Indonesien ist ein Inselparadies. Bali steht auf vielen Wunschlisten ganz oben. Doch wer noch einen Geheimtipp sucht, ist auf der kleinen Insel Bintan genau richtig.
Weißer Sand, riesige Kokospalmen und ein türkisblaues Meer, das träge an den Strand schwappt. Natürlich ist auch der Himmel strahlend blau. Das gleißende Licht der Mittagssonne lässt die wenigen Urlauber, die gerade da sind, in den Schatten flüchten. Vor uns liegt ein paradiesisches Strandidyll wie auf einer Postkarte. Wir reiben uns die Augen und sind uns einig: Es ist fast zu schön. „Willkommen auf Bintan", begrüßt uns Mumu mit lachenden Augen und reicht uns einen erfrischenden Zitronengrastee.
Für die Bewohner aus Singapur ist die Insel ein beliebtes Ausflugsziel am Wochenende. Wie sie sind wir auf die Fähre gestiegen und ließen uns die frische Meeresbrise um die Nase wehen. Containerschiffe soweit das Auge reicht, dicht an dicht in einem regelrechten Schiffsstau. Durch die berühmt-berüchtigte Straße von Malakka müssen alle durch, die von Indien nach China wollen. Nach rund einer Stunde waren wir am Ziel.
Auf Bintan geht es beschaulich zu
Auf Bintan geht es beschaulich zu. Mumu nimmt uns mit auf eine Tour, um uns seine Insel zu zeigen. Auf der Straße kommt uns nur ein einzelner langsam tuckernder Lastwagen entgegen, voll beladen mit Mangos, Bananen und Kokosnüssen. Menschen sind in den Dörfern kaum zu sehen. Viele arbeiten in den 25 schicken Strandresorts mit Golfplätzen. Vor einer Bretterbude, in der frische Kokosnüsse auf durstige Käufer warten, halten wir an. Links davon schieben sich unwirkliche Dünen ineinander. Der Boden ist fest, die Kamele und Pferde sind aus Pappmaschee. Dazwischen schimmert ein See aus Regenwasser in einem zu hell leuchtenden Türkis. Einige Besucher zücken ihre Kamera und setzen sich vor dieser bizarren Kulisse in Szene. Die „Wüste" wie sie die Einheimischen nennen, entstand durch den Abbau von Bauxit, einem Mineral, das für die Herstellung von Aluminium verwendet wird. Wenige Meter davon entfernt hat sich die Natur mit Mangrovenwäldern und grünen Sträuchern die Landschaft zurückgeholt.
Mumu telefoniert und organisiert ein lokales Restaurant für das Abendessen. Die Sonne versinkt im Meer, und es wird Zeit für Moskitosprays. Schnell füllt sich unser Tisch mit gegrillten Fischen, Garnelen, Wasserspinat, Hähnchenspießen und anderen Köstlichkeiten der indonesischen Küche. Mumu greift zu einer fast handtellergroßen weißen Meeresschnecke, legt den Kopf in den Nacken und schlürft mit imposanten Geräuschen das Innenleben heraus.
„Gong-Gong, eine echte Spezialität und gut für die Manneskraft", sagt er und greift zur nächsten. Sein richtiger Name ist Muhamad Mukarom, doch alle nennen ihn Mumu. Aufgewachsen in Java, war er vor einigen Jahren bereit für ein kleines Abenteuer. Sein Geld reichte nur für ein One-Way-Ticket nach Bintan. Er verliebte sich in die Insel, blieb und gründete eine Familie. Ihm gefällt die ruhige Atmosphäre, das Gefühl, als ob die Uhren hier langsamer ticken und die verschiedenen Seiten der Insel. Früher war Bintan mit der 250 Kilometer langen Küste ein beliebter Zwischenstopp für Piraten, die auf neue Schiffe mit Gold und Gewürzen warteten. Auch sie blieben länger, ebenso wie die Holländer und Briten, die Jahrhunderte um die koloniale Macht in dieser Region kämpften.
Bali ist für viele ein Sehnsuchtsort
Die meisten Menschen an der Küste leben vom Fischfang und ziehen sich am Abend in einfache aus Pfählen und Wellblech zusammengehauene Hütten zurück. Auf der Fahrt über die Insel sehen wir viele von ihnen und damit die Schattenseiten des Paradieses. Nicht weit von einem Fischerdorf an der Ostküste fährt ein Speedboot zu der winzigen vorgelagerten Insel White Sand Island. Der weiche Sand streichelt unsere Füße, und aus dem warmen endlosen türkisblauen Meer wollen wir gar nicht mehr heraus. Hier kommt echtes Robinson-Crusoe-Feeling auf. Im Südwesten Bintans liegt eine weitere Naturschönheit: Der Mangrovenwald am Fluss Sungei Sebung. Wieder steigen wir in ein Boot und schlängeln uns durch die immer enger werdenden Wasserarme. Wir ducken uns vor den tiefhängenden Ästen und schauen in das grüne Dickicht der Bäume. „Snake, Snake", ruft unser Bootsführer Regar und tatsächlich macht es sich eine schwarze Schlange über unseren Köpfen im Geäst gemütlich. Lange wurden die Mangrovenbäume von den Einwohnern abgeholzt. Sie nutzen das harte Holz als Baumaterial und für Holzkohle. Doch seitdem viele Menschen Arbeit im Tourismus fanden, hat sich der Wald wieder erholt. Die tief verwurzelten Bäume schützen vor Tsunamis und bilden einen Lebensraum für Reiher, Eisvögel, Otter, Warane und Makaken. Während sich die Abendsonne auf dem Wasser spiegelt, wird es Zeit für unsere Rückfahrt. Eigentlich sollten Tausende von Glühwürmchen den ganzen Wald zum Leuchten bringen. Aber an diesem Tag hatten sie wohl etwas anderes vor.
Indonesien ist ein wahres Inselparadies. Mit rund 17.500 Inseln ist es der weltweit größte Inselstaat und das größte Land Südostasiens. Die Insel Bali ist die wohl bekannteste und für viele ein Sehnsuchtsort. Bali steht für lange Strände, Partys und Surfen, magische Tempel, üppige Natur, freundliche Menschen und eine leckere Küche. Hier scheint jeder sein Urlaubsglück zu finden. Wir wollen wissen, was dran ist an dem Mythos Bali und reisen weiter auf die Insel der Götter.
Dicker Verkehr schiebt sich durch die Straßen der Hauptstadt Denpasar im Süden der Insel. Südlich davon schlägt das touristische Herz Balis: Die langen Strände in Kuta und die Beach- und Nachtclubs, Einkaufszentren in Seminyak sowie schicke Luxushotels und schlichte Pensionen locken seit den wilden 1970er-Jahren jährlich zahlreiche Besucher. Wir suchen ein anderes Bali und fahren in die Mitte der Insel. „Bei uns gibt es Tausende Tempel, jedes Dorf, jede Schule und jedes Reisfeld, alle haben ihren eigenen", sagt unser Guide Wayan Sugi. Auch jede Familie hat ihren Tempel, je größer, desto wohlhabender ist sie.
Obwohl Bali zum muslimisch geprägten Indonesien zählt, gehören über 90 Prozent der rund vier Millionen Inseleinwohner dem Hinduismus an. Die Balinesen glauben an Götter und Dämonen und sehen es als ihre Aufgabe, diese mit Opfergaben zu beschwichtigen und gnädig zu stimmen. Wer auf der Insel unterwegs ist, kommt an Opferschälchen nicht vorbei. Sie werden aus Palmblättern gebastelt und mit Blüten, Reiskörnern, Süßigkeiten und Früchten bis hin zu Zigaretten und Geld bestückt. Ob in Tempeln, vor Götter- und Dämonenstatuen, in Hotels, Schulen, Hauseingängen oder Taxis, sie werden überall ausgelegt.
Für die Reisgöttin Dewi Sri stehen sogar am Rande der Felder kleine Schreine, in die gleich nach dem Kochen eine Portion als Opfergabe gestellt wird. Die wunderschönen terrassenförmigen Reisfelder prägen neben Regenwäldern und Vulkanbergen die Landschaft der Insel. Jedes Feld wird von einer Kooperative, dem Subak, geführt, in der sich Landbesitzer gemeinschaftlich um die Felder und die Bewässerung kümmern. Das System der Subaks ist mehr als 1.000 Jahre alt. Fünf balinesische Subak-Landschaften zählen heute zum Weltkulturerbe der Unesco. Zu einer von diesen gehört auch der Tempel Pura Taman Ayun, der Tempel des schwimmenden Gartens. Umgeben von einem großen Fluss und mit prachtvollen Gärten gilt die Tempelanlage als eine der schönsten. Für die Balinesen ist es auch der Tempel der Reisgöttin, die hier als große Statue zu sehen ist. Der Eingang zu jedem Tempel ist ein geteiltes Tor. Es symbolisiert das Gleichgewicht von Yin und Yang, von Gut und Böse. Die vor dem Eingang thronenden Dämonen oder Wächter sollen das Böse fernhalten. Tragen sie ein schwarz-weiß kariertes Tuch, steht dieses wieder für das Gleichgewicht von Yin und Yang. Weiß ist die Farbe für das Leben, Schwarz für den Tod.
Toleranz gegenüber anderen Religionen
„Bei den Zeremonien tragen wir Gelb und Weiß, das sind die heiligen Farben, sie unterstützen die Verbindung zu Gott", sagt Sugi, der einen Sarong und eine Kopfbedeckung, eine Odang, mit einem Knoten auf der rechten Seite trägt. Es sei ein gutes Leben auf Bali. Die Infrastruktur funktioniert, die Leute sind friedlich und tolerant gegenüber anderen Religionen. Doch immer noch seien Söhne wichtiger als Töchter, weil die Frauen zu den Männern ziehen und die Eltern versorgen. Wir erreichen die Westküste und den Tempel Tanah Lot, was wörtlich übersetzt Land inmitten des Meeres heißt. Er ragt auf einem Felsen an der von Klippen gesäumten Küste auf und ist nur bei Ebbe erreichbar. Obwohl es nur ein kleiner Tempel ist, zählt er zu den sechs heiligsten auf Bali. Er soll im 16. Jahrhundert von einem javanischen Shiva-Priester begründet worden sein. Als Wächter gelten zwei giftige heilige Seeschlangen in einer Höhle gegenüber. Eine Legende erzählt: Als sich Bali von Java abspaltete, kam ein Gott in einer Kokosnussschale nach Bali und ließ sich dort nieder, wo heute der Tempel steht.
Wir verlassen die Küste und fahren zurück zur Inselmitte, bummeln durch die kleinen Geschäfte und Märkte der Künstlerstadt Ubud. Sie diente als Kulisse des Kinohits „Eat, Pray, Love" mit Julia Roberts aus dem Jahr 2010. Seitdem suchen Menschen im scheinbar spirituellen Zentrum Balis, wie die Hauptfigur der Geschichte, im Urlaub nach sich selbst.
Uns steht der Sinn eher nach kulinarischem Genuss. In einem benachbarten Dorf lassen wir uns von Gusti Ayu Nyoman bei einem Kochkurs in die Geheimnisse der balinesischen Küche einweihen. Köstliche Currys, Salate mit Spinat und Kokos, Hähnchenspieße mit Erdnusssoße und Fisch im Bananenblatt verspeisen wir anschließend selbst.
Am nächsten Morgen treffen wir Sugi wieder. „Ihr habt Glück, heute findet im Tempel Pura Tirta Empul die wichtigste Zeremonie des Jahres statt", sagt der 44-jährige Vater von drei Söhnen. Der Tempel ist berühmt für seine heiligen Quellen, die einst vom Gott Indra im Kampf gegen die Dämonen erschaffen worden sein sollen und von einem der großen Vulkane gespeist werden. Schon seit über 1.000 Jahren baden die Balinesen im heiligen Wasser, das sich aus Fontänen in Becken ergießt. Das Wasser verheißt sowohl spirituelle Reinigung als auch körperliche Heilung. Laut Sugi hilft es auch gegen Alpträume und bei Streitereien mit anderen.
Wie immer statten wir uns am Eingang mit einem Sarong aus und kommen aus dem Staunen nicht heraus. Die Leute stehen Schlange, um sich mit dem heiligen Wasser zu reinigen und davon zu trinken. An der Seite sitzen Musiker und sorgen für lautstarke Klänge. Opfertiere, darunter Kühe, Ziegen und Schweine werden durch den Tempel getrieben. Ein weiß gekleideter Balinese trägt eine Schildkröte auf einer Schulter, die durch die warmen Temperaturen schon halb tot ist. Frauen tragen in Reihen unzählige Opferschalen durch den Tempel, andere ein langes weißes Tuch, das die Kleider Gottes symbolisiert. „Es geht von morgens bis abends, rund 2.000 Leute kommen jedes Jahr", erklärt Sugi. Die Balinesen zelebrieren Rituale, um ihre Götter gnädig zu stimmen, für Wohlstand, ein langes Leben und reiche Ernten.
Während meine Reisebegleiter zurück nach Deutschland müssen, fahre ich weiter in Richtung Osten. Kaum bin ich aus Ubud raus, lässt der Verkehr nach. Kleine Dörfer ziehen sich an der Straße entlang, Reisfelder und Tempelanlagen wechseln sich ab. Mein Ziel ist der Ort Amed, eine Freundin erzählte mir von ihrem Geheimtipp an der Ostküste: kleine Lebensmittelläden, familiengeführte Restaurants, vereinzelte Pensionen und Privatzimmer. Hier ist der Massentourismus noch nicht angekommen. Ich komme bei der Schweizerin Arlette Bingli unter und genieße die Aussicht über einen prächtigen Haustempel und Gärten bis zum Meer. „Komm lass uns schnorcheln gehen und später im Restaurant meiner Nachbarn essen", sagt sie. Die Gegend ist ideal für einen Ausflug in die Unterwasserwelt. Nach einer Weile kommt ihr Nachbar Dana mit seinem Boot und reicher Beute zurück. Er hat einen riesigen Mahi Mahi, eine Goldmakrele, gefangen. „Ich fahre jedes Jahr nach Bali und verbringe hier mehrere Monate. Ich mag die Leute und fühle mich hier wohl", erzählt meine Gastgeberin, während wir den lecker gegrillten Fisch verspeisen. Sie ist durch die ganze Welt gereist, hatte als Bankerin einen Burn-out und kam durch den Tipp einer Kollegin nach Bali. „Nach mehreren Rundreisen, dachte ich: Das ist meine Insel, hier könnte ich bleiben", sagt die 57-Jährige. An Amed schätzt sie, dass es ruhiger ist als die vielen hektischen Ecken Balis sowie die Ursprünglichkeit. Es sei einfach ein guter Ort zum Leben. Doch die Schweizerin schmiedet neue Pläne und will im nächsten Jahr ein Haus im Süden mieten. „Fahr’ zum Abschluss nach Sanur und Jimbaran, entspannte Orte mit schönen Stränden und guten Fischrestaurants", rät sie mir. Arlette soll Recht behalten.