Die Zahl der Kaffeeröstereien ist in Deutschland in den vergangenen Jahren explosionsartig in die Höhe geschnellt. Was das für die Anbauländer bedeutet, hat FORUM Stefan Richter, einen Berliner Kaffeeröster, gefragt.
Wer mit Stefan Richter über Kaffee spricht, merkt schnell, dass da jemand seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Richter röstet Kaffee. Seine Spezialitäten finden immer mehr Liebhaber, die den Supermarkt-Kaffee satthaben. Seit einiger Zeit schon hat sich das Geschäft mit den Kernen der Kaffeekirsche immer weiter spezialisiert: Kaffeepads, Kapselkaffee, Biokaffee und in jüngster Zeit die von den Konzernen unabhängigen regionalen Röstereien drängen auf den Markt. Allein in Berlin sollen es etwa 40 sein, sagt Stefan Richter. Bundesweit wird ihre Zahl auf über tausend geschätzt, und es kommen immer noch welche dazu.
Dabei ist der Weg zur Gründung einer Rösterei gar nicht so einfach, erzählt Richter. Das Kaffeesteuergesetz wird auf Röst- sowie auf löslichen Kaffee angewandt. Die rohen Kaffeebohnen unterliegen nicht der Steuer. Sobald also ein Röster seine Maschine angeworfen hat und das erste Kilo gerösteter Kaffee fertig ist, fällt die Steuer in Höhe von 2,19 Euro pro Kilo an. Zuständig dafür ist der Zoll. Er erteilt auch die Lizenz zum Rösten, sprich das Steuerkennzeichen, und kontrolliert, ob der Erzeuger die Menge richtig protokolliert hat. „Wer gegen die Vorschriften verstößt, bekommt sehr schnell Ärger mit den Behörden", sagt Richter. Übrigens ist die Kaffeesteuer eine der ältesten Steuern – sie hat sich seit dem 17. Jahrhundert durch alle Wechselfälle der Geschichte geschleppt.
Richters Berliner Kaffeerösterei, die er mit den beiden Brüdern Andreas und Erwin Giest gegründet hat, entstand noch vor dem Boom, also vor 20 Jahren. Richter und seine Mitgeschäftsführer waren auf einer USA-Reise. „Wir haben in New York eine Kaffeerösterei besucht, die mit Rohkaffee aus Puerto Rico arbeitete. Wir waren alle fasziniert und wollten so etwas auch in Berlin." Dabei kommt keiner der drei aus der Branche: Der eine ist Wirtschaftsjurist, der andere Lebensmitteltechniker und Richter selbst Immobilienmakler. „Rösten können Sie ja nicht studieren, das ist Handwerk", sagt Richter. „Also habe ich in Wien eine Kaffeeschule besucht, bei Röstereien reingeschaut, mit Meistern geredet. So ungefähr nach zwei Jahren hatte ich das Grundwissen zusammen." Jetzt betreibt er in seiner Kaffeerösterei selbst eine Kaffeeschule.
Industriekaffee lagert oft lange
Dass die Röstereien einen solchen Erfolg haben, liegt auch daran, dass sie mehr auf den echten Geschmack setzen. Für die ziegelsteinähnlich gepressten Pakete aus dem Supermarkt werden Bohnen minderer Qualität verwendet, sagt Richter. Beim Rösten werden sie nur kurz ein bis drei Minuten enormer Hitze ausgesetzt und dann abgekühlt. „In unserer traditionellen Trommelröstmaschine werden die Bohnen langsam auf 200 Grad erhitzt und bekommen 14 bis 20 Minuten Zeit, ihr Aroma zu entwickeln." Welche Geschmacksnote dominiert, entscheidet der Röstmeister – und dabei ist der Vergleich mit einem Kellermeister und seinem Wein gar nicht so abwegig. Die kleinen Röstereien arbeiten auch nicht fürs Lager. Sie versuchen, die Kaffeebohnen möglichst frisch geröstet anzubieten. Das ist beim Industriekaffee anders, da lagert der Kaffee oft Wochen und Monate.
Die Bohnen, auf die es eigentlich ankommt, bezieht die Berliner Kaffeerösterei aus nahezu allen Ländern, die im Anbaugürtel für Kaffee liegen. „Schon sechs oder sieben Grad plus sind für den Kaffeebaum schädlich", erklärt Richter. „Die Kirschen brauchen eine gleichmäßig warme Umgebung. Und die ist circa zehn Grad südlich und zehn Grad nördlich vom Äquator gegeben." Er spricht von Jamaica Blue und Hawaii Kona Extra, von zartbitterer, schokoladiger und zitroniger Note, erwähnt nebenbei, dass man im Norden den Arabica und im Süden eher den Robusta bevorzuge, und hat auch einen für das „Berliner Kaffeekränzchen" im Angebot, mit „nussigen Noten ideal zu schokoladenartigem Kuchen".
Die Produktionsmethoden und die Herkunftsbedingungen sind – so Richter – total unterschiedlich. Da gibt es die kleinen Kaffeebauern, die neben einem Maisfeld und einem Kartoffelacker noch acht oder zehn Kaffeebäume bewirtschaften. „Die sind eigentlich am ärmsten dran", meint er. „Sie haben keine Schälmaschine, können die Bohnen nicht sortieren und füllen sie einfach in Säcke ab." Die nimmt dann ein fliegender Händler, der mit dem Jeep vorbeifährt, mit, drückt den Bauern ein paar Dollar in die Hand und das war es. Diese Händler bringen dann die Säcke zu den großen Plantagenbesitzern, die alle Gerätschaften besitzen, um die Kaffeebohnen für den Export fertigzumachen. Sie können ganz andere Preise verlangen.
Daneben schließen sich in vielen Ländern Bauern zu Kooperativen zusammen. „Aber oft haben die einen so aufwendigen bürokratischen Überbau, dass auch da wenig bei den eigentlichen Produzenten ankommt. Oder der Staat bedient sich zuerst: In afrikanischen Ländern zum Beispiel gibt es Gebiete, wo eine sogenannte Union, an die alle Farmer liefern müssen, den Profit abschöpft."
Ein echtes Einkommen garantiert nur der Fair-Trade-Handel – da gilt für den Produzenten ein Mindestpreis, der von den weiterverarbeitenden Betrieben gezahlt werden muss. „Aber der muss auch nicht immer dem Preis entsprechen, der sich auf dem Weltmarkt erzielen lässt", meint Kaffeespezialist Richter. „Es gibt Plantagenbesitzer, die produzieren einerseits Massenkaffee, zweigen aber auch noch so viel von einer edleren Sorte ab, dass sie dafür jeden Preis verlangen können."
„Faire Preise" oft umgangen
Die Berliner Kaffeerösterei arbeitet mit einem Importeur, der die Bedingungen vor Ort kennt. Was er für den Sack Kaffee bekommt, gibt er abzüglich seiner Kosten an die Produzenten weiter, versichert Richter. „Wir handeln da absolut fair, sonst könnten wir die Qualität, die wir haben möchten, gar nicht mehr bekommen."
Geröstet wird in den meisten Anbauländern kaum – obwohl da ja der eigentliche Profit steckt, der mit Kaffee zu erzielen ist. Das hat mehrere Gründe, sagt Richter. Zum einen wäre eine Tonne gerösteter Kaffee aus Honduras oder Nicaragua per Schiff mindestens zehn Tage unterwegs. Dann ist er nicht mehr frisch und hat an Geschmack eingebüßt. Zum anderen wird in Europa je nach Geschmacksgewohnheiten in den unterschiedlichen Ländern geröstet, für Italien anders als für Frankreich und für Deutschland anders als für Russland. Die Tonne aus Honduras würde also einem Teil der Verbraucher gar nicht schmecken. Zum dritten fehlen in den Entwicklungsländern die entsprechenden Maschinen zum Rösten, Weiterverarbeiten und Verpacken, und die müssten erst teuer aus den Industrieländern beschafft werden.
Dass sich das ändert, merke man an dem Schwellenland Brasilien, ergänzt Richter. Dort baut man die entsprechenden Maschinen inzwischen selbst und exportiert sie sogar. Eine Ausnahme ist auch Äthiopien: Solino ist der erste Kaffee, der zu hundert Prozent im Ursprungsland verarbeitet wird. Das heißt die komplette Wertschöpfungskette des Produktes verbleibt im Land. Das Projekt wurde von einem deutschen Hersteller von Fertignahrung ins Leben gerufen. Nicht nur die Kaffeebauern können besser leben, es entstehen auch andere qualifizierte Arbeitsplätze. Der Ertrag des Projektes wird im Land reinvestiert, zum Beispiel in Verpackungsmaschinen und Ausbildung. Durch das Rösten und Verpacken vor Ort erhält Äthiopien rund 60 Prozent mehr Geld für den Kaffee – im Vergleich zum Export von Rohkaffee. Das ist mehr als jeder Fair-Trade-Kaffee leisten kann.