Lang sind sie, diese Listen. Meist säuberlich sortiert nach Oberpunkten mit vielen Bindestrichen. Es geht ja schließlich um Einiges: Geregelter Unterricht, gerechte Bildungschancen, individuelle Förderung, Sicherheit und Gesundheit von Kindern und Lehrpersonal. Was schon zu Normalzeiten an Sisyphos den Steineschlepper erinnert, gerät jetzt zur Herkulesaufgabe. (Die kleine mythologische Referenz an die Altphilologen musste jetzt sein).
Den Verantwortlichen auf allen Ebenen darf getrost unterstellt werden, den ungewöhnlichsten Schuljahresbeginn verantwortbar vorzubereiten. Dass dies nicht an allen Ecken und Enden mit deutscher Perfektion gelingen kann, liegt zum Teil auch an den Situa-tionen, die schon in der Vor-Corona-Ära Anlass zum Dauerärgernis waren.
Viele Forderungen von heute waren auch damals schon berechtigt.
Die Sorge, ob alles funktioniert, ist nachvollziehbar, schließlich ist der Schulstart auch ein Risiko. Und Risiken mögen wir bekanntlich gar nicht. Was wird nicht gerade im Umfeld von Schulen (und Kitas und Kindergärten) alles getan, um möglichst jedes erdenkliche Risiko auszuschließen. Und kaum scheint ein Risiko einigermaßen gebannt, lauert garantiert ein weiteres. „Die Sorgen wachsen mit der Vorsorge", stellt der Philosoph Rüdiger Safranski fest. Logisch, dass sich da immer noch bei allen Maßnahmen Listen zusätzlicher Forderungen ganz schnell füllen. Viele davon sicher mit guter Berechtigung. Aber selbst wenn sie umgesetzt würden: Die Listen würden nicht wirklich schrumpfen.
Dieser Schulstart ist ein kalkulierter Umgang mit einer gewissen Risikoeintrittswahrscheinlichkeit. Die wird bleiben, solange es keinen Impfstoff gibt. Und dann würde das Risiko nur mit einer Impflicht signifikant sinken können. Aber wer will schon das Risiko eingehen, sein Kind vorsätzlich mit einem Virus infizieren zu lassen?
Verantwortung für Risikominimierung haben auch Eltern, als Vorbilder, und das im gesamten Alltag. Wie es darum bestellt ist, kann jeder selbst besichtigen. Wenn an Schulen höhere Anforderungen gestellt werden als man im Alltag selbst einzuhalten bereit ist, wird das Kind am Ende kirre, weil es nicht weiß, was denn nun gilt. Als würde es nicht ohnehin schon in einer Welt aufwachsen, die kirre genug machen kann.