Als im September 1995 die Playstation auf den Markt kam, revolutionierte sie die Welt der Videospiele. Sie war eine der ersten Konsolen, die auf CDs statt auf Steckmodule als Spieleträger setzte, was wesentlich günstiger war und zudem für eine ungeahnte Vielfalt auf dem Bildschirm sorgte.
Wer seine Verlobte noch vor der Hochzeit verlässt, nur um dann am nächsten Tag direkt zu ihrer ärgsten Rivalin ins Bett zu steigen, braucht sich wahrlich nicht wundern, wenn ihm die Ex danach das Leben schwer macht. Diese Erfahrung musste Anfang der 1990er-Jahre auch Nintendo machen, nachdem man den einstigen Partner Sony düpiert und stattdessen mit dessen Konkurrenten Philips kollaboriert hatte. Ursprünglich sollte Sony ein CD-Laufwerk als Add-on für Nintendos 16-Bit-Konsole Super Nintendo Entertainment System (SNES) entwickeln – die „Nintendo Playstation". Im Gegenzug würde es Sony erlaubt sein, eine eigene Konsole mit CD-ROM-Laufwerk zu entwickeln, welche die Technologie ebenfalls nutzen könnte. Doch nur einen Tag nach Ankündigung dieser „Playstation" im Juni 1991 auf der Consumer Electronics Show in Chicago ließ Nintendo die Zusammenarbeit mit Sony platzen und tat sich stattdessen mit Philips zusammen. Der damalige Präsident von Sony, Norio Ohga, war außer sich, doch so schnell gab er nicht klein bei. Im britischen Videospiele-Magazin „Edge" erklärte er: „Wir werden uns niemals aus diesem Business zurückziehen."
Und tatsächlich: Am 29. September 1995 kam in Europa die Playstation von Sony auf den Markt, ausgeliefert von zwei Dutzend Jumbojets. Zusammen mit dem Sega Saturn war sie eine von zwei Konsolen, die nicht mehr auf Steckmodule als Spieleträger setzten, sondern auf CDs. Ein neuartiges Konzept, das die Welt der Videospiele revolutionierte. In Japan, wo die Play Station bereits im Dezember 1994 erschien, gingen allein am ersten Tag 100.000 Exemplare über den Ladentisch, in Europa und in den USA war die Nachfrage ähnlich. Und auch wenn heute jedes Smartphone über ein Vielfaches an Arbeitsspeicher verfügt als die zwei Megabyte der ersten Playstation: Der Markenname wird heute weltweit als Synonym für Spielekonsolen genutzt. Oder wie es Sebastian Thor anlässlich des 20. Geburtstags der Playstation auf der Internetseite Eurogamer.de formulierte: „,Playstation spielen‘ wurde zum geflügelten Wort, genau wie ,Gib mir ein Tempo‘. Oma wusste nicht genau, was das ist, aber ‚Playstation spielen‘ versteht ja jeder." Dabei hatte Sony bis dahin eigentlich keine Ahnung von Spielekonsolen. Die Expertise der Japaner lag vor allem in den Bereichen Musik, Film und Video. Aber Sony hatte einen sehr fähigen Ingenieur namens Ken Kutaragi. Er entwickelte damals gerade ein System zum Rendern von 3-D-Grafik, das ursprünglich fürs Fernsehen gedacht war.
100.000 verkaufte Konsolen in Japan am ersten Tag
Doch Sony-Chef Ohga erkannte das Potenzial und beauftragte Kutaragi, die gleiche Technik auch in den Chip der neuen Spielkonsole zu verbauen, um damit Nintendo mit seiner 16-Bit-2-D-Technik abzuhängen. Die Playstation bot auf diese Weise eine noch nie dagewesene Grafikqualität und legte so laut EA Blog für digitale Spielkultur „die Grundlage für einen Trend, der selbst heute noch aktuell ist: die zunehmende Inszenierung der Handlung von Videospielen, wie auch in TV- und Kinofilmen." Auch der Sound war um Längen besser als alles, was es bis dahin bei Atari, bei Super Nintendo oder bei Sega Mega Drive gegeben hatte. Erstmals war es möglich, komplette vorproduzierte Soundtracks in die Spiele zu integrieren.
Das alles ging nur, weil Sony für die Playstation CDs als Spieleträger verwendete. „Die Wahl der CD-ROM ist eine der wichtigsten Entscheidungen, die wir getroffen haben", erklärte 1996 Teruhisa Tokunaka, der damalige Präsident von Sony Computer Entertainment. „Wie Sie sicher verstehen, hätte die Playstation genauso gut mit Steckmodulen arbeiten können. Die 3-D-Engine und überhaupt das gesamte Playstation-Format ist medienunabhängig. Aus verschiedenen Gründen, darunter die Wirtschaftlichkeit für den Verbraucher, die einfache Herstellung, die leichtere Bestandskontrolle für den Handel sowie die Softwarehersteller, haben wir jedoch festgestellt, dass CD-ROM das beste Medium für die Playstation ist." Auf die CDs passten nicht nur weitaus mehr Daten als auf die Speicherchips der Konkurrenz – sie ließen sich in großen Stückzahlen auch wesentlich günstiger produzieren. Außerdem war es vergleichsweise einfach, Spiele für die Playstation zu entwickeln, sodass über die Jahre mehr als 4.000 Spiele aus den verschiedensten Genres erschienen. Darunter auch so ungewöhnliche Formate wie „PaRappa the Rapper" mit einem rappenden Hund als Hauptfigur oder „Vib Ribbon", bei dem die Spieler einen einfach animierten Hasen durch verschiedene Level lotsen mussten. „Weil Nintendo auch mit der später eingeführten N64 weiterhin auf teure Speichermodule setzte, mussten sie bei der Auswahl an Spielen sehr genau kalkulieren. Wenn ein Hersteller auf Tausenden von Modulen sitzen blieb, weil das Spiel zu experimentell war und im Markt nicht ankam, konnte es ihm schon mal das Genick brechen. Anders bei den CDs: Sie erlaubte nicht nur günstigere Verkaufspreise, sondern auch mehr künstlerische Experimente, weil der Schaden bei einem Misserfolg deutlich niedriger war", analysierte vor fünf Jahren die IT-Nachrichtenseite Heise. Diesen kreativen Freiraum nutzten die Entwickler für neue Spielkonzepte. Um die Hardware der Playstation mit Leben zu füllen, gründete Sony eigens die Tochtergesellschaft Sony Computer Entertainment.
Aggressive Preispolitik
Als erstes Playstation-Spiel überhaupt gilt das Rennspiel „Ridge Racer". Zu den wichtigsten Veröffentlichungen 1995 zählten daneben mit „Destruction Derby" und dem futuristischen WipEOut zwei weitere Rennspiele, außerdem das auf Multiplayer ausgelegte Strategiespiel „Worms", das Kampfspiel „Tekken" sowie die jeweils ersten Auflagen der beiden Sportspielreihen „FIFA Soccer" und „NBA Live".
Neben der Wahl der CD als Speichermedium gab es allerdings noch einen weiteren Grund für den weltweiten Erfolg der Playstation: Sonys aggressive Preispolitik. Anlässlich des Verkaufsstarts in den USA im Mai 1995 brauchte der Präsident von Sony Amerika, Steve Race, auf der Electronic Entertainment Expo in Los Angeles nur ein Wort, um die Menge zum Jubeln zu bringen. Kurz zuvor hatte Sega auf der Video- und Computerspielmesse seine neue Konsole Saturn zum Verkaufspreis von 399 Dollar vorgestellt. Race sagte bei seinem Auftritt bloß „299" und verließ wieder die Bühne.
In Deutschland war die Playstation für 600 Mark zu haben und damit ebenfalls 100 Mark billiger als der Saturn. In dem Heise-Artikel hieß es: „Anfangs machte Sony damit bei der Hardware zwar Verluste. Weil die Kosten für die Chips mit steigenden Stückzahlen jedoch innerhalb von Monaten sanken, ging diese Mischkalkulation letztlich auf. Zudem warfen die günstig produzierbaren Spiele bald so viel Gewinn ab, dass sie 90 Prozent der Gewinne des Gesamtkonzerns stemmten."
Weltweit wurden mehr als 100 Millionen Exemplare der Playstation verkauft. Anders als Nintendo oder Sega richtete sich Sony dabei an eine etwas ältere Zielgruppe der jungen Erwachsenen – die Playstation sollte nicht nur im Kinderzimmer, sondern auch im Wohnzimmer gespielt werden. Sie war auch die erste Konsole, die nicht wie ein Spielzeug aussah. Fünf Jahre später konnte Sony den Erfolg der ersten Generation mit der Playstation 2 (PS2) sogar noch übertreffen, von der bis heute sogar über 157 Millionen Exemplare verkauft wurden – sie ist damit die meistverkaufte Spielkonsole überhaupt.
Neues Kapitel ab Mitte November
Fungierte die Playstation in vielen Haushalten auch als CD-Player, wurde die PS2 außer zum Spielen auch gern als DVD-Player verwendet, als diese sonst noch nicht so weit verbreitet waren. Bei der Playstation 3 kam 2006 dann neu die BluRay-Technologie hinzu – allerdings verkaufte sich dieses Modell anfangs längst nicht so gut. Es war deutlich teurer als die vorherigen, zudem überforderte die spezielle Architektur des Cell-Prozessors anfangs noch die Spiele-Entwickler. Nach einer Preissenkung zogen die Verkaufszahlen zwar an, doch die Konkurrenten Nintendo Wii und Xbox 360 von Microsoft waren mittlerweile ebenbürtig. Daran änderte sich auch mit der Playstation 4 nichts, die 2013 auf den Markt kam. Für November hat Sony nun die nächste Generation angekündigt, die Playstation 5. Sie soll für ein neues Kapitel dieser Erfolgsgeschichte sorgen.