Mit dem Psycho-Krimi „Cortex“ legt Moritz Bleibtreu sein Regiedebüt vor. Der düstere Film fordert den Zuschauer, ist aber auch spannend.
In mehr als 90 Filmprojekten hat Moritz Bleibtreu in seiner bisherigen Karriere mitgewirkt. Ob singender Schiffspassagier im Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ (2019), als pfiffiger Kiffer in den Komödien „Lammbock“ (2001) und „Lommbock“ (2017), als idealistischer RAF-Terrorist in „Der Baader Meinhof Komplex“ (2008): In jedem Genre ist der 49-Jährige erfolgreich. Nach so viel Kino- und Fernseharbeit als Schauspieler präsentiert Bleibtreu nun sein Debüt als Regisseur. „Cortex“ heißt der Thriller, für den er nach einer eigenen Idee auch das Drehbuch schrieb und überdies die Hauptrolle spielt. Leicht hat es sich der Filmemacher nicht gemacht. Denn „Cortex“ hat eine komplexe Handlung, in der Realität und Traum miteinander verschmelzen:
Hagen (Bleibtreu) hat Albträume, die so stark sind, dass er nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden kann. Diese Albträume wirken sich auch auf Hagens alltägliches Leben aus, sodass die eh schon angeschlagene Beziehung zu seiner Frau Karoline (Nadja Uhl) leidet. Schließlich geht Karoline mit dem Kleinkriminellen Niko (Jannis Niewöhner) fremd. Es folgen verstörende Geschehnisse, die das Leben der zwei Männer auf den Kopf stellen. Es scheint, als würden sich Wirklichkeit und Traum miteinander vermischen. Hat Hagen noch die Kontrolle?
Verstörende Geschehnisse
Filme, in denen die Helden ihre Träume nicht mehr so recht von der Wirklichkeit voneinander unterscheiden können, gibt es viele. In „Black Swan“ (2010) tanzt sich Natalie Portman weg von der Realität; in „American Beauty“ (1999) rutscht ein Familienvater während seiner Midlife-Crisis in seine Traumwelt; und in „Inception“ geht es um Meta-Diebe, die in die Träume ihrer Opfer eindringen, um dort Ideen zu stehlen und um neue Gedanken einzupflanzen. Kaum einer dieser Filme ist mal eben gelassen mit Popcorn in den Händen zu genießen. Immer ist der Zuschauer gefordert, um der Handlung zu folgen und den Durchblick zu behalten.
Das ist auch in „Cortex“ so. Moritz Bleibtreu hätte sich für sein Debüt auch eine sichere Bank aussuchen können, eine Komödie etwa oder einen Liebesfilm. Aber er wollte mehr als seichte Unterhaltung, sondern tiefer in die Seele seiner Hauptfigur blicken. Er habe sich gefragt, ob Menschen wirklich jene Personen sind, die sie vorgeben, zu sein. „Viele Menschen führen nicht das Leben, das sie wirklich wollen. Mein Film beschäftigt sich mit der Frage: Was wäre, wenn die Vorstellung, jemand anderes zu sein, unkontrolliert zur Wirklichkeit wird?“ So eine Situation steht im Mittelpunkt von „Cortex“. Hagen und Karoline haben sich in ihrer Ehre entfremdet, ohne dies zuzugeben und erst recht, ohne es bewusst ändern zu können. Wer sich als Zuschauer in diesem Konflikt erkennt oder sehen möchte, wie Hagen und Karoline beim Versuch versagen, ihn zu lösen, wird an „Cortex“ Gefallen finden. Denn obgleich die Stimmung düster ist und die Handlung ins Psychologische ausschlägt, nimmt die Geschichte von Hagen vor allem in der zweiten Hälfte ordentlich an Fahrt auf. „Cortex“ entwickelt sich zum Krimi mit einem Hauch Drama. Dabei rückt Karoline immer mehr in den Vordergrund. Sie stellt die Verbindung dar zwischen Hagen und seinen Träumen, die sich zunehmend den Weg in die Realität bahnen. Oder ist es umgekehrt?
Handlung driftet ab ins Psychologische
Wie in vielen anderen Filmen mit ähnlichem Thema werden auch in „Cortex“ nicht alle Fragen restlos beantwortet. Und das ist auch gut so, denn es bleibt dem Zuschauer überlassen, aus welcher Perspektive er die Handlung verfolgt und welche Position er einnimmt. Es geht in „Cortex“ um Rache, Hass und Verlust, aber auch um Liebe und Freiheit. „Der Blick aus verschiedenen Winkeln auf die Themen, die uns bewegen, ergibt oft eine neue Erkenntnis“, sagt Moritz Bleibtreu.