Als erstes Bundesland hat das Saarland eine repräsentativen Antikörperstudie gestartet. Virologen vom Uniklinikum Homburg und das saarländische Gesundheitsministerium erhoffen sich Erkenntnisse über die wirkliche Verbreitung des Virus in der Bevölkerung.
Ausgerechnet das kleinste Flächenbundesland gab vor Kurzem den Startschuss für die erste repräsentative saarlandweite Coronavirus-Antikörper-Prävalenzstudie, kurz SaarCoPS. 2.300 Saarländerinnen und Saarländer sollen in nächster Zeit auf mögliche Antikörper gegen das neuartige Coronavirus getestet werden. Erklärtes Ziel der Studie ist es, herauszufinden, wie viele Saarländer ohne ihr Wissen bereits Antikörper gegen das Virus gebildet haben. Daraus sollen Rückschlüsse gezogen werden, wie stark sich das Virus im Saarland verbreitet hat und wie hoch die Rate der bislang unentdeckten Infektionen ist. Insbesondere bei jenen Saarländern, die keine oder nur leichte Symptome verspürt haben.
Geleitet wird die wissenschaftliche Studie von der Direktorin des Instituts für Virologie am Homburger Uniklinikum und Medizin-Professorin der Saar-Universität, Prof. Dr. Sigrun Smola, gemeinsam mit dem saarländischen Gesundheitsministerium, das für das Forschungsprojekt rund 280.000 Euro bereitstellt. Das Institut für Virologie führt die Studie als staatliche Medizinaluntersuchungsstelle des Saarlandes durch und ist in dieser Funktion auch für den öffentlichen Gesundheitsdienst zuständig. Soll heißen: In Corona-Zeiten, und nicht nur dann, untersucht das Institut auch Proben für die Gesundheitsämter des Saarlandes. Aller Voraussicht nach soll die Studie zwölf Monate nach Beginn enden, doch es besteht die Option, eine Follow-up-Studie für weitere 24 Monate anzuhängen.
Da das Virologen-Team um Prof. Smola gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und weiteren Partnern zu einem frühen Zeitpunkt ein eigenes Konzept für eine repräsentative Antikörperstudie erarbeitet hat, konnte es sich folglich an keiner vergleichbaren Vorgänger-Studie orientieren. „Wir testen nicht nur in einer Stadt oder mehreren Städten, sondern in der Fläche eines gesamten Bundeslandes. Damit hat unsere Antikörperstudie ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Smola. Auch fiel relativ frühzeitig die Entscheidung, mehrere Antikörpertests in der Studie zu verwenden.
Studie mit Alleinstellungsmerkmal
Zuerst werden 5.000 Saarländer vom Studiensekretariat am Institut für Virologie angeschrieben und gebeten, freiwillig an der Antikörperstudie teilzunehmen. In dem Schreiben finden sich allgemeine Informationen sowie ein Aufklärungsschreiben zu Studie und Blutentnahme, Teilnahmebedingungen und Datenschutzbestimmungen sowie ein Fragebogen. Auf Letzterem sollen unter anderem Daten zur Person, zum persönlichen Umfeld, Hygieneverhalten und zu Vorerkrankungen mit Covid-19 angegeben werden. Dabei betonen die Verantwortlichen, dass die Auswertung in jedem Fall pseudonymisiert erfolgt, das heißt, jedem Teilnehmer wird ein Code zugewiesen, sodass Blutprobe und Fragebogen einander ohne Namen zugeordnet werden können.
Eine dem Anschreiben beiliegende Saarland-Karte informiert darüber, welche Arztpraxen im Saarland eine Blutentnahme vornehmen dürfen und in Wohnortnähe liegen. Zuvor konnte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im Saarland als Kooperationspartner ins Boot geholt werden, die ihrerseits intern einen Aufruf startete und saarlandweit mehr als 25 Arztpraxen auswählte. „Wichtig ist, dass der ausgefüllte Fragebogen zusammen mit der Einwilligungserklärung und dem Barcode für die Blutentnahme in die Arztpraxis mitgebracht oder zuvor der Fragebogen online ausgefüllt wird. Ist der Fragebogen online ausgefüllt worden, muss man den Bestätigungscode mitbringen", erläutert die Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie das Prozedere. Sobald das Ergebnis der Bluttests vorliegt, erfahren die Teilnehmer so zeitnah wie möglich, ob sie Antikörper im Blut gebildet haben.
Denkbar ist aber auch das folgende Szenario: „Es kann in einzelnen Fällen sein, dass man jetzt negativ auf Antikörper getestet wird, auch wenn man ein positives Abstrichergebnis hatte", erklärt Smola. Bereits eine Vorstudie zur Aussagekraft verschiedener Antikörpertests der Virologie des Universitätsklinikums zeigte, dass sich bei manchen Personen keine Antikörper nachweisen lassen, zum Beispiel wenn sie immunsupprimiert sind.
Komplexe Studie für komplizierte Fragen
Bei einigen Infizierten mit mildem oder asymptomatischen Krankheitsverlauf waren Antikörper zunächst nachweisbar, die Antikörperspiegel sind jedoch im Verlauf wieder abgesunken, „Das heißt, die Nachbildung der Antikörper versiegt möglicherweise bei diesen Patienten irgendwann, und sie sind dann nicht mehr messbar. Was wir allerdings noch nicht wissen, ist die Antwort auf die Frage, ob dennoch ein Immungedächtnis aufgebaut wird", sagt die Virologin. Um darüber belastbare Aussagen zu treffen, müssten erst andere Untersuchungen abgeschlossen werden.
Im Idealfall könnte die Studie auch Erhellendes über mögliche Ansteckungsquellen im Saarland liefern. Genauer gesagt, könnten dadurch die Infektions-Hotspots lokalisiert und die Verbreitungswege des Virus nachverfolgt werden. „Das wäre ein denkbares Resultat, aber zuerst müssen wir unsere Ergebnisse abwarten", sagt Smola. Letztlich hänge alles davon ab, was die Untersuchungen ergeben und inwieweit die Fragebogen Aufschluss über mögliche Ansteckungsquellen geben.
Im Vorfeld der eigentlichen Studie untersuchten die Unikinik-Virologen, ob die Antikörpertests auf vier endemische Coronaviren, die schon lange in der Winterzeit als Erkältungsviren grassieren, eine Kreuzreaktion zeigen. „Die Frage war: Können die neuen Antikörpertests kreuzreagieren und solche Antikörper mit erfassen, die eigentlich gegen endemische Coronaviren gebildet werden", so Smola. Dafür zog man lange vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie eingefrorene Seren von Personen heran, die sich in der Vergangenheit mit einer der vier endemischen Coronaviren infiziert hatten. Anhand dieser Seren untersuchten die Forscher am Uniklinikum Kreuzreaktionen. Letzten Endes konnten dadurch wichtige Erkenntnisse über die Sensitivität und Spezifität der Antikörpertests gewonnen werden. So kennen die Virologen die Tests nun noch besser, was ihnen wiederum dabei hilft, die Ergebnisse der aktuellen Antikörperstudie richtig zu bewerten.