Sonderschulpädagogen besitzen normalerweise ein gutes Gespür für menschliche Probleme und seelische Abgründe – nicht zuletzt, weil sie anderen helfen wollen. Auch Sängerin Lea präsentiert mit ihrem neuen Album ein unterhaltsames Werk, auf dem sie sich mit den typischen Problemen von Heranwachsenden auseinandersetzt. Gelegentlich könnte man denken, dass sie über ihre eigenen Probleme singt, so zum Beispiel in „Staub". In diesem Song singt Lea davon, sich auflösen zu wollen, ein Problem, dass oft bei pubertierenden Essgestörten auftritt. Die Spieluhr unterstreicht dabei musikalisch ihre eigene Hilflosigkeit, obwohl sie doch so gerne alles im Griff hätte – fast so wie in dem bekannten Musical „Tabaluga und Lilli", das sich insbesondere an traumatisierte Kinder und Jugendliche richtet.
Zugegeben, die Musik hat sie tatsächlich im Griff. Der einstige Kaugummi-Pop hat sich inzwischen weiterentwickelt zu gängigem Dance-Elektro-Pop, in dem dann und wann ganz unverhofft einige melodische Gitarrenklänge auftauchen. Zwar experimentiert sie gelegentlich mit sphärischen Klängen und viel Hall, doch ihre zerbrechliche, wenn auch charismatische, Stimme verdeutlicht die eigene Sensibilität.
Dabei ist gegen Einfühlungsvermögen an und für sich nichts einzuwenden. Titel wie „110" oder auch „Ende der Welt" leben von ihrer Dramatik und der in ihr wurzelnden Empathie. Doch Lea, die Tochter eines Musiktherapeuten, scheint ein Faible für schwierige Männer zu haben („110"), vorausgesetzt, sie meidet aus Angst nicht gerade die Konfrontation mit ihrem Schwarm („Immer wieder"). Und wie das bei Teeangern eben so ist: Die Welt scheint zusammenzubrechen, wenn eine Beziehung endet. Daher möchte Lea diesen Heranwachsenden etwas mit auf den Weg geben: „Das ist nicht das Ende der Welt / nur das Ende von uns".
Solch ein Helfersyndrom kann nerven, muss es aber nicht. Mit ihrer CD „Treppenhaus" beweist die Sängerin, dass Unterhaltung auch von Empathie leben kann. Dennoch wüscht man sich ein wenig mehr von der „echten" Lea – und weniger von der sich auflösenden Schablone, die sich selbst und ihre Fans schon fast therapiert.