Minos Gouras hat während der Vorbereitung beim 1. FC Saarbrücken erste Akzente gesetzt. Der 22-jährige Neuzugang von Astoria Walldorf ist ein Wunschspieler von Trainer Lukas Kwasniok.
In der griechischen Mythologie war Minos ein König der griechischen Insel Kreta, heutzutage einem beliebten Reiseziel der Deutschen. Die Realität des 22-jährigen Minos Gouras spielt sich dagegen zwischen Rödersheim-Gronau und Saarbrücken ab. Es sind zwei Welten des jungen Mannes, die unterschiedlicher kaum sein könnten. In der 2900-Einwohner-Gemeinde in der Westpfalz ist Minos als der „Sohn vom Chef" bekannt. Seine Eltern betreiben dort seit 1981 ein deutsch-griechisches Restaurant mit dem Namen „Zwiwwel", und Minos ist als Arbeitskraft fest eingeplant. „Wenn ich zu Hause bin, dann arbeite ich dort als Kellner. Das ist doch ganz selbstverständlich, meine Eltern haben mir gezeigt, was Arbeit bedeutet."
Auf der anderen Seite ist Minos Gouras ein talentierter Fußballer, der seine besten Jahre noch vor sich hat. Kurz vor Trainingsstart wurde der Linksaußen von Astoria Walldorf verpflichtet, dort hatte er bis zur Corona-Pause sieben Tore erzielt und neun Treffer vorbereitet. Schon da stand fest, dass er mit dem Kapitel „Feierabendfußball" abschließen und ein Engagement als Vollzeitprofi suchen würde. „In Walldorf kamen maximal 500 Zuschauer zu einem Heimspiel, in Saarbrücken waren so viele beim ersten Training. Das ist eine absolute Umstellung gewesen, ein brutal gutes Gefühl", sagt Gouras. Der 22-Jährige hat ein einnehmendes Wesen. Strahlende Augen, lebhafte Gesten. Ein Junge, den man sofort ins Herz schließen muss. „Ehrlich, bodenständig, direkt", beschreibt sich Gouras selbst. Auf dem Platz ist er schnell und zielstrebig.
Als Bub kickte er beim Ludwigshafener SC, fiel früh den Scouts des SC Freiburg auf. Nach zwei aufregenden Jahren war dort für ihn Schluss. „Man war der Meinung, dass ich zu klein und körperlich zu schwach war. Das musste ich so akzeptieren", sagt er rückblickend. Dennoch war es für ihn eine spannende Zeit. „Zum ersten Mal von zu Hause weg, im Internat, dann bei Gasteltern und schließlich in einer WG. Wer kann das mit 15 oder 16 Jahren schon von sich behaupten", fragt er. Nach seiner Rückkehr aus Freiburg, wo er neben dem Fußball die Realschule abgeschlossen hat, schloss er sich Astoria Walldorf an. Der Ableger der TSG Hoffenheim im Kraichgau ist bekannt für seine gute Ausbildung und liegt rund 30 Minuten von Minos Elternhaus entfernt. Der schnelle Flügelspieler ist seiner Zeit immer ein halbes Jahr voraus. Zunächst wurde er aus der U19 in die U23 hochgezogen, danach in die Erste Mannschaft. Er schließt die Schule mit dem Fachabitur ab, kellnert in der „Zwiwwel" und konzentriert sich auf den Fußball. „Mein Vater hat mir schon ein bisschen Dampf gemacht. Wenn es diesen Sommer nichts mit einem Profivertrag geworden wäre, hätte ich eine Ausbildung anfangen müssen. Dafür hätte er schon gesorgt", sagt er lachend.
„Wir wollen die Liga rocken"
Doch seine Leistungen blieben der Konkurrenz nicht verborgen. Marcus Mann, bis Sommer Sportchef des FCS, hatte den 22-Jährigen früh auf seinem Zettel. Sein Nachfolger Jürgen Luginger war sogar einen Schritt weiter, saß schon bei Gouras am Tisch. Damals allerdings noch als Trainer des FC Homburg. Den Ausschlag gab schließlich das Gespräch mit Lukas Kwasniok, der für sein neues System Spieler mit Tempo und Torgefahr gesucht hat. „Ich wollte den nächsten Schritt gehen, mich unbedingt in der Dritten Liga beweisen. Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, nach Rostock oder Magdeburg zu gehen. Erst einmal geht es um die sportliche Perspektive."
Dass die Wahl auf den 1. FC Saarbrücken gefallen ist, war dann aber doch kein Zufall. Neben dem Bemühen der Verantwortlichen haben die Sensationen der Blau-Schwarzen im DFB-Pokal mächtig Eindruck hinterlassen. „Das geht nicht spurlos an einem vorüber. Du spielst samstags gegen Jungs, die du drei Tage vorher im Fernsehen gesehen hast. Beim Elfmeterschießen gegen Düsseldorf habe ich richtig mitgefiebert", sagt Gouras und lacht: „Auch, weil ich wusste, dass Saarbrücken bisher nach einem Pokalsieg immer Probleme hatte." Nur vier Tage nach dem Viertelfinale im DFB-Pokal musste der FCS in Walldorf antreten, verlor 0:1 und Gouras bereitete den Siegtreffer vor. Beeindruckt haben ihn vor allem die Fans; „Natürlich spielt die sportliche Perspektive eine Rolle. Aber jeder Fußballer spielt doch gerne für einen Traditionsverein mit vielen Fans." Was damals niemand ahnte, es war das letzte Saisonspiel für beide Mannschaften. Für Minos begann eine Zeit der Ungewissheit. Nicht nur seine Fußball-Karriere war von der Corona-Pandemie betroffen, auch die Gastronomie seiner Eltern. Morgens ging der 22-Jährige ins Fitness-Studio, ab dem Mittag fuhr er für den „Zwiwwel"-Lieferdienst das Essen aus. „Wir haben viele ältere Stammkunden, die während Corona das Essen nicht abholen konnten. Absolut normal, dass ich das mache", sagt er.
Mittlerweile scheint das Gröbste überwunden. Gouras hat seinen Profivertrag in der Tasche, hat erste Schritte in Saarbrücken unternommen und ist derzeit auf Wohnungssuche. Für eine feste Freundin fehlt ihm „derzeit einfach die Zeit". Kontakt hält er täglich zu seinen Eltern und seinem besten Freund Sven. „Ich bin ein Dorfjunge. Mir sind stabile Bindungen einfach wichtig. Diese Personen halten mir stets den Rücken frei." Einen prominenten Ratgeber hat Gouras auch. Ex-Torwart Roman Weidenfeller stammt aus derselben Region, war vor Jahren mit der Cousine seiner Mutter liiert. „Ich kannte ihn schon, da war ich erst sechs Jahre alt. Die Bindung ist geblieben, er hat mich sogar mal nach Dortmund eingeladen." Weidenfellers Reaktion auf seinen Wechsel zum FCS? „Glückwunsch, das ist ein geiler Verein", erzählt Gouras lachend, „und wenn er das sagt, muss es stimmen."
Weidenfeller hat eine große Karriere hinter sich, während die von Gouras erst Fahrt aufnimmt. „Ich stelle keine Ansprüche, will mich zeigen und mit dem Team Erfolg haben. Und natürlich will ich irgendwann auch spielen", erklärt er. Den FCS sieht er gut aufgestellt. „Viele Teams sehen uns nicht als Aufsteiger, sondern als DFB-Pokalhalbfinalist. Wir wollen Gas geben und die Liga rocken. Wir haben keine Angst", sagt Minos, der Junge aus Rödersheim-Gronau.