundesland darf nicht einfach das Verhüllungsverbot für bestimmte Berufsgruppen aufheben. Das darf nur der Bund.

Aber hilft das Maskentragen nicht, das Infektionsrisiko zu senken, wenn Menschen auf so engem Raum zusammensitzen wie bei einer Fahrstunde?

Dass es aus medizinischen Gründen sinnvoll ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Natürlich ist bei Fahrlehrern und -schülern das Abstandsgebot nicht gewährleistet. Es muss ein Weg gefunden werden, beides zu vereinbaren. Der Fahrlehrer kann eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

Ist das nicht ein unglaublicher bürokratischer Aufwand, wenn jeder einzelne Fahrlehrer eine Ausnahmegenehmigung beantragt?

Ein Bundesland darf zwar nicht das Verhüllungsverbot aufheben. Wohl aber eine generelle Ausnahmegenehmigung für bestimmte Berufsgruppen erteilen. Das ist letztendlich weniger bürokratisch, aber was die Straßenverkehrsordnung betrifft der richtige Weg.

Warum ist das der richtige Weg?

Eine Aushebelung des Verhüllungsverbotes führt zu weniger Rechtssicherheit. Jeder meint dann fahren zu können, wie er will. Hauptsache, er wird nicht erwischt. Und weil wir in Deutschland keine Halterhaftung haben, das heißt, der Fahrzeughalter haftet, müssen die Verfahren auch bei schweren Verstößen eingestellt werden. Denn es gibt keine Rechtsgrundlage, den Verkehrssünder zu bestrafen, wenn man ihn nicht identifizieren kann.

Haben Autofahrer denn bereits Masken missbräuchlich benutzt?

Ja, natürlich. Ich habe eine Reihe von Meldungen aus Leipzig erhalten, wo Fahrer geblitzt und nicht erkannt wurden. Das wird sicher in ganz Deutschland so sein. Wir kennen dieses Phänomen auch aus der Fastnachtzeit. Uns liegen Tausende fotografisch dokumentierte Fälle vor, in denen Geschwindigkeitsverstöße durch Personen mit Karnevalsmasken begangen wurden. Es sind derzeit aber gar nicht so viele Menschen mit Masken im Auto unterwegs. Im privaten Bereich sind es höchstens fünf Prozent.

Wer muss denn im Auto ver­pflichtend eine Maske tragen?

Derzeit nur Personen, die von Berufs wegen am Steuer eines Kraftfahrzeuges Personen befördern, wie etwa Bus-, Taxi- oder Krankenwagenfahrer.

Wie sieht es in privaten Situationen aus? Wenn mich ein Freund freundlicherweise zum Baumarkt oder zum Arzt fährt und zu meinem und seinem Schutz eine Maske trägt, macht er sich dadurch strafbar?

Ja. Ein Autofahrer dürfte ohne Ausnahmegenehmigung keine Maske aufsetzen. Das Verhüllungsverbot verbietet jegliches Verhüllen des Gesichts im Straßenverkehr. Der Verstoß wird mit einem Bußgeld von 60 Euro geahndet. Man darf aber im Prinzip immer eine Genehmigung beantragen, wenn dieses aus medizinischen Gründen sinnvoll ist.

Wie groß ist die Chance, eine solche Ausnahmegenehmigung zu er­halten?

Es ist eine Frage der Begründung. Wer etwa regelmäßig Kinder zum Sportverein oder Senioren zum Arzt fährt, hat gute Chancen, sie zu bekommen. Aber auch, wer eine Maske tragen darf, sollte sich bemühen, identifizierbar zu sein. Sodass trotz Mund- Nasenschutz wichtige Gesichtsmerkmale wie etwa das Kinn und die Augenpartie erkennbar bleiben.

Und wie sieht es mit einer Sonnenbrille aus? Die minimiert ja auch die Erkennbarkeit von Personen.

Das Tragen einer Sonnenbrille darf nicht verboten werden. Hier muss der Staat hinnehmen, dass nicht alle erkennbar sind. Interview: Daniela Noack

Zur Person

Prof. Dr. Dieter Müller ist Vorsitzender des juristischen Beirats des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR). Der Hochschullehrer für Straßenverkehrsrecht an der Hochschule der sächsischen Polizei arbeitet außerdem für das Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten (IVV) in Bad Dürrenberg.