Der Kampf gegen die Masern-Impfpflicht ist zwar verloren gegangen. Der nächste Kampf steht aber bereits ins Haus. Impfgegner rüsten sich gegen eine aus ihrer Sicht drohende Zwangsimpfung gegen Corona.
Ich habe ein gesundes Kind und ich soll es jetzt per amtlich angeordneter Impfung krankmachen lassen, um es so vor einer möglichen Erkrankung zu schützen. Das ist doch total bekloppt", ereifert sich Miri bei einer Anti-Corona-Demonstration in Berlin. „Mit Vorsatz krankmachen, um dann gesund zu bleiben", das leuchtet der 22-Jährigen partout nicht ein. Sie ist extra aus Rudolstadt in Thüringen an einem Samstagnachmittag nach Berlin gereist, um ihrem Frust Luft zu machen. Fotografieren lässt Miri sich nicht, aus Angst, die Fotos könnten bei der „Impfpolizei" landen.
Die Demo Mitte Juni ging eigentlich gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen, die Vorschriften und Verbote. Doch anlassbezogen haben sich reichlich viele Impfgegner vor dem Hauptgebäude des Robert-Koch-Instituts im Stadtbezirk Wedding versammelt. Denn aus dem RKI kommen ja auch die Vorgaben für die Impfungen. Die demonstrierenden Impfgegner haben Angst, Corona werde ausgenutzt, um eine Impfpflicht durchzusetzen. Miri ist nicht allein. An ihrer Seite ist Katharina M., Mutter von zwei Kindern, die allerdings beide geimpft sind.
„Damals waren wir vom Bewusstsein nicht so weit, dass wir auf Impfungen verzichtet hätten. Die Panikmache, vor allem in den Medien, war zu groß. Doch gerade jetzt in den Corona-Zeiten erkenne ich schon, wohin die Reise geht: Flächendeckende Zwangsimpfung." Auch die 52-Jährige vermutet dahinter die Interessen der Pharmalobby, denn „mit einem Impfstoff gegen Corona ließe sich viel Geld verdienen. Gift in den Körper spritzen und die Krankenkasse zahlt das auch noch, das geht gar nicht." Die Umstehenden nicken einverständlich mit dem Kopf. Gerade in der aktuellen Debatte um einen Corona-Impfstoff ist man sich da einig. Ein älterer Herr, vermutlich Mitte 60, mischt sich in das Gespräch der beiden Frauen ein. Auch er hat Kinder großgezogen, die wurden noch geimpft, „doch meine Enkel sind alle nicht geimpft, meine Tochter lehnt das schon aus religiösen Gründen ab", erzählt der Herr aus Hessen. Welcher Konfession er angehört, will er nicht preisgeben. An der Kette, die er um seinen Hals trägt, hängt ein Kreuz.
Krankmachen, um dann gesund zu bleiben?
„Es ist eine Unart geworden, dass wir Menschen immer glauben, wir müssten dem Herrn in sein Werk pfuschen, indem wir versuchen, mit Giften unseren Körper unsterblich machen zu können. Aber es gibt kein Recht auf Unsterblichkeit", berichtet der Mann weiter, dass seine Tochter auch keine Antibabypille zur Verhütung nehme, denn auch dies sei ja nicht im Sinne des Herrn. Die umstehenden sind offensichtlich tief beeindruckt, auch Katharina M. zollt dem Mann ihren Respekt, „doch soweit würde ich jetzt für mich nicht gehen, ich bin da eher ein rationaler, liberaler Mensch. Jeder soll machen, wie er das für richtig hält. Wer will, lässt sich halt impfen." Doch für die zweifache Mutter kann es nicht angehen, dass benachteiligt wird, wer sich beziehungsweise seine Kinder, nicht impfen lässt. Zum Beispiel, dass sie nicht in die Kita dürfen.
Seit dem 1. März dieses Jahres besteht eine Nachweispflicht über Masern-Impfung, wenn ein Kind in einen Kindergarten oder eine Schule geht. Das Bundesgesundheitsministerium teilt mit: „Das Gesetz sieht vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten, die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen. Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind, wie Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal (wenn sie nach 1970 geboren sind). Auch Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft nachweisen."
Für Miri, Katharina, den älteren Herrn aus Hessen und die übrigen auf der Demo ist das genau der „Impfterror", gegen den sie an diesen Samstag in Berlin demonstrieren. „Da gibt es jetzt in ganz Deutschland Eltern, die ihre Kinder nicht in die Krippe oder den Kindergarten schicken können, weil diese nicht geimpft sind. Das kann es doch nicht sein", schimpft die 22-Jährige aus Thüringen. Auf Nachfrage, wie sie das hinbekommen hat, dass ihre Tochter ohne Impfschutz trotzdem in den Kindergarten gehen kann, kommt heraus, dass sie sich von ihrem Kinderarzt eine Bescheinigung besorgt hat, dass ihre Tochter unter einer seltenen Dysfunktion leidet und den Masern-Impfstoff nicht verträgt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Geht es um Gesundheit oder um den Profit?
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) will auf Nachfrage dazu keine Stellung beziehen. Auch bei der Masern-Impfpflicht gibt es also Ausnahmen. Doch insgesamt zieht der BVKJ drei Monate nach Inkrafttreten der Masernimpfpflicht zumindest für Berlin eine positive Bilanz. Es gebe einen „positiven Effekt" für die Impfquoten. „Einige Eltern, die sich bisher gesträubt haben zu impfen, nehmen es jetzt zähneknirschend hin", so der Sprecher des Berufsverbands Jakob Maske. Demnach sei ein Großteil der Eltern auch einfach froh über die Erinnerung an die zweite Impfung, die zum Schutz vor der hochansteckenden Krankheit empfohlen wird.
Diese positive Bilanz des ersten Vierteljahres verwundert nicht, denn der BVKJ hat seit Jahren eine Impfpflicht gefordert. Katharina M. sieht sich in ihren Befürchtungen nur bestätigt. „Jetzt geht es nicht mehr nur um Masern, jetzt geht es um unsere gesundheitliche Zukunft. Ist erst mal ein Corona-Impfstoff da, wird dieser ebenfalls durch die Hintertür zur Pflichtimpfung, egal welche Nebenwirkungen er hat." Die Befürchtung ist, dass jeder, der ins Theater, ins Fußballstadion oder mit dem Flugzeug fliegen will, einen Corona-Impfnachweis vorzeigen muss. Ähnliche Befürchtungen gab es schon bei der Einführung der Corona-App für die Smartphones, die die meisten Impfgegner ebenfalls rigoros ablehnen. „Auch hier gab es Überlegungen, dass man nur noch in die Clubs oder Kneipen darf, wenn man die App geladen hat", weiß Miri aus Thüringen zu berichten.
Längst sind Impfpflicht und entsprechende Warn-Apps zu einem wahren Glaubenskrieg geworden, und die Gegner sind sich sicher, der größte Kampf steht ihnen noch ins Haus, wenn der Corona-Impfstoff erst mal auf dem Markt ist. „Doch die zukünftige Diskussion wird sich nicht nur darum drehen, welche gesundheitlichen Nebenwirkungen der neue Corona-Impfstoff haben wird und ob diese im Verhältnis zum Schutz der Menschen stehen", so der ältere Herr aus Hessen. „Die reichen Industriestaaten werden ihre Bevölkerung zum Impfen zwingen, wenn die Menschen am öffentlichen Leben teilhaben wollen. Doch was ist mit den Schwellenländern, was ist mit Afrika? Die werden sich den Impfstoff finanziell nicht leisten können. Das zeigt doch schon die ganze Verlogenheit bei der Geschichte, es geht nicht um Gesundheit, es geht um Profit."
Bereits für Mitte September ist eine weitere Demonstration in Berlin vor dem Bundesgesundheitsministerium geplant, und die Impfgegner sind wild entschlossen, weiter zu kämpfen.