Malta mausert sich zum heimlichen Star unter den beliebtesten Filmschauplätzen. Egal ob „Game of Thrones“, „Troja“ oder „Mord im Orient-Express“: Sie alle wurden auf dem Archipel gedreht, der mit beeindruckenden Küsten, spektakulären Landschaften und historischen Stätten aufwartet – und mit ganz speziellen Wassertanks.
Steinig ist der Weg und für maltesische Verhältnisse durchaus steil, rechts und links nur karge Landschaft. Mark Sonsone erinnert sich noch gut, welcher Kraftakt es war, dieses spezielle Vehikel hier hinauf zu schaffen. „Aber Regisseure kommen ja manchmal auf merkwürdige Ideen“, bemerkt der 43-Jährige, „dann sagen sie Dir einfach: Ich will ein Wikingerschiff in diesem Tal haben!“ Das „Tal“ ist die Dwejra Bay auf Gozo, der kleinen Nachbarinsel Maltas, und der Regisseur heißt Michael „Bully“ Herbig. 2009 drehte der Deutsche in der Bucht mit den dramatischen Felsformationen und dem tiefblauen Wasser Szenen seines Kinofilms „Wickie und die starken Männer“ – inklusive ausgewachsener Wikingergaleere. Als Location Manager war Mark Sonsone dafür zuständig, dass vor Ort alles glatt lief. Wenn zwei Kilometer entfernt ein Hund bellt, erntet er böse Blicke. Lärmbelästigungen jeglicher Art sind bei der abgeschiedenen Lage der Dwejra Bay, die sonst nur von Wanderern und Tauchern aufgesucht wird, jedoch unwahrscheinlich. Problematisch war da eher etwas anderes: Während der Dreharbeiten hatte Sonsone sein „Büro“ in dem alten Wachturm der Johanniterritter, der seit gut 250 Jahren die malerische Bucht überblickt. „Es war der einzige Ort, an dem ich eine halbwegs brauchbare Internetverbindung hatte“, erzählt er grinsend. Wenn er nicht gerade auf Wunsch eines Regisseurs das Unmögliche versucht, arbeitet er als Kletterlehrer. Doch das macht er immer seltener, denn das Filmgeschäft boomt.
„Wir haben 300 Sonnentage im Jahr“
Maltas steiler Aufstieg als gefragter Drehort begann 1963. Damals entwickelten Jim Hole, ein britischer Experte für Spezialeffekte, und Paul Avellino, ein junger maltesischer Bauleiter, einen flachen Wassertank: 90 Meter breit und geschützt gegen Gezeiten und stürmisches Wetter. Optisch verschmilzt der Tank nahtlos mit dem klaren Horizont – so lässt sich leicht die Illusion schaffen, dass eine Szene auf dem offenen Meer spielt. „Auch Unterwasser-Sequenzen sind in diesem Tank möglich. Wir können ganze Schiffe versenken“, erklärt Malcolm Scerri-Ferrante. Der 47-Jährige arbeitet als Produktionsmanager bei PCP, einem der großen Filmdienstleister der Insel. Kein Wunder also, dass sein erstes Projekt ein „Wasserfilm“ war: der deutsche Thriller „Der Skipper“ mit Jürgen Prochnow. Auch Tom Hanks ging auf Malta buchstäblich „baden“. Neun Wochen dauerten die Dreharbeiten zu „Captain Phillips“. Ein Film, der auf der tatsächlichen Entführung des Handelskapitäns Richard Phillips durch somalische Piraten im Indischen Ozean beruht. Doch auch wenn viele Produzenten sich zunächst allein aufgrund des Wassertanks für Malta als Drehort entschieden, so blieben die anderen Vorteile des Mittelmeer-Archipels nicht lange unentdeckt. „Im Wesentlichen gibt es drei Gründe, warum Filmteams die Maltesischen Inseln so lieben“, sagt Martin Morana, der an diesem Tag Besucher durch die Hauptstadt Valletta führt. „Zum einen ist es das Klima: Wir haben 300 Sonnentage im Jahr. Dann sind da die niedrigen Produktionskosten und die Tatsache, dass Malta für viele andere Orte steht. Unsere Kulissen können Nordafrika genauso darstellen wie den Golf von Mexiko.“ Als Steven Spielberg 2005 „München“ drehte, nutzte er Malta, um sieben verschiedene Länder am Mittelmeer und im Nahen Osten darzustellen. Regisseur Wolfgang Petersen fand auf den Maltesischen Inseln das ideale Setting für sein Antikenepos „Troja“ und Ridley Scott die passende Umgebung, um Russell Crowe als „Gladiator“ in die Arena zu schicken. Wer hoch über Valletta die Upper Barracca Gardens besucht, einen Teil der durch die Johanniterritter im 16. Jahrhundert errichteten Stadtbefestigung, der hat von dort einen grandiosen Blick auf den Grand Harbour. Natürlich stand auch der Hafen schon einige Male vor der Kamera: Etwa 2002, als er für die Neuverfilmung des „Graf von Monte Cristo“ als Marseille herhalten musste.
Die Filmleute bauten kurzerhand ein Hotel
Tatsächlich könnte Malta irgendwann Identitätsprobleme bekommen, denn in gut 100 internationalen Filmproduktionen hat es bereits 20 verschiedene Länder dargestellt. Selten darf Malta einfach nur Malta sein. Eine Ausnahme bildete 1988 der Actionstreifen „Black Eagle“, in dem ein amerikanisches Flugzeug mit neuem Laser-Lenk-System vor Malta ins Meer stürzt und Jean-Claude van Damme einen brutalen KGB-Mann spielt, der sich mit dem CIA einen Wettlauf um die Bergung der hochmodernen Waffe liefert. Martin Morana erinnert sich noch gut an die Dreharbeiten. In der Strait Street, die mit ihren vielen Seemannskneipen und Striptease-Lokalen einst die sündige Meile Vallettas war, erzählt er: „Hier an dieser Stelle wurde eine wilde Verfolgungsjagd gedreht, in der Jean-Claude van Damme von Dach zu Dach einmal quer über die Straße springt. Ein Freund von mir war der Stuntman, der ihn dabei gedoubelt hat.“ Es gehört zu den für die Malteser angenehmen Nebeneffekten der Filmproduktionen, dass sie gute Jobs mit sich bringen – sei es als Kulissenbauer, Location-Scouts, Produktionshelfer, Komparsen oder Fahrer. John Rafalo etwa, der ein Fuhrunternehmen auf Gozo betreibt, macht keinen Hehl daraus, wie lukrativ Fahrdienste für Stars wie Joaquin Phoenix oder Brad Pitt und Angelina Jolie sind: „In den sechs Drehmonaten für Gladiator habe ich so viel verdient wie sonst in anderthalb Jahren normalen Taxifahrens.“ Auch Strandbar-Betreiber Noel Vella denkt gern an die Dreharbeiten von Brangelinas Ehe-Drama „By the Sea“ zurück. Darin spielt Pitt einen Hemingway-Verschnitt, der mit Alkohol versucht, seine Schreibblockade zu überwinden, während Jolie die unnahbare Gattin gibt, die aus unbekannten Gründen trauert. Das Setting: Ein Hotel an einer einsamen Bucht im Südfrankreich der 60er-Jahre. Nur, dass Südfrankreich mal wieder in Malta lag – auf der Nachbarinsel Gozo, um genau zu sein. Dort führt eine schmale Holperstraße zur malerischen Mgarr-ix-Xini-Bucht. Auf die Klippen bauten die Filmleute kurzerhand das benötigte Hotel. Noel Vellas Strandbar, das einzige Gebäude an der Bucht, wurde flugs in einen Tante-Emma-Laden verwandelt, in dem Pitt seiner Angetrauten morgens frisches Baguette kauft. Den Tresen, den die Filmleute für den Laden gebaut hatten, hat Vella kurzerhand behalten, genauso wie die Regale, in denen Obst-und Gemüsekisten lagerten. Heute ziert ihn ein Foto von Angelina Jolie, auf dem die Widmung „Mit Liebe“ steht. „Drei Monate musste ich schließen. In der Zeit habe ich meinen ersten Urlaub seit 1979 gemacht“, erzählt Vella und fügt lachend hinzu: „Ich hab die beiden bekniet, dass sie den zweiten Teil des Films auch bei uns drehen.“ Die Wahrscheinlichkeit dürfte nicht allzu groß sein – „By the Sea“ war ein ziemlicher Flop. An den traumhaften maltesischen Drehorten lag es aber gewiss nicht.