Sacha Baumann und Marc Florsch betreiben das „La Charrue d’Or" in Saargemünd. Mit ihren exquisiten Speisen und Weinen erinnern sie an die besten Zeiten des Restaurants mit dem klangvollen Namen.
Saargemünd liegt knapp 20 Kilometer südlich von Saarbrücken. Eine Grenzstadt, die sich nicht nur im Sommer schön rausgeputzt präsentiert. Bei vielen meiner Besuche entdeckte ich hier schon oft Überraschendes. Etwa, wenn man von der Bliesmündung weiter an dem Fluss entlangspaziert und auf Spuren der Vergangenheit trifft. Denn: Saargemünd war mal eine bedeutende Stadt für die Keramikproduktion. Belege dafür kann man so finden. Aber auch im Zentrum, rund um die Fußgängerzone, habe ich schon Interessantes, mir oft Unbekanntes, entdeckt. Und das Beste: Von der Saarbrücker Innenstadt kann man grenzüberschreitend mit der Saarbahn nach Saargemünd fahren.
Vor Kurzem war ich nach vielen Jahren wieder mal im „La Charrue d‘Or". Dieses Restaurant mit dem großen Namen betreiben jetzt zwei sehr ambitionierte Fachleute: Sacha Baumann und Marc Florsch. Der 42-jährige Sacha Baumann erzählte mir zu seinem beruflichen Lebensweg: „Seit ich jung war, habe ich immer gerne gekocht! Ich habe die gutbürgerliche Küche von meinem Vater gelernt. Er war ein sehr guter Hobbykoch. Von ihm hätte mancher Profi noch etwas lernen können. Er konnte viele alte Rezepte der Großmutter noch kochen. Im Garten zu Hause baute er Gemüse an. Und kochte eine Küche der Jahreszeiten. Ich bin in seiner Küche groß geworden. So bekam ich Spaß an Essen und Kochen."
Mit 15 Jahren begann er seine Ausbildung zum Koch im Sternerestaurant „Auberge Saint Walfrid". Danach ging er nach Bliesbruck in den Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. Er fing dort in einer Brasserie an, kaufte sie sogar und blieb bis 2005. Im Winter war dort nicht viel los, und man schloss das Restaurant. In dieser Zeit ging Sacha zurück in die „Auberge Saint Walfrid". Dieses Wechselspiel machte er fast zehn Jahre. Doch irgendwann hatte er die Schnauze voll. Denn die Oberen der Politik und Verwaltung des Départements Moselle meinten, für die Gäste des Kulturparks müssten mehr Pizza, Sandwiches und Burger angeboten werden.
Die beiden haben sich auf Anhieb gut verstanden
Also 2005 zurück zur „Auberge Saint Walfrid". Dort arbeitete er zusammen mit Marc Florsch, mit dem er sich von der ersten Sekunde an gut verstand. Im Jahr 2008 entschlossen sich die beiden, das ehrwürdige Haus, nur ein paar Schritte vom Saargemünder Bahnhof entfernt, zu übernehmen. Sie haben mittlerweile eine treue und zufriedene Kundschaft. Dies liest man auch in den sozialen Medien. Die Gäste kommen mittags aus den umliegenden Büros und Geschäften. Abends und am Wochenende speisen hier dann Familien oder man trifft sich im Freundeskreis. Sacha Baumann ist Maître Restaurateur. Doch diese staatliche Auszeichnung, auf Deutsch etwa „Meistergastronom", ist auch an strenge Regeln gebunden! Sacha Baumann erklärte es mir ganz genau: „Ich muss im Restaurant alles frisch kochen. Man darf etwa beim Nachtisch kein Dessert kaufen. Sondern frisch selber machen! Ich darf kein tiefgekühltes Fleisch oder Fisch kaufen."
Marc Florsch ist das Gesicht des Hauses. Er begleitet die Gäste während ihres Aufenthaltes. Das macht er ganz hervorragend, vor allem mit seinem Lieblingsthema: Wein. Auch er wurde geprägt von der „Auberge Saint Walfrid". Dort hatten sie eine große Weinkarte, und Marc lernte viel. Die Beiden arbeiteten unter dem heutigen Chef, Stephane Schneider, aber auch noch unter dessen Vater, Kochlegende Jean-Claude Schneider. Seine Berufsschule absolvierte Marc Florsch in Freyming-Merlebach. Dort war einer seiner Lehrer, Monsieur Cruisseau, ein absoluter Weinspezialist. Er stammte aus der Vendée und brachte seinen Eleven alles zum Thema Wein bei und dass alle Regionen Frankreichs über spezielle Weine verfügen und man diese kennen sollte.
Französische Weine sollte man kennen
Seit der Übernahme des Traditionsrestaurants „La Charrue d’Or" hat Marc Florsch seine Vorstellungen einer besonderen Weinkarte umgesetzt. Er erklärte mir seine Philosophie: „Weine aus allen Regionen, natürlich aus der Moselle und dem Elsass. Weniger aus Bordeaux, obwohl ich die Weine von dort sehr mag. Doch wir haben so interessante Regionen in Frankreich, etwa Languedoc-Rousillion, Rhône, Loire und viele andere kleine Appellationen. Alle zwei, drei Jahre fahre ich mit dem Wohnmobil los, um neue Weine zu entdecken. Ich war da schon in ganz besonderen Regionen."
Dann geht es an den Tisch, und Marc Florsch serviert den ersten Gang. „Parmentier mit Schnecken an Rotweinsauce". Delikat. Bitte genauso weiter! Dazu trinke ich einen Muscat von Ruhlmann-Dirringer aus dem pittoresken elsässischen Weindorf Dambach-la-ville. Marc meinte dazu: „Das ist ein kleines, aber feines Weingut. Sie beliefern uns selbst. Sie haben auch noch andere gute Sorten, etwa Pinot gris, Gewürztraminer, und sie machen auch einen wunderschönen Pinot noir, der heißt „Fleur de Roche" (Felsenblume). Natürlich auch den Klassiker: Riesling Grand Cru Frankstein. Eher trocken und mineralisch, ein wunderschöner Riesling."
Die Vorspeise war Salade gourmande mit geräucherter Entenbrust, gebratener Entenleber, hausgemachter Entenleberpastete und für meine Begleitung Rotbarschtatar, mariniert mit Olivenöl und Zitrone. Marc erklärte uns viel über den Weißwein, einen Côtes du Rhône von der Domaine Delubac. Danach gab es Dorschfilet, Risotto und Bioerbsensauce. Dazu gab es einen weißen Corbières. Man merkt: Dieser Mann möchte einem die besonderen Tropfen jeder Region näherbringen. Dazu braucht man allerdings ein großes Fachwissen, worüber Marc Florsch zweifelsfrei verfügt. Als Hauptgang gab es Reh aus der Region. Geschossen wurde es etwas südlich von Saargemünd, in den Wäldern um Herbitzheim. Sacha Baumann sagte mir dazu: „Ich liebe es, Wild zuzubereiten. Ich arbeite mit Wild seit meiner Lehrzeit. Wir haben hier in unserer Region so viele tolle Tiere. Ob Reh, Wildschweine oder auch Wildente, wenn ich sie bekomme!"
Zum Reh passt auch mal ein Weißer
Ich spürte die Begeisterung der Beiden, wie sie für ihre Philosophie des Kochens und Trinkens brennen. Zum Reh gab es einen Burgunder aus Santenay, von Françoise und Denis Clair. Clair? Ich kenne und liebe Bruno Clair. Ich war auch schon auf seinem Weingut in Santenay. Auf meine Frage, ob dieses Ehepaar Verwandtschaft sei, meinte Marc lächelnd: „Ja." Warum wir diesen Wein zum Reh trinken, erklärte er ebenfalls: „Ich empfehle diesen Wein, roter Burgunder aus Santenay. Pinot noir, Jahrgang 2015. Die Leute meinen immer, zu Wild passt ein kräftiger Rotwein. Doch Sacha kocht ganz zartes Fleisch, da braucht man keinen kräftigen Rotwein. Es war ein Fest, dieses Essen nach vielen Jahren, in diesem Haus mit dem klingenden Namen. Danach gab es noch Sorbets der Saison, etwa Himbeere, Erdbeere sowie Rhabarber, und Erdbeersuppe mit Frischkäse.
Nach meinem Besuch merkte ich, welche Wellen der Name „La Charrue d‘Or" bei vielen älteren Saarländerinnen und Saarländern noch heute schlägt. Man muss es so sagen: Viele Deutsche haben in diesem Haus so ab 1960 die französische Esskultur entdeckt. Und das lag an einem Mann: Charles Hermann. Ich fand im Haus eine alte Karte aus den 1960er-Jahren und war schier erstaunt, was sie damals alles dort auf den Tisch zauberten. Ich weiß nicht, wie sie das hinbekommen haben. Dass die Deutschen dort in großer Anzahl verkehrten, sieht man auf der Rückseite der Karte: Dort leuchtet der Name „Becker Bier". Erni Schneider, damals Marketingchef von „Becker Bier", hatte das, wie vieles andere, hinbekommen. Respekt!
Monsieur Hermann betrieb zunächst in Metz ein Feinschmecker-Restaurant am Bahnhof. Anfang der 1950er-Jahre kam er nach Saargemünd, wo er bis zu seiner Rente, um 1980, das „La Charrue d’Or" betrieb und berühmt machte. Vor Kurzem war ich mit Professor Peter Theiss auf einem Jazzkonzert am Kulturbahnhof. Als ich ihm von meinem Besuch in Saargemünd erzählte, bekam sein Gesicht einen magischen Ausdruck. „Das war das beste Restaurant weit und breit damals. Meine Eltern liebten es so sehr, dass sie jeden Samstag hinfuhren. Dort lernte ich die große französische Küche kennen!" Ein Haus voller Emotionen, auch andere Bekannte erzählten mir von ihren Jugenderinnerungen.
Es ist ein Haus voller Emotionen
Und eines darf auch nicht unerwähnt bleiben: Einer der berühmtesten Köche Frankreichs ging hier bei Charles Hermann in die Lehre: Michel Roth aus Hambach. Er hat in Frankreich alle Preise abgeräumt, die man kriegen kann. Er ist ein Weltstar mittlerweile. Begonnen hat für ihn 1974 alles hier, als er seine Ausbildung begann. Er wurde auch gleich bester Lehrling Frankreichs. Und mit einem Brief von Charles Hermann stürmte er Paris und begann seine unglaubliche Karriere. Die Ironie der Geschichte: Sein Chef, Monsieur Hermann, kam vom Metzer Bahnhofsrestaurant nach Saargemünd. Wer betreibt dieses Restaurant heute? Richtig, Michel Roth. Dort traf ich ihn auch vor ein paar Wochen. Und er erzählte mir vom heutigen „La Charrue d’Or" und dass ich über dieses Haus mal schreiben solle. Chef, habe ich gemacht!