Die gebürtige Hessin Sandra Claassen hat sich als Botschafterin für nachhaltigen Tourismus ihren Lebenstraum erfüllt. Mit ihrer Reiseagentur Elela Africa widmet sich die 49-Jährige dem Schutz von Wildtieren.
Vorläufig und mit schwerem Herzen kam Sandra Claassen, Fachfrau für nachhaltigen Tourismus, mit einem der letzten Flieger vor dem Lockdown in Südafrika nach Deutschland zurück. In Kapstadt hat sich Claassen mit ihrer Reiseagentur Elela Africa den lang ersehnten Berufswunsch erfüllt: Menschen und Natur wieder in Einklang zu bringen. Die Wildtiere und das Ökosystem lagen der Diplom-Ökonomin schon immer am Herzen. Ein Jahr Auszeit rund um die Welt bestätigte ihr nur noch, was sie schon lange wusste: Sich da engagieren, wo Arten vom Aussterben bedroht sind und wo es Menschen gibt, die mehr verdienen als Fotoobjekte für Touristen zu sein. In Südafrika konnte sie all diese Wünsche umsetzen. Die Marke Elela Africa steht für gelebten Ökotourismus und für Reisende, die Safari einmal ganz anders erleben wollen: Gemeinsame Tierbeobachtungen Seite an Seite mit Wildhütern, Zählen der Tiere auf den Pirschfahrten oder das Tracken von Wildkatzen mit dem GPS zur Beobachtung und wichtigen Datengewinnung. Runterkommen vom hektischen Leben, hin zur Natur. „Back to Nature“ – das war schon immer das Mantra von Sandra Claassen gewesen.
Als Reiseunternehmerin ist auch Sandra Claassen von der aktuellen Krise betroffen: „Wir haben derzeit natürlich keine Einnahmen, aber wir freuen uns, dass die meisten unserer Kunden ihre Reise nicht storniert, sondern auf das nächste Jahr verschoben haben.“ Das junge Unternehmen könne es überdauern, aber sie weiß, dass das Ausbleiben der Touristen durch Covid-19 in Afrika zur Katastrophe werden kann. „Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern schafft der nachhaltige Tourismus wichtige Arbeitsplätze und hilft so, die Armut zu lindern.“ In Südafrika herrscht eine der härtesten Ausgangssperren, und zahlreiche Menschen haben bereits ihre Jobs verloren. „Da hängen auch immer ganze Familien mit dran. Oder sogar Dorfgemeinschaften, die durch den Tourismus Einnahmen erzielten. Schon jetzt stehen die Menschen über Kilometer an, um Lebensmittelpakete von Hilfsorganisationen zu bekommen“, erklärt die 49-Jährige.
Ihr Herz gehört den Wildtieren. Genau wie Naturschützer auch fürchtet Claassen, dass die bereits bestehende Wilderei weiter ansteigen wird – sei es, um die Familien mit Fleisch zu ernähren oder um für den illegalen Handel mit dem begehrten Nashorn oder Elfenbein hohe Erlöse zu erzielen. Der skrupellose Handel hält an, und die Ausgangssperren lähmen wichtige Gegenmaßnahmen.
Sie erzählt, dass die Rhino 011 zur Rettung verletzter oder verwaister Nashörner in Südafrika in der ersten Woche der Ausgangssperre fast täglich gerufen wurde. Neun Nashörner fielen der Wilderei allein in dieser kurzen Zeit zum Opfer. Im benachbarten Botswana wurden laut Angaben von Rhino Conservation Botswana bereits sechs Nashörner gewildert. Somit gehören auch diese vom Aussterben bedrohten Tiere zu den Opfern der weltweiten Corona-Pandemie.
Die kleinste Spende kann helfen
„Die Wilderei von Nashörnern ist zwar nicht ungewöhnlich in Afrika, aber alle diese Fälle traten in Gebieten auf, wo üblicherweise Touristen auf Safari gehen und sich die Tiere vor dem Corona-Ausbruch sicher fühlen konnten. Je mehr Menschen präsent sind, desto schwieriger ist es für die Wilderer. Neben dem monetären Aspekt ist gerade die Anwesenheit der Safari-Gäste ein wichtiger Beitrag für den Artenschutz“, betont Claassen. Verbunden sind diese Gedanken immer auch mit dem Schutz der dort lebenden Menschen. Denn Artenschutz gelingt nur gemeinsam mit den Einheimischen.
Lodges und Hotels als Beispiel für nachhaltigen Tourismus sind auch in Südafrika derzeit für Besucher geschlossen, aber die Arbeit „hinter den Kulissen“ für Tier und Mensch geht weiter, erzählt Claassen. Lodges schaffen in der fragilen Welt der unterschiedlichen Ethnien nicht nur wichtige Arbeitsplätz für die umliegenden Volksgruppen, sondern fördern mit eigenen Stiftungen Bildung und Aufklärung in der Bevölkerung. Eine Übernachtung im Zulu-Dorf? Das gefällt den Gästen, denn so bekommen sie einen Einblick in die jeweilige Kultur der Menschen. Und die Familie bekommt ein regelmäßiges Einkommen und erkennt so den Wert ihrer Umgebung und den jedes lebendigen Wildtieres. Denn dafür kommen die Touristen. „Bis kurz vor Ausbruch der Pandemie gingen immer wieder Bewerbungen für weitere so genannte Home Stays in dem kleinen Zuludorf ein“, ergänzt Claassen. „Die Menschen haben erkannt, wie sie dadurch Einkommen für sich und ihre Familien generieren können und unterstützen damit den Schutz der bedrohten Wildtiere.“ Soll das jetzt alles vorbei sein? Claassen schüttelt den Kopf. „Egal, was kommt, aber die Effekte des nachhaltigen Tourismus werden auch weiterhin Früchte tragen. Das Wissen, durch Tourismus ein besseres Leben führen zu können, geht nicht verloren“. Aber es ist nun wichtig, dass auch Südafrika seine strenge Ausgangssperre lockert und Reisen wieder erlaubt, damit die Hotelindustrie als wichtige Arbeitgeber eine Chance haben und es auf dem bereits gebeutelten Kontinent nicht zu einer Hungersnot kommt. In der Zwischenzeit versucht Sandra Claassen, Aufmerksamkeit für die dramatische Situation in Südafrika zu schaffen: „Wenn wir einen Blick auf die kilometerlangen Schlangen hungernder Menschen für Essensausgaben in Afrika werfen, wird unser Leiden in Deutschland plötzlich völlig nichtig.“ Denn Afrika braucht dringend Hilfe und viele der Lodges haben zu Spendenaktionen aufgerufen, um auch in der Krise weitermachen zu können mit ihrer wichtigen Arbeit für Mensch und Tier. „Mit einer noch so kleinen Spende können wir alle den Menschen in Afrika helfen und unsere geliebte Safari-Welt für eine Reise nach Corona schützen“, erklärt Claassen.
Und diejenigen, denen die Zeit bis zur nächsten Reise in die Wildnis Afrikas zu lang wird, können sich auf eine spannende Safari in den heimischen Wäldern freuen. Denn die gebürtige Hessin ist bereits auf den Spuren von alternativen Konzepten für nachhaltige Naturreisen in ihrer deutschen Heimat.